Ryanair-Piloten wollen europaweit streiken
Ryanair-Chef verweigert Gespräche mit Gewerkschaften
Zu Hunderten laufen Ryanair-Chef O'Leary die Piloten davon. Die anderen wollen europaweit streiken. Zum ersten Mal in der Geschichte der Airline - gegen Dumping-Löhne und miese Sozialstandards. O'Leary fällt jetzt sein gnadenloser Expansionskurs auf Kosten der Mitarbeiter auf die Füße. Verhandeln will er nicht, jedenfalls nicht mit den Gewerkschaften.
Mal ohne Grimasse: Gern gibt sich Ryanair-Chef O'Leary als Spaßvogel unter den Airline-Chefs, der den Etablierten das Fürchten lehrt. Dass ein Großteil des Erfolgs der vergangenen Jahre vor allem zu Lasten der Beschäftigten ging, gerät dabei leicht aus dem Blick.
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Letzte Flüge der insolventen Air Berlin: Aufstieg, Sinkflug, Absturz und Ende von Air Berlin
Die Wettbewerber dürften sich heimlich die Hände reiben: Der Billigairline Ryanair drohen erstmals in ihrer Geschichte Pilotenstreiks - und zwar in ganz Europa. Wann die Piloten in Deutschland an den zehn Ryanair-Basen ihre Arbeit niederlegen, wollte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) auch am Mittwoch noch nicht erklären, um Ryanair Abwehrmaßnahmen zu erschweren, räumte VC-Präsident Ilja Schulz ein. Die Passagiere würden rechtzeitig informiert und über die Weihnachtstage vom 23. bis 26. Dezember von Streiks verschont.
Zuvor hatten Gewerkschaften in Portugal und Italien zu Arbeitskämpfen aufgerufen. Die Italiener beginnen diesen Freitag, legen zunächst für vier Stunden die Arbeit nieder, in Irland kündigte die Pilotenvereinigung IALPA einen eintägigen Streik für den 20. Dezember an.
Die Piloten werfen der 1985 gegründeten Ryanair vor, den europaweiten Flugbetrieb mit unsozialen Arbeitsbedingungen nach irischem Recht für die inzwischen rund 4000 Piloten zu organisieren. Es gebe keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine verbindlichen Dienstpläne, keine Altersvorsorge und ein weit verbreitetes System von scheinselbstständigen Piloten, kritisierte VC-Präsident Ilja Schulz.
Sozialstandards wie in der Steinzeit
Gerade Berufseinsteiger würden laut VC nicht direkt bei Ryanair eingestellt, sondern angehalten, eigene Mini-Gesellschaften nach britischem oder irischem Recht zu gründen und dann ihre Arbeitsleistung als Selbstständige anzubieten.
Ryanair, die mit den angeblich niedrigsten Ticketpreisen für sich wirbt, lehnt Verhandlungen mit der VC trotz der Streikandrohung kategorisch ab. In keinem Fall aber werde man mit der VC verhandeln oder die Gewerkschaft anerkennen. Auch in Irland zeigte sich Ryanair Chef Michael O'Leary angesichts des angekündigten Streiks unnachgiebig.
Die VC will nach eigenen Angaben Tarifverhandlungen erzwingen, um "marktgerechte Arbeits- und Vergütungsbedingungen" für die rund 400 in Deutschland stationierten Piloten zu erreichen. Bei dem nicht gerade hochpreisigen Ferienflieger Tuifly lägen die Vergütungen etwa 30 Prozent über dem Niveau von Ryanair.
In Kooperation mit anderen europäischen Pilotengewerkschaften will die VC aktuelle Personalprobleme der Iren ausnutzen, die aus Pilotenmangel bereits rund 20.000 Flüge im Winterflugplan streichen mussten.
20 Prozent der Piloten werden Ryanair verlassen
Laut VC verlassen Piloten in großer Zahl die Ryanair, um bei anderen Gesellschaften zu besseren Bedingungen anzuheuern. Im laufenden Jahr werde etwa jeder fünfte der rund 4000 Piloten den Dienst bei der irischen Gesellschaft quittieren. Das Problem: Ryanair muss gleichzeitig zusätzliche Crews für das weiterhin geplante Wachstum anheuern.
