
Falsche Qualifikationen für Führungskräfte Warum Deutschland die miesesten Chefs der Welt hat


Heiner Thorborg gehört zu den profiliertesten Personalberatern in Deutschland. Nach zehn Jahren als Partner bei Egon Zehnder Int. gründete er die Heiner Thorborg GmbH & Co. KG, die Heiner Thorborg & Co. (Zürich) sowie die Initiative "Generation CEO".
Was ist in deutschen Unternehmen in Sachen Führungskultur und Engagement eigentlich wirklich los? Es kommt darauf an, wen man fragt. Berater und Forscher reden von der "Employee Value Proposition" als Herzstück der "Mitarbeitererfahrung". Die muss vom Arbeitgeber geliefert werden und sei wesentlich gesteuert von der Qualität und Effektivität der Führungskräfte. (Fast hätten wir es geahnt!)
Fragt man die Mitarbeiter selbst, wie es die Unternehmensberatung Willis Towers Watson in der "Global Workforce Study" regelmäßig tut, kommt heraus, dass es in Deutschland an guter Führung heftig mangelt. Zwar liegen die deutschen Chefs in Sachen Fachkompetenz, Kostenkontrolle und finanziellem Unternehmenserfolg stolze 14 Prozent über dem Durchschnitt der so genannten EMEA (Europa, Mittlerer Osten und Afrika). Geht es jedoch um Führungskompetenz, schneiden sie in allen Punkten merklich schlechter ab als ihre Kollegen weltweit.
In allen Punkten!
Das heißt im Klartext: Ein x-beliebiger britischer, französischer oder brasilianischer Chef bekommt von seinen Leuten bessere Noten als ein deutscher Chef von den seinen.
Die Deutschen - Weltmeister im Jammern?
Das könnte einerseits daran liegen, dass deutsche Mitarbeiter Weltmeister im Jammern sind, andererseits macht die Studie eines deutlich: Die Mitarbeiter zwischen Kiel und Konstanz nehmen ihrer Geschäftsführung einfach nicht mehr ab, dass sie sich für ihr Wohlbefinden interessiert.
Die Konsequenz zeigt sich im Mitarbeiterengagement: Jeder vierte Arbeitnehmer schiebt nur mehr Dienst nach Vorschrift. Oder in Zahlen: Haben 2014 nur noch 21 Prozent der Deutschen im Job "lediglich ihren Vertrag erfüllt", sind es nun 26 Prozent. Und: Waren vor vier Jahren nur rund zwei Drittel der Befragten stolz, für ihr Unternehmen zu arbeiten, ist es jetzt nur noch jeder Zweite.
Die Berater von Willis Towers Watson glauben, dass der Frust in den Büros vor allem daran liegt, dass die Deutschen Fachkompetenz befördern und nicht Führungsfähigkeit. Die Konzentration aufs Fachwissen bei den Chefs ist jedoch nur ein Thema - es gibt noch ein paar andere: Mitarbeiter sind laut sämtlichen Umfragen dann zufrieden und engagiert, wenn sie eigenverantwortlich arbeiten können und dafür fair bezahlt und befördert werden.
Genau an dieser Stelle liegt jedoch der Hase im Pfeffer, denn Frauen werden in Deutschland deutlich schlechter bezahlt und seltener befördert als Männer. Unser im internationalen Vergleich wirklich mieses Mitarbeiterengagement ist daher auch ein Geschlechterthema. Solange viele Betriebe Frauen allen Debatten und Quoten zum Trotz weiterhin behandeln wie einen durchlaufenden Posten mit dem Endziel Erziehungsurlaub, wird auch die Stimmung in den Betrieben nicht besser werden.
Das ist übrigens keine These notorischer Frauenversteher, sondern die der Beratung The Boston Consulting Group (BCG). Deren Analysen ergeben: Betriebe mit dem höchsten Mitarbeiterengagement kennen kein so genanntes Gender Gap, es gibt dort also keine Gehalts- oder Beförderungsnachteile für Frauen. Und umgekehrt gilt: Wo weibliche Mitarbeiter nicht ernst genommen werden, ist das Engagement besonders mies.

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Insgesamt trug BCG die Daten von 345.000 Arbeitnehmern zusammen. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Auf die Frage, ob ihre Meinung zählt und ob gute Arbeit anerkannt wird, antworten in Unternehmen mit schwachem Mitarbeiterengagement deutlich mehr Männer als Frauen positiv. Wenn Männer in solchen Unternehmen aufsteigen, melden sie wachsende Unterstützung von Kollegen und Geschäftsführung, Frauen berichten das Gegenteil. Ähnlich sind die Resultate, wenn es ums Vertrauen innerhalb der Unternehmensführung und zwischen den Abteilungen geht: In Betrieben mit schwacher Motivation antworten auch hier männliche Führungskräfte deutlich positiver als weibliche Chefs.
Dabei geht es weniger um die berühmte Glasdecke und die zwei bis drei Alibi-Chefinnen, die deutsche Unternehmen heutzutage gerne installieren, um Frauenfreundlichkeit zu demonstrieren, es geht vielmehr um den täglichen Frust auf allen Ebenen. Dazu gibt es Analysen von Bain. Denen zufolge können sich weibliche Berufseinsteiger in den ersten zwei Berufsjahren noch zu 43 Prozent vorstellen, irgendwann auf der Topetage zu landen, aber nur 34 Prozent der männlichen. Im Lauf der Zeit sinkt diese Zuversicht bei den jungen Frauen um 60 Prozent, während sie bei den Männern gleich bleibt. Nach nur zwei Jahren will immer noch jeder dritte Mann Vorstand werden, aber nur noch 16 Prozent der Frauen. Wie viel Zurücksetzung, Unfairness und Vorurteil hinter diesen Zahlen stecken, lässt sich in Worten kaum beschreiben. Eins ist jedoch klar: Wer eine engagierte Truppe will (und die sollten alle wollen, sind die finanziellen Ergebnisse in Unternehmen mit hohem Mitarbeiterengagement so viel besser), muss bei den Frauen anfangen.

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Am besten damit, den weiblichen Führungskräften zuzuhören, denn die Gründe für den Frust variieren je nach Unternehmen. Liegt es daran, dass die Fähigkeiten der Frauen nicht genutzt werden - steigen sie deswegen mental aus? Oder werden Frauen nicht auf Grund ihres Potentials befördert, sondern erst, wenn sie so erfolgreich sind, dass partout kein Weg mehr an ihnen vorbeiführt? Oder herrschen im Betrieb informelle Netzwerke, über die entschieden und geführt wird, zu denen Frauen kaum Zutritt bekommen? Wie sieht die Bezahlung aus? Ist die wirklich geschlechtsneutral - oder ist dies nur die Basisvergütung und die relevanten Boni gehen regelmäßig an die Männer? Wie transparent ist das System der Incentives-Vergabe? Wie wird mit männlichen Chefs umgegangen, bei denen die Frauen regelmäßig von sich aus kündigen?
Ansatzpunkte gibt es genug - das Topmanagement muss nur bereit sein, die Regeln umzuschreiben - und alle Chefs nicht nur für die Einhaltung des Kompasskurses verantwortlich zu machen, sondern auch für die Stimmung an Bord.
Heiner Thorborg ist Personalberater und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.