US-Investor Summit Partners steigt ein 31 Millionen Euro für Berliner Start-up Signavio

Signavio-Gründerteam (von links): Torben Schreiter, Nicolas Peters, Willi Tscheschner, Gero Decker
Foto: SignavioHamburg - Einst lehnte Gero Decker ein Angebot von SAP-Gründer Hasso Plattner ab, heute ist der 33-Jährige selbst Unternehmer und hat nun seinen ersten großen Investor ins Unternehmen geholt. Das Berliner Start-up Signavio erhält von US-Geldgeber Summit Partners 31 Millionen Euro für die Wachstumspläne des Unternehmens. "Für das Unternehmen ist das ein Meilenstein", sagt Decker.
Signavio gilt in Berlin als Hidden-Champion. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Unternehmen mittlerweile auf nahezu 100 Mitarbeiter angewachsen und hat weltweit über 750 Kunden. Signavio, was italienisch ist und "Wegweiser" bedeutet, ist eine Ausgründung des Hasso-Plattner Instituts in Potsdam. Das Unternehmen verfügt über eine Software, die Prozessabläufe und die Verarbeitung von Informationen erleichtert. Sie kann auch Entscheidungen vorgeben beziehungsweise anbieten.
Man müsse sich Signavios Produkt wie die Planungssoftware eines Architekten vorstellen, der gerade ein Haus plant, erklärt Decker. Genauso eine Software habe Signavio für die Veränderung von Abläufen in Unternehmen. Noch bevor die Arbeitsweise geändert werde, nutzten Kunden die Software, um Prozesse zu definieren, Alternativen durchzukalkulieren, Änderungsmaßnahmen abzuschätzen oder etwa IT-Projekte zu planen.
Ausgründung des Hasso-Plattner-Instituts
Eigentlich wollte Gero Decker kein Unternehmer werden. Er hatte es als Sohn eines Professors und späteren Unternehmers hautnah miterlebt, was es bedeutet, voll und ganz für ein Unternehmen einzustehen. Hohe Arbeitsbelastung, ständig werden die Familienurlaube verschoben und dann die Verantwortung. "Man geht unglaublich viel Risiko ein", sagt Decker.
Er studierte zunächst am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam Informatik und promovierte anschließend dort. Thema: "Geschäftsprozess-Modellierung". Als Plattner ihn 2006 fragt, ob er an der SAP-Datenbank Hana mitarbeiten will, gibt Decker ihm einen Korb. "Datenbanken finde ich total langweilig", hätte er dem SAP-Mitgründer gesagt, erinnert sich Decker. Der sei etwas irritiert gewesen. Trotz Absage bewundert der Signavio-Chef Plattner dennoch. Für Decker ist er der Inbegriff des perfekten Unternehmers. "Das faszinierende ist doch, dass er nach Jahrzehnten immer noch diese Produktbegeisterung hat", schwärmt er.
Während der Promotion entwickelt Decker 2006 zusammen mit einem Studententeam ein Zeichenprogramm für den Web-Browser. Damals gab es noch wenige grafische Darstellungen im Web. Es war ein akademisches Open-Source-Projekt und Tausende Nutzer griffen auf das Programm zu. Oft stürzten allerdings die Server ab und Nutzer hätten gebeten, ob man das Projekt nicht irgendwie professionalisieren könnte.
AOK Brandenburg als erster Kunde
Anfang 2009 gründete Decker schließlich gemeinsam mit drei anderen HPI-Studenten Signavio. Der erste Kunde war die AOK Brandenburg. Einen Scheck in Höhe von knapp 100.000 Euro überwies sie den Machern für die Software. Die ersten Mitarbeiter konnten angestellt werden. Über die Jahre kamen immer mehr Kunden aus dem Mittelstand hinzu, etwa Schott, der Verlag Axel Springer oder Zalando. Der Onlinehändler habe bereits schon sehr lange prozessorientiert gearbeitet. Strukturierte Abläufe im Kundenservice hatten für das Unternehmen hohe Priorität.
Einer der ersten internationalen Kunden war die US-Wohnungsvermittlungsplattform Airbnb. Signavio hatte 2012 ein Zwei-Mann-Büro im Silicon Valley aufgemacht. Airbnb hatte die Testversion für 30 Tage genutzt und sich dann für eine dauerhafte Nutzung entschieden. Wenige hundert Mitarbeiter hatte das US-Startup damals. Binnen eines Jahres wollte es auf 800 Mitarbeiter anwachsen. "Ich hatte sie mehrmals besucht und im Wochenrhythmus hat man gesehen wie sich das Büro füllt", sagt Decker. Überall hätten Paletten von Büromöbeln und Rechner für immer neue Mitarbeiter gestanden.
Über die Software half Signavio Airbnb Strukturen zu schaffen. Die neuen Mitarbeiter sollten schnell in die Arbeitsabläufe der Kundenbetreuung eingearbeitet werden. Mittlerweile zählen Konzerne wie Comcast, US-Großbanken oder Versicherer zum Kundenstamm von Signavio.
80 Prozent der Kunden nutzen die Cloud-Version
Ursprünglich sollte Signavio rein Cloud basiert funktionieren, doch im Jahr 2009 waren die meisten Kunden noch misstrauisch. Heute würden 80 Prozent der Kunden die Cloud-Version nutzen. Die Daten würden in Datenzentren in Deutschland liegen.
Zu den Lernprozessen der Gründung gehörte die richtige Preisgestaltung des eigenen Produkts. Anfangs boten Decker und seine Mitgründer die Software zu günstig an. "Mit 30 Euro pro Monat hatte uns niemand ernst genommen. Wir hatten uns schon gewundert, warum uns unsere Partner nicht empfehlen". Nur preissensiblen Kunden seien sie empfohlen worden. Mit der Zeit lernten Decker und Co. dazu. "Die Software pro Nutzer pro Jahr musste teurer sein als der Beratertag". Heute zahlen Kunden 130 Euro pro Nutzer pro Monat.
Bereits seit längerem spielte Decker mit dem Gedanken, einen Investor ins Unternehmen zu holen. Das Unternehmen wachse und arbeite profitabel, aber ab einer gewissen Größe sei es eben ratsam, sich Hilfe zu holen. Angaben zu Umsatz und Höhe des Gewinns wollte Decker nicht machen.
Als die Anfragen von Investoren Deckers Angaben zufolge überhand nahmen, schaltete er die Technologie-Investmentbank GP Bullhound ein. Sie half schließlich bei der Auswahl des neuen Minderheitseigners. Decker und seine Mitgründer Torben Schreiter, Nicolas Peters, Willi Tscheschner wünschten sich einen erfahrenen Investor mit US-Hintergrund. Amerika sei eine harte Nuss, sagt Decker.
Summit werde Signavio bei vielen Dingen helfen, bei der Personal oder auch Kundensuche, sagte Summit-Partner Scott Collins. Ihm war die Firma schon früh auf einer Messe aufgefallen. Als sich die Gelegenheit ergab, ergriff Summit seine Chance. "Das Unternehmen ist bereits erfolgreich und wir werden ihnen helfen, das Team zu vergrößern", sagte Collins. Über die Höhe der Anteile wollten Decker und Collins keine Angaben machen.