Ryanair Chef Michael O'Leary droht jetzt über die Auswüchse seines gnadenlos betriebenen Expansionskurses zu stolpern, der vor allem auf der Preis- und Kostenführerschaft in Europa fußt. Denn bleiben die Maschinen an Boden, weil die Piloten wegen schlechter Bezahlung und niedrigster Sozialstandards zu den Wettbewerbern flüchten, werden die Gewinne fallen.
Tarifexperten der Vereinigung Cockpit werfen dem charismatischen Manager "systematisches Sozialdumping" vor. Die Gewerkschaft droht auch Ryanair mit einem langen Arbeitskampf: "Der Streik dauert so lange, bis in diesem Unternehmen Tarifverträge erreicht sind", erklärte VC-Chef Schulz. "Die Piloten haben es satt, sich so behandeln zu lassen. An dem Willkür-System muss sich etwas ändern."
Mal ohne Grimasse: Gern gibt sich Ryanair-Chef O'Leary als Spaßvogel unter den Airline-Chefs, der den Etablierten das Fürchten lehrt. Dass ein Großteil des Erfolgs der vergangenen Jahre vor allem zu Lasten der Beschäftigten ging, gerät dabei leicht aus dem Blick.
27 BilderLetzte Flüge der insolventen Air Berlin: Aufstieg, Sinkflug, Absturz und Ende von Air Berlin
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Für diese Farbkombination am Himmel wird es nun ganz dunkel: Am Freitagabend, den 27.10.2017, beendet die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb. Die letzten Flugzeuge mit dem markanten weiß-roten Logo sollen am späten Freitagabend in Berlin und Düsseldorf eintreffen.
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Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der Air Berlin-Flugzeuge, Verhandlungen mit Easyjet und Condor laufen noch. Der Bevollmächtigte der insolventen Airline hofft, 70 bis 80 Prozent der Jobs zu erhalten. Zahlreiche Mitarbeiter müssen sich aber auf schlechtere Konditionen einstellen. Dabei begann ....
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... 1978 alles hoffnungsvoll: US-Pilot Kim Lundgren (l., mit Sohn Shane) gründet Air Berlin 1978 in den USA als Charterfluggesellschaft. Hintergrund: Damals dürfen nur Flugzeuge der Siegermächte Berlin anfliegen.
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Der erste Heimatflughafen von Air Berlin heißt folglich nicht Berlin, sondern Miami. Von dort gibt es mitunter auch Direktflüge in die geteilte Stadt.
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Berlin steht faktisch aber im Mittelpunkt des wachsenden Netzes von Air Berlin. Der erste Flug geht nach Mallorca. Bald entwickeln sich Ziele im Mittelmeerraum zum Markenzeichen von Air Berlin.
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Nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei für den Wechsel des Firmensitzes in die künftige Hauptstadt. Der spätere Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold übernimmt die US-Gesellschaft.
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Air Berlin bekommt immer größeren Hunger auf Wachstum. Im Jahr 2004 erwirbt die Airline 24 Prozent an der österreichischen Linie Niki des früheren Rennsportlern Niki Lauda. Später erhöht Air Berlin den Anteil.
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Die Expansion kostet Geld. Geld, dass sich die
Eigentümer an der Börse holen wollen. Im zweiten Anlauf gelingt der Sprung aufs Parkett - seit dem 11. Mai 2006 sind Anteile von Air Berlin frei handelbar.
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Treibende Kraft hinter dem Wachstumswillen bleibt Vorstandschef Hunold, der noch heute im Verwaltungsrat von Air Berlin sitzt.
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Hunold unternimmt zahlreiche weitere Übernahmeversuche. So schluckt Air Berlin noch 2006 Wettbewerber dba. Ein Jahr später ist die deutsche Traditionsgesellschaft LTU dran. An der Schweizer Fluggesellschaft Belair erwirbt Air Berlin im selben Jahr 49 Prozent der Anteile.
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Hunold hat einen Lauf - seine Fluggesellschaft verbucht in dieser Zeit sogar Gewinne, was in der Geschichte von Air Berlin Seltenheitswert haben sollte. 2006 bleiben 40 Millionen, 2007 27 Millionen Euro übrig. Danach geht es abwärts.
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Immer wieder scheitern auch geplante Akquisitionen. Die geplante Übernahme von Condor kommt nicht zustande, weil die aufziehende Finanzkrise 2008 den Markt schwächt.
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Hunold holt manchen alten Weggefährten mit an Bord, um der Krise Herr zu werden - so Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der 2009 in den Aufsichtsrat einzieht und zwei Jahre später Übergangschef und Hunold-Nachfolger wird.
