
Ruhrkonzern in Not: Die wichtigsten Akteure von Thyssenkrupp
Konzernspaltung und Stahlfusion abgesagt, Aktie gewinnt fast 20 Prozent Thyssenkrupp will 6000 Stellen streichen
Der Industriekonzern Thyssenkrupp steht vor einem neuen Restrukturierungsprogramm. So sollen 6000 Stellen in den nächsten drei Jahren gestrichen werden, sagte Vorstandsvorsitzender Guido Kerkhoff am Freitag in einer Telefonkonferenz. Zwei Drittel des Abbaus sollen dabei auf Deutschland entfallen.
Die Holding soll schlanker aufgestellt und die Verwaltungskosten deutlich gesenkt werden. Da es sich um "tiefgreifende Einschnitte" handele, könnten betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen werden, sagte Personalvorstand Oliver Burkhard.
Auch die Stahlsparte steht vor einer Umstrukturierung. Die Lage der Branche sei aktuell schlecht, sagte Kerkhoff. Im Zuge des geplanten Zusammenschlusses mit dem europäischen Stahlgeschäft von Tata Steel hatte der Konzern bereits den Abbau von 2000 Stellen angekündigt, die in dem neuen Restrukturierungsplan enthalten seien, so Kerkhoff.
Thyssenkrupp hatte zuvor erklärt, dass die Fusion wegen Bedenken der EU-Kommission voraussichtlich nicht zustande kommen werde, und die geplante Aufspaltung des Unternehmens abgesagt. Kerkhoff zeigte sich enttäuscht und sprach von einem Rückschlag. Die Branche brauche eine Konsolidierung. So leide die Stahlindustrie unter erheblichen Überkapazitäten.
Dennoch will sich das Management weiter nach Konsolidierungsmöglichkeiten in den Materialgeschäften umsehen. Man werde aber im Stahl sowie im Handel die Mehrheit behalten. Ebenso will der Konzern die Mehrheit an der Aufzugsparte behalten, die an die Börse gebracht werden soll. Für andere Bereiche des Konzerns, zu dem auch Komponenten für die Automobilindustrie oder Anlagenbau gehören, kann sich Kerkhoff auch Partner vorstellen - auch in Teilbereichen.
Zuvor hatte der Konzern mitgeteilt: "Nach einem heutigen Gespräch mit der Wettbewerbskommission gehen Thyssenkrupp und Tata Steel davon aus, dass das geplante Joint Venture ihrer europäischen Stahlaktivitäten aufgrund der weiter fortbestehenden Bedenken der Kommission nicht zustande kommen wird."
Die Konzernaufspaltung sei wegen der Konjunkturabkühlung und der Geschäftsentwicklung nicht möglich. Der Vorstand werde dem Aufsichtsrat einen Börsengang der Aufzugssparte vorschlagen. Die Aufzugssparte mit weltweit rund 50.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 7,7 Milliarden Euro gehört zu den wichtigsten und profitabelsten Geschäftsfeldern des Konzerns. Thyssenkrupp bestätigte damit Meldungen von Reuters und Bloomberg , die zuerst darüber berichtet hatten.
Weiteren Angaben zufolge erwarte Thyssenkrupp nun inklusive des Stahlbereichs im Geschäftsjahr 2018/19 ein bereinigtes Vorsteuerergebnis (Ebit) von 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro. Unter dem Strich werde Thyssenkrupp im laufenden Jahr wohl Verluste machen.
Aktien gewinnen in der Spitze fast 20 Prozent
Die Aktien von Thyssenkrupp kannten nach der Nachricht nur einen Weg: nach oben. In der Spitze gewannen die Titel fast 20 Prozent. Allerdings hatten die Papiere in der Vergangenheit stark gelitten: Auf Jahressicht liegen die Aktien immer noch rund 49 Prozent im Minus.
Spekulationen über ein Aus der Stahlfusion wegen Bedenken der EU-Kommission kursieren schon länger. Die EU-Kommission hatte zuletzt die Prüffrist verlängert. Mit einer Entscheidung werde spätestens am 17 Juni gerechnet, hieß es Ende April. Die EU-Kommission wollte die Ankündigung von Thyssenkrupp am Freitag nicht kommentieren.
Die geplante Konzernaufspaltung in einen Industriegüter- und einen Werkstoffkonzern war das ureigene Projekt von Konzernchef Guido Kerkhoff, der seit knapp einem Jahr im Amt ist. Doch wegen des Kursverfalls der Thyssenkrupp-Aktie am Mittwoch sank der Kurs auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren - mache die Aufspaltung keinen Sinn mehr, zitierten die Nachrichtenagenturen Insider zuvor.
Denn das konjunkturanfällige Werkstoffgeschäft sollte finanziell abgesichert werden, indem es an dem profitableren Industriegüterkonzern eine Beteiligung hält. Je weniger Thyssenkrupp jedoch wert ist, desto höher müsste die Beteiligung des Werkstoffkonzerns sein.
Zudem wurden die Kosten der Aufspaltung im Konzern auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Auch deshalb stellte die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz das Vorhaben nochmal auf den Prüfstand, wie Insider Reuters gesagt hatten.
Die noch von Kerkhoffs Vorgänger Heinrich Hiesinger geplante Fusion des Stahlgeschäfts mit dem Rivalen Tata Steel traf bei den europäischen Wettbewerbsbehörden auf Widerstand, die zahlreiche Bedenken anmeldeten. Inzwischen gehe man bei ThyssenKrupp nicht mehr davon aus, dass dieser Plan umgesetzt werden könne, sagten die Insider.