Ryanair-Chef Michael O'Leary droht mit Stellenabbau und will Passagier für die Flugausfälle im Zuge des Streiks nicht entschädigen
Foto: Yves Herman/ REUTERSRyanair-Chef Michael O'Leary erhöht den Druck auf streikende Mitarbeiter: Denn der irische Billigflieger will seine Passagiere nicht für Flugausfälle und -verspätungen infolge des aktuellen Streiks entschädigen. Aufgrund der "außergewöhnlichen Umstände" werde sie nichts bezahlen, teilte Europas größte Billig-Airline am Donnerstag mit.
Nach EU-Recht ist laut Ryanair keine Entschädigung fällig, wenn "die Gewerkschaft unangemessen und völlig außerhalb der Kontrolle der Fluggesellschaft handelt". Ob dem so ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Mit der Begründung versucht O'Leary aber den berechtigten Unmut Zehntausender Fluggäste auf die Beschäftigten umzuleiten. Fluggasthelfer-Portale kritisierten daher die die Haltung der Airline auch als inakzeptabel.
Schon am Mittwoch machte der Selfmade-Milliardär deutlich, was er von gewerkschaftlicher Mitbestimmung und Streiks hält. Wegen der Streiks seien die Posten von mehr als 100 Piloten und 200 Flugbegleitern bei der Flotte in Dublin in Gefahr, warnte das Management.
Das Kabinenpersonal des irischen Billigfliegers Ryanair setzte indes am Donnerstag unbeirrt seinen zweitägigen Ausstand für bessere Löhne und Sozialverhältnisse fort. Dabei sollten erneut zahlreiche Flüge von und nach Spanien, Belgien und Portugal ausfallen.
Allein am Brüsseler Flughafen wurden am Donnerstag 22 der 40 Flugverbindungen gestrichen, sagte eine Sprecherin. Rund 4200 Passagiere konnten ihre Reise nicht antreten oder mussten auf einen anderen Flug umbuchen.
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Reisende, die mit Ryanair von Belgien aus nach Deutschland oder anders herum fliegen wollten, traf es nicht. Die vier angesetzten Flüge zwischen Brüssel und Berlin-Schönefeld sollten wie geplant stattfinden, wie ein Sprecher des Flughafens Schönefeld sagte.
Bereits am Mittwoch hatte der Ausstand mitten in der Ferienzeit bei vielen Reisenden für Unmut gesorgt. Ärger herrschte vor allem wegen der kurzfristigen Streichung Dutzender Flüge in Italien, speziell in Bergamo und Pisa. Insgesamt ließ Europas größte Billig-Airline wegen der fehlenden Flugbegleiter europaweit um die 500 Verbindungen ausfallen, Zehntausende Passagiere waren betroffen.
Die deutschen Gewerkschaften für Piloten und Flugbegleiter haben bislang keinen Arbeitskampf bei Ryanair ausgerufen. Bei der Vereinigung Cockpit läuft aber eine Urabstimmung bis Ende Juli. Die Gewerkschaften stimmen sich auf europäischer Ebene ab und setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne bei Europas größtem Billigflieger ein. Streiks gab es bereits in Portugal und Irland.
Michael O'Leary stößt an die Grenzen seines Konfrontationskurses. Erstmals in der Geschichte von Ryanair wollen Piloten europaweit streiken - plötzlich erkennt das Unternehmen deren Gewerkschaften als Verhandlungspartner an. Noch vor Tagen hatte der Firmenchef, ein bekennender Gewerkschaftshasser, dies ausdrücklich ausgeschlossen. Nun erklärt er, "radikaler Wandel" sei für Ryanair nichts Neues.
Der Ire führt die Fluggesellschaft, die er inzwischen "Nummer eins in Europa" nennen kann, schon seit 1994. Ryanair und O'Leary sind kaum voneinander zu trennen - obwohl das Unternehmen nicht seinen Namen trägt.
Gegründet wurde Ryanair von dem 2007 verstorbenen Unternehmer Tony Ryan 1985, der eine 15-sitzige Maschine seiner Leasing-Maschine unter eigenem Namen fliegen lassen wollte. Als die Firma floppte, holte Ryan seinen Steuerberater hinzu: den jungen Michael O'Leary von der Wirtschaftsprüfungsfirma Stokes Kennedy Crowley in Dublin.
Noch Anfang der 1990er empfahl O'Leary, die nicht wettbewerbsfähige Airline zu schließen. Dann fand er jedoch in Texas ein Vorbild: die Billigfluglinie Southwest Airlines, die radikal Kosten senkt und konsequent auf alle Extras verzichtet. Dieses Modell kopierte Ryanair und brachte es nach Europa. Dazu gehört, die gesamte Flotte ausschließlich mit Boeing 737 zu bestücken.
Die Liberalisierung des Luftverkehrs in der EU, zusammen mit Subventionen von Regionalflughäfen, verhalf Ryanair mehr noch als anderen Billigfliegern zum Aufschwung. O'Leary stellte den Zugang der Massen als antielitäre soziale Tat dar - oder auch mal etwas bunter: "Ryanair bringt eine Menge verschiedener Kulturen zu den Stränden von Spanien, Griechenland und Italien, wo sie sich im Interesse des paneuropäischen Frieden paaren und kopulieren."
