mm-Buch- und Filmideen fürs Fest Unsere Wirtschaftsbücher des Jahres - Teil 2
Empire - Wie ein Unternehmer eine Nachfolge-Schlacht anzettelt
Was lohnt Lektüre und Aufmerksamkeit, wenn es um Wirtschaft geht (neben manager magazin selbstverständlich)? Nachfolgend unsere Auswahl der interessantesten Wirtschaftsbücher und -Filme des Jahres. Die Autoren: Klaus Ahrens, Eva Buchhorn, Michael Freitag, Wolfgang Hirn, Philipp Alvares de Souza Soares, Klaus Werle und Angelika Wetzstein. Teil 1 lesen Sie hier. In der US-Erfolgsserie "Empire" kämpfen drei Söhne um die Unternehmensspitze.
Was soll das? Sind wir hier jetzt bei Shakespeare oder was?" Jamal bringt das Ansinnen seines Vaters Lucious Lyon gleich in der ersten Folge der neuen US-Serie "Empire" auf den Punkt: Der Patriarch ruft unter seinen drei Söhnen ein altertümliches Rennen um die Nachfolge aus. Noch, betont er, sei keiner von ihnen Manns genug, um sein Lebenswerk weiterzuführen. Zur Bewährung bleibe nur wenig Zeit, der Börsengang seines Black-Music-Labels Empire Entertainment stehe kurz bevor.
Hauptfigur Lucious blickt in den folgenden elf Episoden meist verächtlich auf die drei Bengel herab, die es im Gegensatz zu ihm doch immer leicht hatten. Die Sprösslinge Andre (mit MBA, aber ohne Sinn für Kunst), Hakeem (ein verwöhnter Rapper ohne Disziplin) und Jamal (ein Soulgenie) scheinen ihm viel zu selbstbezogen, um Empire durch das tückische Fahrwasser der Digitalisierung zu führen. Ärgerlich, dass ihn selbst eine plötzliche Erkrankung am Weitermachen hindert.
Dann wird auch noch Cookie aus dem Gefängnis entlassen. Die Mutter von Lucious' Söhnen droht, den Börsengang mit der Enthüllung zu vermasseln, dass die Firma einst auf Drogengeld gründete. Vom Bordstein zur Skyline: Als kleiner Gangster vertickte Lucious noch Stoff in den Straßen New Yorks, heute lädt ihn Barack Obama zum Staatsdinner ein. Die Musik war für ihn Berufung und Ausweg aus der Armut zugleich. Heute, betont er einmal wehmütig, würden Margenfresser wie iTunes oder Spotify den Straßenkids diesen Exit versperren.
In den USA war "Empire" der erfolgreichste Serienneustart des Jahres. Auch wenn ein sparsamerer Umgang mit Genreklischees nicht geschadet hätte, schaut man der Familie gern zu, wie sie um ihr Imperium kämpft. Dabei kommen nicht nur Musikliebhaber auf ihre Kosten (es wird viel gesungen), schließlich spielt sich das Drama des Lyon-Clans genauso in deutschen Mittelstandsdynastien ab. Auch wenn das Startkapital dort die Volksbank zahlte.
Edward Tse: Chinas neue Elite
Alibaba-Gründer Jack Ma, diesen kleinen, dünnen Mann mit dem Riesencharisma, kennen inzwischen auch im Westen viele. Aber Pony Ma, Robin Li, Lei Jun oder Yu Gang? Namen, die man sich besser merken sollte. Denn sie gehören einer wachsenden Klasse in China an: den Entrepreneuren. Diese neuen Bosse sind es, die den Wandel gestalten und die Wirtschaft treiben. Sie lösen die Granden der Staatsunternehmen immer mehr als Leitfiguren ab.
Anders als die alte Garde sind die privaten Unternehmer deutlich internationaler, sie denken im globalen Maßstab, nicht wenige haben im Ausland studiert. Das macht sie für die Wettbewerber aus dem Westen noch gefährlicher. Tencent, Xiaomi, Baidu, Geely, Yihaodian: sind inzwischen allesamt zu Multis herangewachsen. Und nur wer versteht, wie die Gründer dieser neuen Angreifer ticken, kann sie auch in Schach halten.
Edward Tse hat über die Clique dieser Emporkömmlinge ein Buch geschrieben, das gespickt ist mit Insiderwissen. Tse, der seit Jahren als Berater in Chinas Geschäftswelt unterwegs ist, kennt viele der Jungunternehmer persönlich. Er seziert ihre Erfolgsrezepte nüchtern, wie ein Berater das eben tut. Die Experimenteure, wie Tse sie nennt, sind pragmatisch, extrem flexibel, haben keine Angst vor Fehlern. Trial and Error als Angriffsstrategie. Der Autor empfiehlt seinen Lesern, von den chinesischen Entrepreneuren zu lernen, ja sie zu kopieren. Es sei endlich an der Zeit, dass der Westen seine Arroganz ablege - und sein Vorurteil, China könne nur "billig".
