Martina Merz übernimmt die Führung bei Thyssenkrupp
Foto: Rolf Vennenbernd/ dpaDer Aufsichtsrat von Thyssenkrupp hat seine bisherige Vorsitzende Martina Merz zur neuen Vorstandschefin des kriselnden Mischkonzerns ernannt. Die frühere Bosch-Managerin trete für bis zu zwölf Monate die Nachfolge von Guido Kerkhoff an, teilte der Konzern am Montag mit. Der Aufsichtsrat habe sich mit dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden Guido Kerkhoff auf die einvernehmliche Auflösung seines Vertrages geeinigt, teilte Thyssenkrupp am Montag mit.
Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff geht
Foto: Thilo Schmuelgen/REUTERSDas Kontrollgremium folgte damit wie erwartet der Empfehlung des Präsidiums und des Personalausschusses. Diese hatten sich in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, Kerkhoff nach nur 14 Monaten den Posten wieder zu entziehen. Kerkhoff war zunehmend in die Kritik von Investoren geraten. Auch die im Unternehmen starke IG Metall war zuletzt von Kerkhoff abgerückt und hatte ihm mangelnde Erfolge bei der Sanierung von Thyssenkrupp vorgeworfen.
Thyssenkrupp steckt in der größten Krise seiner über 200-jährigen Geschichte. Der Konzern schreibt hohe Verluste, die Schulden steigen und die Aktie hat in den vergangenen Jahren stark an Wert verloren. Zuletzt musste das Unternehmen auch noch den deutschen Leitindex Dax verlassen und in den MDax absteigen.
(Lesen Sie hier das Porträt über Martina Merz ).
Merz gehörte erst seit Dezember 2018 dem Aufsichtsrat an und und war im Februar an dessen Spitze gerückt. Sie hatte angekündigt, den bisherigen Kurs zunächst fortzusetzen. Dazu gehört, die Geschäfte besser aufzustellen und die Kosten zu senken.
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Zudem können Beteiligungen verkauft werden und Partner ins Boot geholt werden. Die wichtigste Aufgabe hierbei ist der Verkauf oder Börsengang der lukrativen Aufzugssparte, deren Wert Experten auf zwölf bis 17 Milliarden Euro beziffert haben. An der Gewinnperle des Konzerns haben neben Konkurrenten wie Kone Insidern zufolge eine Reihe von Finanzinvestoren Interesse angemeldet.
Thyssenkrupp kommt nicht zur Ruhe. Nach mehreren Strategiewechseln steht nun abermals ein großer Umbau der Führung des letzten großen Ruhr-Konzerns an. Hier sind die wichtigsten Akteure im Überblick (Bild von der Hauptversammlung im Februar 2019).
Martina Merz (56) macht einen Senkrechtstart - allerdings in einem Unternehmen, dessen Kurs eher dem freien Fall ähnelt. Im November 2018 in den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp eingerückt, übernahm sie im Februar 2019 schon dessen Führung - und wechselt jetzt übergangsweise auf den Chefposten im Vorstand, um zu retten, was zu retten ist.
Guido Kerkhoff (51) muss den Posten räumen, den er auch nur ein gutes Jahr lang innehatte. Der frühere Finanzvorstand präsentierte schnell Plan zur Konzernteilung, für den er sogar einen Konsens in Essen herstellen konnte. Doch die Strategie scheiterte am Veto der EU gegen die Fusion des Stahlgeschäfts mit Tata. Auch seinen Plan B musste Kerkhoff korrigieren. Nebenbei stieg Thyssenkrupp unter seiner Ägide erstmals aus dem Deutschen Aktienindex ab.
Eine schnelle Beförderung gibt es für Siegfried Russwurm (56). Der langjährige Siemens-Vorstand wurde im April in den Aufsichtsrat von Thyssenkrupp berufen und soll nun anstelle von Martina Merz den Vorsitz übernehmen. Auch beim Anlagenbauer Voith ist Russwurm der Chefaufseher.
Ursula Gather (66) ist als Chefin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung seit 2013 die wichtigste Großaktionärin mit einem 23-Prozent-Anteil. Die Stiftung soll das Krupp'sche Erbe sichern und daraus Wohltaten im Ruhrgebiet finanzieren. Von Anfang an musste die Rektorin der TU Dortmund jedoch sehen, was davon noch übrig bleibt. Zum Wohl des Konzerns gab sie die vorige Sperrminorität auf, dann sogar die Einheit aus Stahl- und Industriegeschäft - und nun ist das Zugeständnis schon wieder hinfällig.
