Verlegerin Unseld-Berkéwicz: Kampf ums Unternehmen Suhrkamp gewonnen, Rückzug in den Aufsichtsrat
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Das hat Seltenheitswert: ein Aufsichtsrat, der nur aus Frauen besteht. Zum Vergleich: Die ab 2016 geltende gesetzliche Mindestquote von 30 Prozent erreichen erst 13 Dax-Konzerne. Spitzenreiter, als einziger mit Simone Bagel-Trah auch von einer Frau geführt, ist
Henkel - mit sieben Frauen unter 16 Aufsichtsräten (43,75 Prozent).
Für den gerade erst in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Suhrkamp-Verlag gilt dieses Gesetz nicht. Aber er kann sich ab sofort mit der 100-Prozent-Quote schmücken.
Für Ulla Unseld-Berkéwicz bedeutet die Berufung auf den Posten der Aufsichtsratsvorsitzenden sogar einen Rückzug: Die vergangenen zwölf Jahre hatte die Witwe von Verleger Siegfried Unseld die Geschäftsführung geleitet.
Die Literatur-Netzwerkerin
Literatin und Unternehmerin: Rachel Salamander führt die Münchener "Literaturhandlung"
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Unseld-Berkéwicz zur Seite steht im neuen Aufsichtsrat Rachel Salamander. Die Literaturwissenschaftlerin ist selbst Unternehmerin: Ihre 1982 in München eröffnete deutsch-jüdische "Literaturhandlung" hat sie zu einer Kette ausgebaut.
Für den Verlag noch wertvoller ist aber wohl ihr Netzwerk in der Literaturwelt. Salamander, einst Protégée des Kritikers Marcel Reich-Ranicki, gab jahrelang für "Die Welt" und anschließend kurz für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die Literaturbeilagen heraus.
Die Kapitalgeberin
Ex-Wella-Zentrale in Darmstadt: Firmenerbin Sylvia Ströher bringt Geld in den Verlag
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Die Dritte im Bund ist Sylvia Ströher. Die Kunstmäzenin hat gemeinsam mit ihrem Ehemann Ulrich das Kapital beigesteuert, um Suhrkamp aus dem Insolvenzverfahren und Unseld-Berkéwicz aus einem jahrelangen Machtkampf mit dem inzwischen verstorbenen Medieninvestor Hans Barlach zu retten.
Das Geld der Ströhers stammt wesentlich aus dem Verkauf der von Sylvias Urgroßvater gegründeten Haarpflegefirma Wella 2003 - die der US-Konzern Procter &
Gamble gerade zum doppelten Preis weiterverkauft.
Zur Beteiligung an Suhrkamp erklärte Ströher, sie liege "außerhalb unserer sonstigen Anlagestrategie und ist somit auch mit keiner Dividendenerwartung verbunden". Ebenso plane die Familie keinen Einfluss auf die Verlagspolitik zu nehmen. Die Ströhers haben ihre Stimmrechte mit denen der Unseld-Familienstiftung gebündelt.
Die Institution
Die Trophäe: Die regenbogenfarbenen Buchrücken der Edition Suhrkamp schmücken manche Regalwand
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Der Suhrkamp-Verlag ist weniger profit- als prestigeträchtig. Ihn wie Sylvia Ströher als "Instanz der Literatur und der Geisteswissenschaften" zu beschreiben, zeugt von Understatement. Suhrkamp hat wesentliche Debatten der deutschen Gesellschaft geprägt.
Zum Portfolio zählen Hermann Hesse, der den Anstoß zur Verlagsgründung gab, und Bertolt Brecht, Theodor Adorno, Jürgen Habermas und viele weitere Ikonen des Bildungsbürgertums.
Der Macher
Der Mann an der Verlagsspitze: Jonathan Landgrebe ist der neue Verleger
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Absolut ist die Frauen-Power aber nicht. Das operative Geschäft übernimmt von Unseld-Berkéwicz ein Mann als Alleinvorstand: Der 38-jährige Ökonom Jonathan Landgrebe arbeitet seit acht Jahren für Suhrkamp, gilt den Feuilletonisten bislang aber eher als unbekannt.
Rein kaufmännisch sieht der neue Verleger seine Rolle aber ausdrücklich nicht. Er pflege den Austausch mit den Autoren und verstehe den Verlag nicht als "reines Wirtschaftsunternehmen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen" zum Amtsantritt am Freitag.
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