So richtig in Rage geschrieben, rät Tse Konzernen aus dem Westen zudem, ihre Personalpolitik zu überdenken. Mit landesunkundigen Managern, die mal eben für drei Jahre nach China entsendet werden, könne man in dem immer komplexer werdenden Riesenmarkt nicht mehr bestehen. Ein provokantes Buch, mit viel Stoff zum Nachdenken für deutsche Unternehmer, die immer abhängiger von China werden.
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Heike Buchter: Blackrock - der mächtigste Konzern der Welt
Der Mann, der über ein billionenschweres Imperium gebietet, sammelt alte Wetterhähne und vergisst selten, auf seine Vorliebe fürs Zugfahren hinzuweisen. Larry Fink, Gründer und CEO von Blackrock, pflegt das Image als sparsamer Sachwalter seiner Anleger so sorgfältig wie die Performance seiner Fonds.
Schein und Sein - es ist das Überthema in Heike Buchters Buch über den Vermögensverwalter Blackrock. 1988 von Fink mit einer Telefonleitung und fünf Millionen Dollar "Taschengeld" im Hinterzimmer der Private-Equity-Firma Blackstone gegründet, fliegt Blackrock seither bewusst unter öffentlichem Radar.Dabei verwaltet das Unternehmen 4,6 Billionen Dollar, hält Anteile an jedem Dax-Unternehmen, berät Minister und Notenbanken. Keine Bank hat annähernd so viel Einfluss, sagt Buchter: "Blackrock ist der mächtigste Konzern der Welt."
"Die Umtriebe der "heimlichen Weltmacht" (Untertitel) ans Licht zu bringen ist erklärtes Ziel der Finanzjournalistin. Buchter, die heute für die "Zeit" als Korrespondentin in New York arbeitet, tranchiert ihr Thema souverän wie ein All-American-Dad den Truthahn an Thanksgiving.
Wie der Konzern von der Finanzkrise profitierte oder warum Larry Fink als Wall-Street-Verlierer startete und als amerikanischer Finanzminister enden könnte - faktenprall und zahlensicher steuert Buchter durch die Materie. Weil Blackrock überall mitmischt, wo es um Geld geht, von Riester-Rente bis zu ETFs, gelingt Buchter wie nebenbei auch eine kleine finanzpolitische Geschichte des vergangenen Vierteljahrhunderts.
So stark die Autorin in der Analyse ist, im Aufzeigen der Gefahren, die vom Finanzmoloch ausgehen - etwas mehr Wertung hätte dem Buch gutgetan. Am Ende bleibt vor allem der faszinierende Gigantismus von Blackrock im Gedächtnis. Aufklärend-kritische Beschreibung ist gut - eine beherztere, energischere Haltung wäre noch besser.
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Brigitte Witzer: Die Karrierefallen von Frauen
Warum landen Frauen im Hamsterrad und Männer im Vorstand? Die Frage kommt bis zur Ermüdung immer und immer wieder auf die Tagesordnung. Brigitte Witzer versucht es mit einer scheinbar simplen Antwort: Es liegt am Fleiß der Frauen. Fleiß, so ihre These, macht Frauen blind für Karrierechancen. Da kann ich nur sagen: Endlich spricht eine Topfrau mit Konzernerfahrung aus, was viele fühlen. Immer, wenn ich meinen eigenen Werdegang nachzeichnen soll, hadere ich mit meinem inneren Fleiß-Lieschen, das ich auch bei den Kolleginnen und ganz besonders bei den Frauen feststelle, die ich als Mentorin fördere.
"Die Fleißlüge" sorgt nun für Klarheit und liefert die Argumente für mein Unwohlsein. Frech und unorthodox beschreibt Witzer die komplexe Gemengelage kulturell geübter Mechanismen, die ihr zufolge nie über die 60er Jahre hinausgekommen sind. Die Autorin schont sich dabei selbst nicht. Mutig und humorvoll gibt sie preis, wie sich ihr privates Leben jeweils in Bezug zu ihren Karriereschritten gestaltete. Faul war sie dabei keineswegs: Mit 30 Verlagsleiterin, dann für den Aufbau des Russland-Geschäfts verantwortliche Geschäftsführerin bei Bertelsmann und mit 40 Hochschulprofessorin. Heute coacht sie Topführungskräfte, Männer wie Frauen.
Dass ein Hamsterrad von innen aussieht wie eine Karriereleiter, wie Witzer schreibt, dieser Hinweis entlocke ihren Klientinnen lediglich ein verlegenes Lächeln. Sie skizziert vier Prototypen: Die fleißige Prinzessin, die sich Macht durch Mutterschaft sichert; die von Perfektion und hohem Arbeitsethos getriebene Superbiene, die sich vor jeden Karren spannen lässt; die Heldin und Einzelkämpferin; sowie die Königin, die Verantwortung übernimmt.
Im Ringen um Augenhöhe zwischen Mann und Frau sieht Witzer den Lichtblick bei der Königin; sie lässt als Einzige ihre Talente nicht vor lauter Fleiß verkümmern. Allen, die auf den Thron wollen, empfehle ich die Lektüre.
