Neue Aufsichtsräte - Lehren aus dem Fall Stada Ein Konzernputsch, der hoffentlich Nachahmer findet

Aktionistische Aktionäre haben Stada binnen Kürze dazu gebracht, Veränderungen im Aufsichtsrat umfassend und schnell umzusetzen
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Thorsten Grenz ist Mitglied mehrerer Aufsichts- und Beiräte von börsennotierten Großunternehmen und Start-ups. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter einer Beteiligungsgesellschaft. Grenz lehrt als Honorarprofessor an der Universität Kiel und ist Vorsitzender des Fördervereins und Fellow-at-Large des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Aktionäre haben Einfluss - wenn sie ihn entschlossen nutzen! Und sie können die Governance ihres Unternehmens maßgeblich verbessern. Aktuelles Beispiel: Stada Arzneimittel AG. Hier haben aktive Aktionäre unter Führung des größten Einzelaktionärs "Active Ownership Capital" (AOC) ihr Unternehmen dazu gebracht, Veränderungen im Aufsichtsrat umfassend und schnell umzusetzen.
Das im MDAX notierte Unternehmen wird nun kurzfristig einen weitgehend neuen Aufsichtsrat erhalten. Dem Gremium in seiner bisherigen Zusammensetzung wurde das Fehlen der für eine aktive Beratung und Kontrolle erforderlichen Kompetenzen angekreidet: Im Aufsichtsrat seien zu viele Apotheker vertreten; notwendig aber (die fehlenden) Erfahrungen im internationalen Pharma- und Gesundheitsgeschäft sowie in Corporate-Governance- und Finanzfragen. Darüber hinaus ließen sich weitere kritische Punkte ergänzen: Die Mandatsdauer der bisherigen Aufsichtsräte beläuft sich im Schnitt auf beachtliche 17 Jahre - der langjährige Vorstandsvorsitzende kam sogar auf 23 Dienstjahre.
Insgesamt war die Gremienbesetzung ein Musterbeispiel für das, was die französische Investorin Anne-Sophie d'Andlau kürzlich in einem Interview mit manager-magazin.de so treffend als "clubby" bezeichnet hat - dem Hang, im vertrauten Kreis unter sich zu bleiben - manchmal eben auch über Jahrzehnte.
Die Aktivitäten und Vorgänge bei Stada sind gleich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Da ist zunächst die Konsequenz der Forderungen, mit denen AOC angetreten ist: Der Investor verzettelte sich nicht in langwierigen Bemühungen um einen "Repräsentanten" im Aufsichtsrat - ein eher an Schachereien erinnernde Vorgehensweise, die gelegentlich bei um Einfluss ringenden Großaktionären zu beobachten ist -, sondern betrieb das, was man für geboten hält, in aller Konsequenz: die "Runderneuerung" des Aufsichtsrats.
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So sollten fünf der sechs Kapitalvertreter neu gewählt werden, mithin die Mehrheit des neunköpfigen Aufsichtsrats. Das Unternehmen sah sich unter Druck und wollte den Vorschlägen der Investoren zuvorkommen. Damit ist der weitere Fortgang der Geschichte nun aber fast schon nebensächlich, denn die aktiven Aktionäre haben in der Sache das erreicht, was man erreichen wollte: einen professionell besetzten Aufsichtsrat mit einem weiten Kompetenzspektrum.
Die Folgen für andere Aktiengesellschaften
Bemerkenswert ist zudem das Tempo, mit dem die Veränderungen auf den Weg gebracht wurden. Innerhalb von zwei Monaten wurde umgesetzt, wofür das Unternehmen sich ursprünglich zwei Jahre hatte Zeit nehmen wollen - ein Beleg dafür, was berechtigter "Druck" durch Aktionäre zu bewegen vermag!
Schließlich hat Stada im Rahmen der Neuordnung auch noch die den Aufsichtsrat betreffende Governance verbessert: Im Unternehmen gibt es nun auch ein Anforderungsprofil für Aufsichtsräte, eine professionelle Kandidatensuche und sogar einen Nominierungsausschuss - über dessen Wirken im Neubesetzungsprozess wie selbstverständlich berichtet wird.
Im jüngsten Jahresabschluss las sich das noch ganz anders: Ein Nominierungsausschuss sei "strukturell entbehrlich", verlautbarte das Unternehmen - und berichtete in seiner Entsprechenserklärung diese Abweichung von den Empfehlungen des DCGK. Aktive Aktionäre haben bei in kurzer Zeit wirklich viel bewegt. Die aktiven Aktionäre, die das in Bewegung gesetzt haben, haben nicht nur dem Unternehmen, sondern auch dem deutschen Kapitalmarkt einen großen Dienst erwiesen. Denn die Konsequenz liegt auf der Hand: Die Sensibilität für das wohlverstandene Interesse der Aktionäre wird wachsen - gerade in Aufsichtsräten, die bisher nicht gerade durch eine aktionärsfreundliche Governance aufgefallen sind.
Thorsten Grenz ist Präsident der Financial Experts Association e.V. und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.