Branson, Huffington und Co Weltendeuter im Weisheits-Wahn

Überflieger Branson: "Der Drang, die Welt zu verändern, braucht ein Ventil"
Foto: LUKE MACGREGOR/ ReutersDorothea Assig
ist Topmanagementberaterin. Sie hat gemeinsam mit Dorothee Echter das international tätige Beratungsunternehmen Assig + Echter Top Management Ambition gegründet.
Dorothee Echter
ist Topmanagementberaterin und zusammen mit Dorothea Assig Inhaberin von Assig + Echter Top Management Ambition. Beide sind ferner Autorinnen der Bücher "Freiheit für Manager " (Campus, 2018) und "Ambition " (2012).
manager magazin: Frau Echter, Frau Assig, auf Twitter & Co werfen Entrepreneure gerne mit Lebenshilfe-Weisheiten um sich. Was treibt jemanden wie Richard Branson, kalenderspruchartige Management-Sentenzen zu posten wie etwa "Geschäftschancen sind wie Busse. Es kommt immer wieder einer"?
Dorothee Echter: Der unternehmerische Erfolg führt zu dem Anspruch, auch bei anderen Themen eine Autorität zu sein. Hier wirkt eine Form kognitiver Dissonanz: In ihrer beruflichen Rolle haben die Unternehmer immer gewusst, wo's langgeht - dieses Gefühl übertragen sie dann auf andere Felder. Eine besondere Dynamik entsteht, wenn sie sich als Gründer oder CEO aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben. Der Drang, die Welt zu verändern, dieser entrepreneuriale Drive, ist dann immer noch da - und braucht ein neues Ventil.
mm: Was spricht dagegen, dass einer, der es bis ganz nach oben geschafft hat, seine Erfahrungen weitergibt?
Assig: Sicher hat der Impuls einen positiven Kern. Gerade Unternehmer erfahren zu Beginn viel Kritik und Skepsis. Daran wachsen sie, und das ist eine besondere Erfahrung, mit der sie anderen helfen möchten. Aber das ist ein Trugschluss: Ein guter Manager ist nicht automatisch ein guter Coach oder Lehrer. Und Erfahrung ist nicht gleich Wissen.
mm: Das klingt recht spitzfindig. Warum sollten andere nicht aus den Erfahrungen von Richard Branson lernen?
Assig: Erfahrung ist immer singulär. Im Grunde erzählen diese Manager oder Unternehmer immer wieder die gleiche Geschichte: "Wie ich damals in China den Deal einfädelte" oder "Wie ich es schaffte, den Vorstand von xy zu überzeugen". Das war aber vor vielen Jahren, unter ganz anderen Bedingungen. Der jungen Führungskraft heute hilft das nur äußerst begrenzt, weil die Substanz und die Vergleichbarkeit fehlt.
mm: Wenn Arianna Huffington postet, dass Schlaf wichtig ist, oder Richard Branson schreibt, man solle keine Grenzen akzeptieren, um Erfolg zu haben, klingt das eher nicht singulär. Sondern ziemlich universell.
Echter: Schon, aber hilft es auch weiter? Natürlich gehören diese Dinge zum Erfolg dazu, aber es sind keine aufgearbeiteten Lernerfahrungen. Und sie treffen auch nicht auf jeden zu. Man muss beispielsweise nicht zwingend Grenzen überschreiten, um Erfolg zu haben. Viele Top-Manager sind erfolgreich, ohne auch nur je eine Grenze von Weitem gesehen zu haben.
mm: Mentoren, die in Unternehmen junge Führungskräfte auf höhere Aufgaben vorbereiten, arbeiten doch nach einem ganz ähnlichen Prinzip.

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Echter: Deshalb lehnen wir Mentoring auch grundsätzlich ab. Die Situation der beiden beteiligten Menschen ist so unterschiedlich, dass man mit Geschichten nicht weiterkommt. Noch gravierender ist, dass das Lernen nicht auf Augenhöhe passiert. Das ist auch das Problem von Management-Weisheiten in den sozialen Medien: Die Follower sind eine Art Entourage, keine echten Gesprächspartner. Deshalb müssen die Inhalte möglichst allgemein und vage sein, damit für jeden etwas dabei ist. Dabei entstehen nur Platitüden, die bestenfalls unterhaltsam sind. So wird Managen banalisiert.
mm: Richard Branson hat mehr als sieben Millionen Follower. Welches wäre denn den richtige Weg, diese von seinen Erfahrungen profitieren zu lassen?
Assig: Gerade erfolgreiche Gründer und Manager müssen im Lernen bleiben, trotz ihres Erfolges. Die Idee, die eigenen Erfahrungen könnten die Welt verändern, ist gefährlich. Es kann nicht darum gehen, nur den eigenen Ruhm zu verwalten. Sie müssen sich von der Person lösen und inhaltlicher werden. Das kann beispielsweise über ein Stiftung geschehen, wie das ja auch Richard Branson tut. Das ist die richtige Richtung. Doch die Währung muss Reputation sein, nicht Aufmerksamkeit.