Lockruf der Geheimniskrämer: Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas
Foto: ETHAN MILLER/ REUTERSReno, Nevada, ist nicht gerade der Nabel der Weltwirtschaft. Gut, in der Nähe baut die Elektroautoschmiede Tesla an ihrer "Gigafactory" für Batteriezellen. Und von Reno aus finden sich alljährlich die Silicon-Valley-Größen zum verrückten Wüsten-Festival Burning Man ein. Ansonsten: Gut 200.000 Einwohner, ein Spielcasino als größter privater Arbeitgeber.
Noch abgelegener ist Pierre, die Hauptstadt des Präriestaats South Dakota, mit nicht einmal 15.000 Einwohnern.
Und doch wirken beide Orte wie Magneten auf globale Kapitalströme, wie die "Bloomberg Businessweek" in ihrer aktuellen Titelgeschichte berichtet. Untertitel: "Die Schweiz ist so letztes Jahrhundert."
In Pierre habe die Genfer Vermögensverwaltung Cisa Trust, die vor allem reiche Lateinamerikaner berät, die Eröffnung eines Büros beantragt, um "den Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden".
Trident Trust, eine der großen auf das Versteckspiel spezialisierten Firmen, hat in South Dakota eine eigene Präsidentin, die freimütig über den Zustrom plaudert: "Cayman wurde dichtgemacht", oder "sie wollen raus aus der Schweiz".
Die Investmentbank Rothschild residiert in Reno selbst unauffällig als Untermieterin einer Anwaltskanzlei in einem Bürogebäude, wo früher Porsche seine Nordamerika-Zentrale hatte und auf einer anderen Etage auch der Staatsanwalt sitzt. Dorthin verschiebt sie jetzt Geld von Superreichen aus Bahamas, Bermuda und anderswo - unter der Voraussetzung, dass die Steuern in Ordnung sind, wie eine Sprecherin betont.
Rothschild-Manager Andrew Penney jedoch hatte jüngst in einer Kundenpräsentation die USA als "die effektiv größte Steueroase der Welt" beworben.
USA kämpfen gegen Steueroasen - außerhalb ihrer Grenzen
Auf internationaler Bühne machen die USA zwar am meisten Druck, Steueroasen trockenzulegen. Einige Schweizer Privatbanken mussten wegen ihrer Rolle als Fluchthelfer für US-Kunden schon aufgeben.
Aber intern lassen sie dem Steuerwettbewerb zwischen den Bundesstaaten freien Lauf. Neben Hochsteuerstaaten wie New York profilieren sich vor allem bevölkerungsarme Staaten wie eben Nevada, South Dakota, Wyoming oder Delaware - seit langem die Lieblingsoase der Dax-Konzerne - mit großzügigem Schutz für Briefkastenfirmen.
An diesen Regeln hat sich in jüngster Zeit nicht viel geändert, das "Netzwerk Steuergerechtigkeit" führt die USA bereits auf Rang drei ihres "Financial Secrecy Index" (hinter Schweiz und Hongkong, Deutschland steht auf dem achten Platz der Negativliste).
Plötzlich aber wird der Standort USA für Fluchtkapital viel attraktiver. Denn nahezu der gesamte Rest der Welt musste sich zum Jahreswechsel den Transparenzregeln der OECD unterwerfen. Geld in der Schweiz oder auf den Cayman-Inseln vor dem heimischen Fiskus zu verstecken, ist deutlich schwieriger geworden.
Nicht unterzeichnet haben das Abkommen jedoch ausgerechnet die USA - unter Verweis auf die eigenen "Fatca"-Regeln, die als Vorbild für das OECD-Werk dienen. "Fatca" jedoch schützt die US-Finanzen vor Kapitalflucht in andere Länder, nicht andersherum.
Video: Die Steueroasen der Konzerne
Als "Corporate Capital of the World" rühmt sich die Kleinstadt Wilmington im US-Staat Delaware. Tatsächlich sind neben dem Chemieriesen DuPont und Kreditkartenfirmen, die dort echtes Geschäft betreiben, fast alle Weltkonzerne mit "Shells" (Firmen ohne Beschäftigte) dort vertreten. Die sind dort besonders einfach zu gründen, einer der Vorteile: Die Steuerlast auf in den USA erzielte Gewinne lässt sich legal deutlich senken, manche Einkommensarten sind völlig steuerfrei.
