Rekord bei ungenutzten Containerfrachern Schifffahrt sendet Alarmsignal an Weltwirtschaft

Containerfrachter im Hamburger Hafen: Derzeit so viel ungenutzter Frachtraum wie nie zuvor
Foto: Christian Charisius/ picture alliance / dpaDie Krise, die 2008 mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers und dem darauffolgenden Einbruch der Weltwirtschaft begann, hat die weltweite Containerschifffahrt bis heute nicht hinter sich gelassen. Im Gegenteil, nun zeigt sich: Die Situation der maritimen Wirtschaft ist möglicherweise prekärer als gedacht.
Darauf deuten Zahlen hin, die der Branchendienst "Alphaliner" veröffentlicht hat. Demnach ist die Menge an ungenutzter Frachtkapazität weltweit im März auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Containerschiffe mit einer Tragfähigkeit von insgesamt 1,57 Millionen 20-Fuß-Standard-Containern (TEU) lagen Anfang März ungenutzt in den Häfen rund um den Globus, so "Alphaliner". Das sind sogar mehr als auf dem bisherigen Tiefpunkt der Krise im Jahr 2009, als Schiffe mit zusammen 1,52 Millionen TEU "auflagen".
Zwar erscheinen die Zahlen weniger dramatisch, wenn sie ins Verhältnis zur gesamten Containerflotte gesetzt werden, die ja in der Zwischenzeit gewachsen ist. So beträgt der Anteil der nicht genutzten Kapazität am insgesamt zur Verfügung stehenden Frachtraum gegenwärtig knapp 8 Prozent, während es 2009 11,7 Prozent waren. Die Botschaft bleibt jedoch die gleiche: Die Branche befindet sich in einer höchst schwierigen Lage.
Es stellt sich die Frage, woran es liegt. Sind es die viel zitierten Überkapazitäten aufgrund zu viel bestellter neuer Schiffe, die die Probleme verursachen? Oder bleibt - was aus weltwirtschaftlicher Sicht womöglich das größere Problem wäre - die Nachfrage nach Frachtraum hinter den Erwartungen zurück.

Beides, sagt Michael Tasto vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen. Nach Angaben des Marktanalysten liegt der aktuellen Zuspitzung die Marktentwicklung im Jahr 2015 zugrunde, die die gesamte Branche böse überraschte. "Zu Beginn des vergangenen Jahres konnte man aufgrund aller verfügbaren Indikatoren von einem Zuwachs beim weltweiten Containerumschlag von 5 bis 6 Prozent ausgehen", so Tasto. "Letztlich legte der Umschlag 2015 aber nur um maximal 1 Prozent zu, wie wir heute wissen."
Viele besonders große Schiffe bleiben ungenutzt
Als Beleg verweist der Experte auf den Containerumschlag-Index, den das ISL gemeinsam mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) herausgibt. Dort lässt sich die Abschwächung des Wachstums im langfristigen Chart gut beobachten.
Dass die Nachfrage nach Frachtraum 2015 so massiv hinter den Aussichten zurückblieb, ist selbst aus Sicht des Fachmanns kurios. Zwar habe sich der Welthandel im vergangenen Jahr leicht abgeschwächt, so Tasto. Dadurch lasse sich der Einbruch beim Wachstum des Containerumschlags aber nicht vollständig erklären.
Ein Blick auf Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestätigt: 2015 wuchs der Welthandel nur noch um 2,6 Prozent, nach 3,4 Prozent im Jahr zuvor.
Die Schwäche bei der Frachtnachfrage liefert indes ohnehin nur einen Teil der Erklärung. Ein anderer, womöglich wichtigerer: Die Reedereien weltweit haben in den vergangenen Jahren in großem Stil neue Schiffe bauen lassen, und zwar mit Vorliebe besonders große Frachter. So befinden sie sich nun in einem unangenehmen Dilemma: Ausgerechnet zu einer Zeit, da die Nutzung von Frachtraum nachlässt, haben die Schifffahrtsfirmen immer mehr davon im Angebot.
Ausblick unerfreulich
Die Statistik von "Alphaliner" zeigt passend dazu: Der Anteil besonders großer Containerschiffe unter den stillgelegten Frachtern ist derzeit sehr hoch. Nicht umsonst warnt mancher Marktbeobachter bereits vor einem nahenden Ende des Größenwettlaufs in der Containerschifffahrt.
Allein im vergangenen Jahr, so schreibt "Alphaliner", wuchs die weltweite Containerschiffsflotte um 8,5 Prozent, gegenüber - zur Erinnerung - einem Nachfragewachstum von lediglich etwa 1 Prozent. Die Folge ist ein erheblicher Druck auf die Charter- und Frachtraten, zu denen die Eigner ihre Schiffe beziehungsweise den Stauraum darauf vermieten, und eben die hohe Zahl an ungenutzten Schiffen.
Laut "Alphaliner" wäre die Flotte an sogenannten Aufliegern sogar noch größer, stünde den vielen Neuauslieferungen nicht zumindest ein gewisses Maß an Verschrottung alter Tonnage gegenüber. Und auch der Ausblick fällt nicht erfreulich aus, denn in nächster Zeit ist kaum mit einer Entspannung der Lage zu rechnen.
Insgesamt werden 2016 Schiffe mit 400.000 TEU verschrottet, so "Alphaliner". Gleichzeitig erwartet der Markt aber neue Frachter mit einer Kapazität von 1,25 Millionen TEU. So bleibt ein Nettowachstum von 850.000 TEU oder etwa 4,3 Prozent.

Auf der anderen Seite prognostiziert der IWF ein Wachstum des Welthandels im laufenden Jahr um 3,4 Prozent und im darauffolgenden um 4,1 Prozent. Das ISL in Bremen geht vor dem Hintergrund davon aus, dass der Containerumschlag 2015 um knapp 4 Prozent wachsen wird.
Ein Zuwachs also, der das Plus bei der Frachttonnage nicht ausgleichen würde. Und ob es wirklich so kommt, oder ob der Markt die Branche wie im vergangenen Jahr womöglich erneut böse überrascht, ist zudem offen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, so Marktanalyst Tasto, lässt sich das noch nicht genau sagen.