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Danny Boyle, Aaron Sorkin: Steve Jobs - der Film
Wer ist der Mann, der den wertvollsten Konzern der Welt in einer Garage erschuf? Ein Adoptivsohn, der Zeit seines Lebens unter der Ablehnung durch seine leiblichen Eltern litt? Ein narzisstischer Vater, der seine eigene Tochter verleugnet? Oder ein Genie, das spröde Rechenmaschinen in begehrenswerte Lifestyleprodukte verwandelt, für die Menschen tagelang in der Kälte anstehen?
Apple-Gründer Steve Jobs war eine polarisierende Mischung, eine Provokation, die sich je nach Blickwinkel ebenso plausibel als Held anhimmeln wie als Fiesling hassen ließ. Bis heute fasziniert der emotionale Sog, der von der Figur Jobs ausgeht, die längst Züge einer religiösen Ikone trägt.
Der Kult lebt: Schon Wochen vor dem Kinostart von "Steve Jobs" haben Kollegen und Fans des Apple-Gründers protestiert, seine Witwe wollte den Film gar verbieten lassen. Jobs, so der Vorwurf, werde darin fälschlicherweise als "inhuman" und "grausam" dargestellt, selbst CEO Tim Cook fühlte sich bemüßigt, den Film in einer Talkshow als "opportunistisch" abzutun.
Dabei nähern sich Danny Boyle (Regie) und Aaron Sorkin (Drehbuch) dem Guru auf faire Weise. Jobs erscheint als der zerrissene Charakter, der er wahrscheinlich war, geliebt und gehasst, skrupel- und kompromisslos. Ein Michelangelo der Computerära, der als Familienmensch versagt.
Das ist ehrlich und interessant zugleich. Selbst enge Weggefährten, wie Apples Designchef Jonathan Ive, bewundern bis heute, dass Jobs lieber den Hass seiner Mitarbeiter riskierte, als einen faulen, aber harmoniefördernden Kompromiss zum Schaden eines Produkts einzugehen. "Musiker spielen ihre Instrumente. Ich dirigiere das Orchester", sagt Jobs im Film.
Ein zweistündiges Drama in drei Akten. Der Apple-Gründer (Michael Fassbender) bei der Präsentation des Macintoshs (1984), des Nextcubes (1988) und des iMacs (1998); stets begleitet von seiner Marketingchefin Joanna Hoffman (Kate Winslet), die ihn treu unterstützt, die Balance zwischen Ego und Außenwelt zu halten.
Der von Jobs geschasste Co-Gründer Steve Wozniak (Seth Rogen) stand den Filmemachern als Berater zur Seite - für die Kritiker ein gefundenes Fressen. Dabei täte es gut, Jobs, den Studienabbrecher mit syrischen Wurzeln, nicht als Propheten, sondern als Menschen zu erkennen. Gebrochen und genial zugleich.
Joseph Stiglitz: Warum Wohlstand immer ungleicher verteilt ist
Warum sind die Reichen in den vergangenen Jahrzehnten so viel reicher geworden? Was mehrt soziale Ungleichheit und wie lässt sie sich bekämpfen? Seit selbst der konservative US-Präsidentschaftskandidat Jeb Bush in seiner Kampagne die Frustration der amerikanischen Mittelschichten über den unfassbaren Vermögenszuwachs "des obersten einen Prozents" anprangert, ist Neokeynesianer und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz wieder in aller Munde. Passend dazu ist nun ein Sammelband erschienen, der seine wichtigsten Wortmeldungen jüngeren Datums auf Deutsch auflistet. Seiner Liebe zum klar formulierten Feindbild lässt Stiglitz wie immer freien Lauf: CEOs großer Konzerne angeln sich in seiner Welt Millionengehälter mittels willenloser Aufsichtsgremien; Fondsmanager beuten ahnungslose Anleger aus; die amerikanischen Politiker haben einseitig das Wohl des Finanzsektors im Blick.
Staatliche Regulierungen wie Corporate-Governance-Kodizes und verschärfte Transparenzpflichten für Anlageprodukte blendet der Autor dabei nonchalant aus. Auch das Freihandelsabkommen TTIP ist für ihn Teufelswerk. Er ist fest davon überzeugt, dass soziale Ungleichheit das Wirtschaftswachstum bremst, weil sie private Verschuldung stimuliert - empirisch nachgewiesen ist das bislang nicht. Lesenswert ist der Band trotzdem, schon weil - Stichwort Erbengeneration - das Thema soziale Ungleichheit auch hierzulande heftig diskutiert wird. Und weil der Ökonom leidenschaftlich Mythen durchlöchert, die viele bereits für neue Naturgesetze hielten: Zum Beispiel die Vorstellung von der "Unersetzlichkeit" der Topmanager, die angeblich noch das absurdeste Gehalt rechtfertigt. Oder die Annahme, dass Einkommensvorteile der Reichen ganz von selbst zu den Armen durchsickern. Stiglitz setzt Moral und Vision gegen Sachzwänge und Klientelpolitik. Die Auswahl der Texte in diesem Band dokumentiert sein Anliegen überzeugend.
Hier geht es weiter zum ersten Teil unserer Buchtipps.
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