Dass die Geschäftsberichte der Dax-Konzerne ganze 1307 Tochterfirmen oder Beteiligungen in Delaware verzeichnen (Stand: 2014), liegt vor allem an Fresenius Medical Care mit 712 Nennungen: Der hauptsächlich in den USA aktive und in Dollar bilanzierende Gesundheitskonzern hat für die meisten lokalen Filialen ob in Detroit oder Las Vegas Delaware-Firmen gegründet.
Doch auch die anderen Dax-Konzerne nutzen das Schlupfloch mit nur fünf Ausnahmen. Eon kommt mit US-Wind- und Solarparks auf 60 Delaware-Beteiligungen. In der Anteilsbesitzliste der Deutschen Bank ist Wilmington der häufigste Standort vor London und Frankfurt am Main.
Dass die Steuervermeidung auch ohne exotische Inselstaaten auskommt, zeigt das Beispiel der Niederlande. Lizenzeinnahmen etwa aus der Nutzung von Markenrechten, Patenten oder Designs werden hier nur gering besteuert, ein Klassiker der Konzernsteuerplanung. Wegen der EU-weiten Niederlassungsfreiheit gibt es für deutsche Konzerne kaum rechtliche Probleme.
260-mal taucht die Steueroase Niederlande in den Anteilsbesitzlisten der führenden deutschen Konzerne auf - wobei in die Zählung nur Firmen eingingen, deren Namen eine Rolle als Finanzholding oder ähnliches beziehungsweise Geschäft ohne niederländischen Bezug verraten. Hier sind fast alle Dax-Konzerne vertreten - jenseits der 254 Niederlassungen auch mit echtem Geschäft in dem für Industrie und Handel bedeutenden Nachbarland. Der Airbus-Mutterkonzern EADS, an dem Daimler beteiligt ist, sitzt formell mit einer Holding in Leiden, obwohl das Management tatsächlich fast überall in Europa sitzt, nur nicht in Holland.
Mit Luxemburg ist auf Platz drei der Rangliste auch ein Staat, der in der Öffentlichkeit als Steueroase wahrgenommen wird und innerhalb der EU die Verschärfung der Steuerpolitik bremst. Das Großherzogtum kommt auf 210 Nennungen, die mehrheitlich auf das Konto der Finanzbranche gehen. Allianz, Deutsche Bank und Commerzbank machen das Luxemburg-Geschäft weitgehend unter sich aus. Die Deutsche Börse hat mit der Abwicklungsplattform Clearstream International eine ihrer zentralen Sparten hier angesiedelt.
Die Schweiz kommt ohne Industrietöchter wie das zu BASF gehörende Chemieunternehmen Ciba oder den Biotechniker Merck Serono auf 142 Beteiligungen von Dax-Konzernen, hier sind fast alle vertreten. Oft wird als Firmensitz der besonders steuergünstige Kanton Zug gewählt, beispielsweise für die Gebäudetechniksparte von Siemens oder die Pipeline-Jointventures Nord Stream und Trans-Adria-Pipeline, an denen Eon beteiligt ist.
Die Kaimaninseln in der Karibik gelten dank Nullsteuern und einer verschwiegenen Treuhänderszene als das Lieblingsdomizil der Hedgefondsbranche. Auch die 87 Beteiligungen der Dax-Konzerne sind sehr finanzlastig: Deutsche Bank und Commerzbank machen die Aktivitäten weitgehend unter sich aus. Juristisch anrüchig ist das nicht. Das britische Überseegebiet ist der Bundesrepublik mit einem Doppelbesteuerungsabkommen verbunden, sodass dort steuerfrei verdientes Einkommen legal nach Deutschland transferiert werden kann.