Die schrillen und noch schrilleren Töne wurden schnell zu Ryanairs Markenzeichen - und nährten das Image des aggressiven Angreifers, der die Domäne der etablierten nationalen Fluggesellschaften schleift. Dem Traum vom Fliegen setzte O'Leary seine spröde Sparlogik entgegen. "Ich wollte nie ein Pilot werden wie diese anderen Kolonnen von Dummköpfen, die die Flugbranche bevölkern."
Die Liste der provokanten O'Leary-Zitate kann hier nur stark gekürzt wiedergegeben werden. Ob gegenüber Passagieren, Beschäftigten, Konkurrenten, Lieferanten, Politikern oder auch den eigenen Kollegen im Management - für jeden hatte der Ryanair mal einen deftigen Spruch übrig, gerne auch mehrere. Kostprobe: "Sie bekommen keine Rückerstattung, also fuck off."
Um Aufmerksamkeit zu erregen, brachte O'Leary auch mal ein Flugverbot für Übergewichtige, eine Bordtoilettengebühr ("Wenn Sie einen Fünfer zahlen, wische ich Ihnen auch den Hintern ab") oder Stehplatz-Flüge ins Gespräch. Den Einwand, bei einem Unfall könnten die stehenden Passagiere sterben, entgegnete er entwaffnend: "Mal ehrlich, die sitzenden Leute sterben auch."
Unbestritten hat die Strategie zum Erfolg geführt: Seit 2016 befördert Ryanair als einzige europäische Fluglinie mehr als 100 Millionen Passagiere pro Jahr. Auch mit der Umsatzrendite von 20 Prozent und dem Börsenwert von 20 Milliarden Euro stehen die Iren an der Spitze der Branche.
Während Lufthansa und Co. das Ryanair-Modell mit eigenen Billigflug-Ablegern zu kopieren versuchen, lässt das enorme Wachstum O'Leary den etablierten Airlines zumindest eine Spur näherkommen. Eine früher als überflüssig abgetane Business Class gibt es jetzt (wenn auch ohne viel Komfort), auch die großen Drehkreuze wie Frankfurt werden zunehmend angeflogen - und dafür manche der Dumping-Airports in der Provinz aufgegeben. Sie haben ihre Schuldigkeit als Gebührenbrecher getan.
Politisch äußert der bekennende "Unwählbare" Michael O'Leary sich immer wieder, wenn es sein Geschäft betrifft. So bezeichnet er den Klimaschutz als "Unsinn", wünscht Umweltschützern den Tod - hebt aber gleichzeitig die hohe Energieeffizienz seiner gut ausgelasteten Flieger hervor. Der Manager wird nicht müde, vor dem Brexit zu warnen. Vielleicht fehlt ihm ohne die Briten in der EU auch das Erbe Margaret Thatchers, "ohne die wir heute alle in einer französischen Arbeitslosenrepublik leben würden".
Was O'Leary bisher bei allem rasanten Wachstum nie gelang, ist die Übernahme einer anderen Fluggesellschaft. Am heimischen Wettbewerber Aer Lingus hielt Ryanair zeitweise ein Drittel der Aktien, gab sie 2015 nach Blockade durch die Wettbewerbshüter aber an die British-Airways-Mutter IAG ab. Bei Alitalia zog sich Ryanair ebenso zurück wie bei Air Berlin.
Ryanair-Piloten wie Maria Pettersson können Instagram-Stars werden, aber keine Großverdiener. Schon früh tat O'Leary die Aussage, Personal sei das größte Asset einer Firma, als Betriebswirte-Bullshit ab: "Personal ist der größte Kostenblock." Ryanair hält den Personalaufwand mit rund 50.000 Euro pro Beschäftigten gering. Dass neuerdings Flüge wegen Pilotenmangels gestrichen werden müssen und sogar ein Streik droht, ist eine neue Herausforderung.
Michael O'Leary selbst ist dank seiner Ryanair-Aktien inzwischen Milliardär, will seinen vier Kindern aber Bodenständigkeit vermitteln. Mit seiner Frau Anita Farrell, einer Bankerin, lebt er auf dem Gutshof Gigginstown House, wo er Angus-Rinder und Rennpferde züchtet - der Hengst "Rule The World" gewann 2016 das Hindernisrennen Crabbie's bei Liverpool. Strandurlaub findet O'Leary übrigens überflüssig - macht ihn aber, damit die Kinder normal bleiben.
Während Lufthansa und Co. das Ryanair-Modell mit eigenen Billigflug-Ablegern zu kopieren versuchen, lässt das enorme Wachstum O'Leary den etablierten Airlines zumindest eine Spur näherkommen. Eine früher als überflüssig abgetane Business Class gibt es jetzt (wenn auch ohne viel Komfort), auch die großen Drehkreuze wie Frankfurt werden zunehmend angeflogen - und dafür manche der Dumping-Airports in der Provinz aufgegeben. Sie haben ihre Schuldigkeit als Gebührenbrecher getan.
Foto: SUZANNE PLUNKETT/ REUTERSWas O'Leary bisher bei allem rasanten Wachstum nie gelang, ist die Übernahme einer anderen Fluggesellschaft. Am heimischen Wettbewerber Aer Lingus hielt Ryanair zeitweise ein Drittel der Aktien, gab sie 2015 nach Blockade durch die Wettbewerbshüter aber an die British-Airways-Mutter IAG ab. Bei Alitalia zog sich Ryanair ebenso zurück wie bei Air Berlin.
Foto: © Paul McErlane / Reuters