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Den Kursverfall der Air-Berlin-Aktie nutzt die türkische Holding ESAS der Sabanci Holding (im Bild: Vorstand Guler Sabanci) und erwirbt 15,3 Prozent der Anteile.
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Ende 2011 steigt schließlich die arabische Gesellschaft Etihad im Großen Stil bei Air Berlin ein, kauft einen 29,21-Prozent-Anteil und wird größter Eigner. Etihads Ziel: Über das Air-Berlin-Streckennetz auf dem europäischen Flugmarkt Fuß zu fassen.
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Unter den neuen Machtverhältnissen steigt Wolfgang Prock-Schauer zum Chef auf und löst Mehdorn ab. Doch steckt die Gesellschaft schon mitten in einer großen Krise. Hunderte Arbeitsplätze werden abgebaut, die Mitarbeiter sollen auf 5 Prozent ihres Gehaltes verzichten.
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Hinzu kommt, dass ihr geplantes Drehkreuz, der Flughafen Berlin-Brandenburg wegen Bauplanungsmängeln nicht eröffnet werden kann.
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Etihad lässt sich derweil nicht von der Schwäche von Air Berlin beeindrucken. Die Tochter soll näher an andere Beteiligungen wie Alitalia heranrücken, wird zum Puzzleteil in der Strategie der Araber.
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Der nächste Chef: Ab Februar 2015 soll Stefan Pichler Air Berlin für seinen arabischen Großaktionär endgültig wieder auf Linie bringen. Doch es geht immer weiter abwärts: 2014 verbucht seine Airline einen Verlust von 377 Millionen Euro - bis dato Rekord. Sein Sparprogramm begründet er seinen Leuten knapp: "Wir haben nur noch einen Schuss frei."
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Den "letzten Schuss" setzte Pichler in Form einer Rettungsstrategie. Ein Bestandteil: Mehr Langstreckenflüge in die USA. Das Streckennetz in Europa sollte dagegen etwas schrumpfen. Immerhin gab es im Sommergeschäft 2015 schwarze Zahlen.
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Zentraler Bestandteil für die Zukunftspläne bleibt danach allerdings der starke Partner Etihad. Doch ob er an Bord bleibt, erscheint zunehmend in der Folge zunehmend fraglich. Immerhin dürfen die Araber weiter gemeinsame Flüge mit Air Berlin unter einer Codenummer anbieten. Dennoch bleibt bis Anfang 2017 unterm Strich eine Milliarde Euro, die die Araber erfolglos in Air Berlin gesteckt haben.
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Im Herbst 2016 stehen die Zeichen bereits auf Zerschlagung. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Die Kranich-Airline will 38 Flugzeuge von Air Berlin zumindest zeitweise übernehmen.
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Die Zerschlagung könnte auch Folgen haben für den Ferienflieger TuiFly. Dieser kooperiert bisher mit der Air-Berlin-Tochter Niki. Diese könnten zu einer eigenständigen Ferien-Airline zusammengelegt werden.
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Der Einfluss der Lufthansa auf Air Berlin wächst bereits im Dezember 2016 massiv, der von Etihad sinkt. An der Unternehmensspitze ersetzt Thomas Winkelmann den glücklosen Stefan Pichler. Zuvor hatte Winkelmann bei der Lufthansa die Tochter Eurowings neu aufgestellt.
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Doch Winkelmann kann die Airline auch nicht mehr aus den Turbulenzen holen: Am 15. August 2017 meldet Air Berlin Insolvenz an. Nachdem Großaktionär Etihad eine Kredirate nicht auszahlte, sah das Management keine Perspektive für eine normale Fortführung der Geschäfte.
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Frank Kebekus führt als Generalbevollmächtigter nun gemeinsam mit Winkelmann Verkaufsverhandlungen für Air Berlin. Bald ist klar: Die Lufthansa bekommt den Großteil der Flugzeuge samt Landerechte, über den Rest wird mit Bietern wie Easyjet, Condor und Niki Lauda verhandelt.
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Dass sich Winkelmann auch im Insolvenzfall einen 4-Millionen-Euro-Bonus gesichert hat, sorgt im Oktober 2017 für einen öffentlichen Aufschrei. Denn eine Auffanggesellschaft für Air Berlin-Mitarbeiter -denen zu Tausenden gekündigt wird - scheint nur in einem Mini-Umfang möglich.
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