Oft wird Irland wegen seines Körperschaftsteuersatzes von 12,5 Prozent unfairer Wettbewerb vorgeworfen. Der deutsche Satz beträgt aber auch nur 15 Prozent. Die Inselrepublik übt aber eine ähnliche Rolle wie die Niederlande aus: Konzerne können immaterielle Firmenwerte wie Patente oder Markenrechte hier ansiedeln und die damit erzielten Gewinne steuersparend verbuchen.
Berüchtigt wurde das Land zu Beginn der Finanzkrise wegen außerhalb der Bilanz gehaltener Zweckgesellschaften, die IKB, SachsenLB, Hypo Real Estate und andere in Nöte brachten. Zu den 78 irischen Firmen (wieder gelten Auswahlkriterien wie bei den Niederlanden) in Dax-Besitz gehören besonders viele der Allianz. Der Softwarekonzern SAP verdankte im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro Gewinn zwei Dubliner Töchtern.
Mit Abstand folgt wieder eine klassische Steueroase: Auf den Britischen Jungferninseln finden sich 37 Tochterunternehmen oder Beteiligungen von Dax-Konzernen. Firmen auf den Karibikinseln bieten sich als Element in einer Schachtelkonstruktion aus Gesellschaften in verschiedenen Steueroasen an, beispielsweise um Dividenden steuerfrei heimzuführen.
Besonders oft werden Zahlungsströme aus dem denkbar weit entfernten Asien über die Jungferninseln umgelenkt. Auf die Region weisen auch Firmennamen wie "Asia Renal Care Asia Pacific Holdings Ltd." (Fresenius Medical Care) oder "Dade Behring Hong Kong Holdings Corporation" (Siemens), beide mit Sitz in Tortola auf den Britischen Jungferninseln, hin.
Österreich wird zwar in der aktuellen EU-Debatte ums Bankgeheimnis oft genannt, auch wegen des österreichischen Stifungsrechts, das als Steuersparmodell aber eher Familienunternehmen nutzt. 36 reine Holdings oder Finanzgesellschaften im Besitz von Dax-Konzernen listen die Geschäftsberichte auf.
Die meisten davon gehören der Lufthansa, die mit der Tochter Austrian Airlines dem Land besonders verbunden ist, und Volkswagen, deren Haupteignerfamilie Porsche in Salzburg heimisch ist. Auch Konzerne wie Beiersdorf oder Henkel wickeln ihr Osteuropageschäft über Wiener Holdings ab.
Dubai liefert ein Musterbeispiel, wie aus einer Steueroase ein tatsächliches Zentrum der Weltwirtschaft entstehen kann - auch wenn das ölarme Emirat vor wenigen Jahren nur mit Finanzhilfe der Nachbarn einer Staatspleite entkam. Dubai lockt gezielt ausländische Investoren mit einem Steuersatz von null an, deshalb war das Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland eine Zeitlang auf der Kippe. Die Dax-Konzerne unterhalten hier 35 Gesellschaften, zumeist Holdings für das gesamte Nahost-Geschäft.
Malta ist ebenfalls ein klassischer Holding-Standort - und zudem Mitglied von EU und Euro-Zone. Nur die reinen Einkünfte der meist sparsam aufgesetzten Holdings werden (gering) besteuert, so können Einkünfte aus dem Ausland über den Umweg Malta weiterverteilt werden. 33 Beteiligungen finden sich hier. Der Energiekonzern RWE zählt zwar nur zwei davon, doch immerhin weist die Scaris Investment Ltd. in Sliema für das vergangene Geschäftsjahr ein Ergebnis von 211 Millionen Euro aus.
Die Kanalinsel Jersey genießt Steuerprivilegien als britischer Kronbesitz. Das lockt sogar internationale Großkonzerne wie den Rohstoffriesen Glencore an, hier ihren Hauptsitz anzumelden und weiteren Zentralen im Schweizer Kanton Zug sowie der Londoner City formell vorzuschalten. Die 32 Niederlassungen von Dax-Konzernen gehören vornehmlich der Deutschen und der Commerzbank, auch Linde ist hier präsent. Auf der Nachbarinsel Guernsey (19 Gesellschaften) dominiert HeidelbergCement.