Seit Jahren lockt Thyssenkrupp aktivistische Investoren an, die sich aber auch allesamt die Zähne daran ausbeißen. Selbst der Hedgefonds Elliott von US-Milliardär Paul Singer (75), der schon größeren Konzernen und ganzen Staaten den Garaus gemacht hat, wurde kurz nach dem Einstieg 2018 kleinlaut.
Schon seit 2013 versucht der schwedische Finanzinvestor Cevian mit seinem Deutschland-Chef Jens Tischendorf (45), aus Essen Rendite zu holen. Cevian ist mit gut 18 Prozent zweitgrößter Aktionär und entscheidender Treiber. Die Spaltung, um mit Thyssenkrupp Industrials die Werte vor allem der hochprofitablen Aufzugsparte zu heben, war ebenso eine Cevian-Idee wie der Personalvorschlag der neuen Chefkontrolleurin Merz. Doch Shareholder Value will partout keiner entstehen.
Das größte Kunststück der Thyssenkrupp-Führung war es, auch die Arbeitnehmervertreter für Stahlfusion und Konzernspaltung zu gewinnen. Der stellvertretende Aufsichtsratschef Markus Grolms (48) ist Gewerkschaftssekretär der IG Metall, die lange Zeit gegen den Tata-Plan Sturm gelaufen war. Vorübergehend musste er die Führung 2018 selbst übernehmen, als Kapitalvertreter Ulrich Lehner den "Psychoterror" der Investoren beklagte und die Brocken hinwarf.
Oliver Burkhard (47) verdankt seine Berufung zum Vorstand von Thyssenkrupp der IG Metall, die er früher in Nordrhein-Westfalen führte - eine Besonderheit der Montanmitbestimmung. Doch die Macht der Arbeiter ist fragil. Seine Ex-Kollegen ...
... stimmte Burkhard 2017 mit Beschäftigungsgarantien bis 2026 und einem bis dahin garantierten Thyssenkrupp-Anteil von 50 Prozent an dem Joint-Venture sowie Mindestsummen an Investitionen ruhig. Ohne Tata braucht das Stahlgeschäft einen neuen Plan, das dürfte wieder für Unruhe sorgen. Die erste Ansage nach der Wende: 6000 Stellen sollen abgebaut werden. Weitere Konzernteile stehen zur Disposition.
Peter Walker sah eine Zeitlang wie der Gewinner des Konzernumbaus aus. Als Chef der Aufzugsparte durfte er einen eigenen Börsenauftritt vorbereiten - und nicht bloß als Teil des Segments Thyssenkrupp Industrials. Sein Unternehmen könnte aber auch von Finanzinvestoren oder Konkurrenten übernommen werden, um Cash in die Konzernkasse zu bringen. Der Australier hat den Chefposten erst zu Jahresbeginn übernommen, nachdem Vorgänger Andreas Schierenbeck aufgab. Der wechselt nun als Chef zum Kraftwerkskonzern Uniper.
Guido Kerkhoff (51) muss den Posten räumen, den er auch nur ein gutes Jahr lang innehatte. Der frühere Finanzvorstand präsentierte schnell Plan zur Konzernteilung, für den er sogar einen Konsens in Essen herstellen konnte. Doch die Strategie scheiterte am Veto der EU gegen die Fusion des Stahlgeschäfts mit Tata. Auch seinen Plan B musste Kerkhoff korrigieren. Nebenbei stieg Thyssenkrupp unter seiner Ägide erstmals aus dem Deutschen Aktienindex ab.
Foto: Wolfgang Rattay/REUTERSUrsula Gather (66) ist als Chefin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung seit 2013 die wichtigste Großaktionärin mit einem 23-Prozent-Anteil. Die Stiftung soll das Krupp'sche Erbe sichern und daraus Wohltaten im Ruhrgebiet finanzieren. Von Anfang an musste die Rektorin der TU Dortmund jedoch sehen, was davon noch übrig bleibt. Zum Wohl des Konzerns gab sie die vorige Sperrminorität auf, dann sogar die Einheit aus Stahl- und Industriegeschäft - und nun ist das Zugeständnis schon wieder hinfällig.
Foto: Bernd Thissen/ dpa