Stada-Aktionäre stürzen Aufsichtsratschef Revolution unter deutschen Aktiengesellschaften

Plötzlich Aufsichtsratschef: Carl Ferdinand Oetker.
Foto: imagoAm Freitag fand eine Revolution statt. Erstmals schafften es Aktionäre in Deutschland, den Aufsichtsratsvorsitzenden einer großen Publikumsgesellschaft abzuwählen. Bislang hat das deutsche System aus zahmen institutionellen Anlegern und einer im Geiste oft verschwägerten Gruppe von Aufsichtsräten mit vielfältig ineinander verschränkten Interessen das immer zu verhindern gewusst.
Der Schauplatz der Revolution: Der Pharmakonzern Stada, ein M-Dax-Konzern mit einem Umsatz von zuletzt rund 2,1 Milliarden Euro, solidem Geschäft aus Nachahmer- und nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten und glänzenden Marken wie Grippostad oder Ladival.
Das Unternehmen ist kein Krisenfall, trotzdem war es ein leichtes Opfer für die rebellischen Aktionäre. Zu offensichtlich war, dass die Konzernleitung mit den Talenten des Unternehmens zu schlampig und egoistisch umging. Bei Wachstum und Profitabilität bleibt Stada unter den Möglichkeiten, die seine Konkurrenten aufzeigen. Branchenspitze ist das Unternehmen zuletzt vor allem bei der Entlohnung des Vorstandschefs Hartmut Retzlaff und des Aufsichtsratsvorsitzenden Martin Abend, eines Dresdner Rechtsanwalts ohne erkennbar einschlägige Kompetenz, gewesen.
Das folgerichtige Ergebnis: Retzlaff ist seit ein paar Wochen nicht mehr im Amt, Abend wurde am Freitag von seinen Aktionären entlassen.
Trotzdem haben die Revolutionäre nur einen Teilerfolg erzielt - und das ist ebenfalls erfreulich. Denn deren Anführer um die forsche Active Ownership Capital (AOC) haben lange Zeit undurchsichtig agiert und damit nicht den Nachweis erbracht, ein so großes Unternehmen verantwortungsvoll führen zu können. Die Quittung: Ihre Kandidaten für den Aufsichtsrat fielen größtenteils durch; ihr bester Kandidat, Eric Cornut, zog zwar in den Aufsichtsrat ein, wurde dort aber weder Vorsitzender noch Stellvertreter.
Stada hat, abgesehen von dessen Aufsichtsratsvorsitzendem Abend, in den vergangenen Wochen reifer, ruhiger und konsistenter argumentiert und auf der Hauptversammlung klüger und abgeklärter agiert.
Die Lehren aus dem Fall Stada sind also einfach - und deswegen so bedeutsam: Aktionäre können künftig auch in Deutschland erreichen, was wir bislang vor allem aus den USA und Großbritannien kannten - himmelschreiendes Missmanagement mit ihrem Kapital verhindern und die Chance auf eine Besserung einleiten. Aktionärsdemokratie at its best. Aber: Es reicht nicht nur, gegen etwas zu sein. Aktionäre haben auch Verantwortung für das Unternehmen, das sie besitzen. AOC konnte nie den Verdacht entkräften, im Grunde lediglich eine Zerschlagung und einen schnellen Verkauf Stadas ermöglichen zu wollen. Das hätte kurzfristig den Wert der Aktie nach oben getrieben. Aber ob das mittel- und langfristig den größten Wert schafft, ist zweifelhaft.
Wenn unzufriedene Investoren also künftig ihre Energie und Intelligenz ebenfalls weniger egoistisch einsetzen, wäre dem Unternehmensstandort geholfen. Nicht nur die deutsche Corporate Governance muss sich fortlaufend verbessern, die hier aktiven Investoren eben auch.
Denn das Ergebnis bei Stada ist natürlich keinesfalls optimal. Wie so häufig bei Revolutionen, wurden auch hier am Ende Personen an die Macht gespült, die möglicherweise nicht die ideale Besetzung bilden. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende heißt Carl Ferdinand Oetker. Er ist 43 Jahre alt, Erbe der Oetker-Dynastie - intelligent und nicht vollständig beratungsresistent. Aber er hat weder Erfahrung in der operativen Führung eines Großkonzerns noch wesentliche Pharmakompetenz oder gar den Nachweis erbracht, ausgleichend wirken zu können.
Bei dem Mischkonzern Oetker zofft er sich seit Jahren so sehr mit seinem Halbgeschwistern um die Macht, dass inzwischen die Zukunft des Traditionskonzerns auf dem Spiel steht. So ist es derzeit wahrscheinlicher, dass Oetker von Stada und seiner Rolle dort mehr lernt und profitiert als Stada von Oetker.