Bermuda im Nordatlantik hat sich einen Namen als internationales Zentrum der Rückversicherungsbranche gemacht. So überrascht nicht, dass von den 27 Beteiligungen der Dax-Konzerne die meisten der Allianz und Munich Re gehören. Aber auch Industriekonzerne wie BASF siedeln hier vor allem Versicherungstöchter an.
Im vom Netzwerk Steuergerechtigkeit erstellten "Verschwiegenheits-Ranking" der Steueroasen weist das britische Überseegebiet einen der höchsten Werte aus - übertroffen fast nur noch von noch entlegeneren Inselstaaten wie Nauru, Turks & Caicos oder Vanuatu, die weder ein nennenswertes Finanzsystem noch (mit wenigen Ausnahmen) Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland besitzen. Dort sind die Dax-Konzerne zumeist gar nicht vertreten, in wenigen Fällen noch die global präsenten Logistiker Post und Lufthansa.
Oft wird Irland wegen seines Körperschaftsteuersatzes von 12,5 Prozent unfairer Wettbewerb vorgeworfen. Der deutsche Satz beträgt aber auch nur 15 Prozent. Die Inselrepublik übt aber eine ähnliche Rolle wie die Niederlande aus: Konzerne können immaterielle Firmenwerte wie Patente oder Markenrechte hier ansiedeln und die damit erzielten Gewinne steuersparend verbuchen.
Berüchtigt wurde das Land zu Beginn der Finanzkrise wegen außerhalb der Bilanz gehaltener Zweckgesellschaften, die IKB, SachsenLB, Hypo Real Estate und andere in Nöte brachten. Zu den 78 irischen Firmen (wieder gelten Auswahlkriterien wie bei den Niederlanden) in Dax-Besitz gehören besonders viele der Allianz. Der Softwarekonzern SAP verdankte im vergangenen Jahr 700 Millionen Euro Gewinn zwei Dubliner Töchtern.
Mit Abstand folgt wieder eine klassische Steueroase: Auf den Britischen Jungferninseln finden sich 37 Tochterunternehmen oder Beteiligungen von Dax-Konzernen. Firmen auf den Karibikinseln bieten sich als Element in einer Schachtelkonstruktion aus Gesellschaften in verschiedenen Steueroasen an, beispielsweise um Dividenden steuerfrei heimzuführen.
Besonders oft werden Zahlungsströme aus dem denkbar weit entfernten Asien über die Jungferninseln umgelenkt. Auf die Region weisen auch Firmennamen wie "Asia Renal Care Asia Pacific Holdings Ltd." (Fresenius Medical Care) oder "Dade Behring Hong Kong Holdings Corporation" (Siemens), beide mit Sitz in Tortola auf den Britischen Jungferninseln, hin.
Österreich wird zwar in der aktuellen EU-Debatte ums Bankgeheimnis oft genannt, auch wegen des österreichischen Stifungsrechts, das als Steuersparmodell aber eher Familienunternehmen nutzt. 36 reine Holdings oder Finanzgesellschaften im Besitz von Dax-Konzernen listen die Geschäftsberichte auf.
Die meisten davon gehören der Lufthansa, die mit der Tochter Austrian Airlines dem Land besonders verbunden ist, und Volkswagen, deren Haupteignerfamilie Porsche in Salzburg heimisch ist. Auch Konzerne wie Beiersdorf oder Henkel wickeln ihr Osteuropageschäft über Wiener Holdings ab.
Malta ist ebenfalls ein klassischer Holding-Standort - und zudem Mitglied von EU und Euro-Zone. Nur die reinen Einkünfte der meist sparsam aufgesetzten Holdings werden (gering) besteuert, so können Einkünfte aus dem Ausland über den Umweg Malta weiterverteilt werden. 33 Beteiligungen finden sich hier. Der Energiekonzern RWE zählt zwar nur zwei davon, doch immerhin weist die Scaris Investment Ltd. in Sliema für das vergangene Geschäftsjahr ein Ergebnis von 211 Millionen Euro aus.
Foto: Corbis