Zehn wichtige Regeln für die Corona-Krisenkommunikation Was Unternehmen jetzt sagen müssen

Von Tom Buschardt
Foto: Lufthansa Group

Jeder Mensch in Deutschland beschäftigt sich mehr oder weniger intensiv mit der Corona-Epidemie. An stündlich aktualisierten Informationen fehlt es nicht. Für die Unternehmen in Deutschland wird es langfristig entscheidend sein, wie sie mit dieser Krise umgehen und wie sie jetzt kommunizieren. Das betrifft nicht nur die Kommunikation mit Kunden, sondern vor allem auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Geschäftspartnern. Hier sind - ohne Anspruch auf absolute Vollständigkeit - zehn wichtige Punkte für die Corona-Krisenkommunikation.

1) Klare Verantwortlichkeiten

Demokratie ist eine schöne Staatsform - hat aber in der Krisenkommunikation nichts zu suchen. Sie führt zum Meinungs- und Handlungsföderalismus und das ist kontraproduktiv, wie ich in Bezug auf die Politik bereits geschrieben habe. Für Unternehmen gilt dasselbe: Niemand gibt irgendwelche Statements ab außer ein klar von der Geschäftsleitung definierter Personenkreis. Das gilt auch für Führungskräfte in der Fläche, beispielsweise Regionalgeschäftsführer. Die Zentrale muss die Kommunikation vorgeben, damit das Unternehmen nicht etwa von Bundesland zu Bundesland anders kommuniziert.

2) Drei wichtige Botschaften

Tom Buschardt

Tom Buschardt ist seit Ende der 1990er Jahre Medientrainer. Er coacht Vorstände und Politiker für den optimalen Auftritt vor Mikrofon, Kamera und Publikum. Seit 2004 ist er auch Dozent an der Akademie des Auswärtigen Amtes (Interviewtraining). Er arbeitete für zahlreiche Sender der ARD sowie RTL Aktuell und ist Experte für Krisenkommunikation. www.buschardt.de 

Empathie, Sachebene, Perspektive. Mit dieser Reihenfolge legen Sie den Grundstein für eine erfolgreiche Krisenkommunikation. Wiegen Sie faktische Gefahr und die von den Menschen empfundene Gefahr nicht gegeneinander auf. Kommunizieren Sie sachlich, warum Produktlieferungen sich verzögern oder Dienstleistungen in der bisherigen Form zurzeit nicht erbracht werden können. Zeigen Sie eine Perspektive auf, die auf eine spätere Normalisierung hinweist. Vermeiden Sie konkrete Daten wie: "Am 30. April sind wir wieder voll einsatzfähig für Sie da." Sagen Sie stattdessen: "Wir rechnen damit, Ende April, Anfang Mai wieder ... " Oder formulieren Sie in Jahreszeiten: im Sommer, im Herbst.

3) Gesicht zeigen

Eine Krise vom Ausmaß der Corona-Epidemie muss das Gesicht der Geschäftsführung bekommen. Schicken Sie bei Interviews und Statements nicht Ihre PR-Agentur oder den Pressesprecher vor. Deren Kapazitäten nutzen Sie besser für Medienkontaktarbeit und Hintergrundgespräche, Brancheneinschätzungen und für die interne Kommunikation. Jetzt ist die Zeit, wo die Geschäftsleitung auch kommunikativ die Leitung übernehmen muss.

4) Irrtümer sind möglich

Die Faktenlage kann sich bei einer Pandemie stündlich ändern. Berücksichtigen Sie das in Ihrer Kommunikation. Legen Sie sich nicht für die Ewigkeit fest. Verwenden Sie Formulierungen wie "nach aktuellem Kenntnisstand", "derzeit deutet alles darauf hin, dass". Und keine Angst: Wenn Sie morgen genau das Gegenteil von dem verkünden müssen, was Sie heute gesagt haben, gibt es auch hier Rettung für Sie: "Nach erneuter Abwägung aller Fakten", "Nach Bekanntwerden neuer Fakten, kommen wir ebenfalls zu einer Neubewertung der Situation", "Wir müssen in dieser dynamischen Lage auch unsere Handlungsempfehlungen entsprechend anpassen." Und vieles mehr.

5) Auf Experten berufen

Niemand erwartet von einem CEO, dass er neben all seinen sonstigen Kernkompetenzen sich jetzt auch als Hobby-Virologe kompetent zum Thema Pandemien äußert. Orientieren Sie sich an Empfehlungen, offiziell anerkannter Institutionen, etwa dem Robert-Koch-Institut (RKI), dem Bundesgesundheitsministerium und so weiter. Verweisen Sie in Ihren Statements stets darauf, dass Sie sich an die Empfehlungen von XY orientieren. Sprechen Sie eventuelle Schwachstellen bei der Umsetzung behördlicher Maßnahmen in Ihrer Organisation offen an. Die Belegschaft - und damit auch deren Außenkontakte - bekommen es ohnehin früher oder später mit. So bleiben Sie glaubwürdig.

6) Führungskräfte einnorden

Gerade jetzt ist es besonders wichtig, dass Führungskräfte auf den unteren Ebenen als offene Ansprechpartner für die Belegschaft wahrgenommen werden. Weisen Sie darauf hin, dass Menschen unterschiedliche Bildungsniveaus haben, unterschiedlich auf Risiken und Gefahren reagieren - und sich manchmal etwas mehr Führung wünschen als in normalen Zeiten, damit ihnen Sorgen und Entscheidungen abgenommen werden. Da hilft es wenig, wenn ein Abteilungsleiter besorgte Anfragen abwimmelt und auf die Zentrale verweist. Ja, wir stehen vor einer gefährlichen Epidemie - aber nicht vor dem Ende der Menschheit. Es wird eine Zeit nach Corona geben, und in dieser werden wir alle uns gegenseitig daran messen, wie wir in dieser Zeit miteinander umgegangen sind.

7) Mitarbeiter umsorgen

Bisher wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit kostenlosen Getränken, einem Kicker im Pausenraum oder einer Nackenmassage am Arbeitsplatz bei Laune gehalten. In der Post-Corona-Zeit wird es viel entscheidender sein, wie Sie mit den Menschen in Ihrem Betrieb während dieses Ausnahmezustands umgegangen sind. Fühlte die Belegschaft sich von Ihnen geführt (im Sinne von "geschützt"), waren Sie für die Belegschaft da, haben Sie wirklich informiert - oder gab es im Intranet nur eine Linkliste zu den Informationen der Gesundheitsbehörden? Und es ist wirklich keine gute Idee, sich jetzt als Führungskraft für drei Wochen in das Ferienhaus auf Sylt zurückziehen (habe ich mir nicht ausgedacht!).

8) Interne Kommunikation überprüfen

Es heißt nicht nur "Bewegtbild-Kommunikation", weil sich im Bild etwas bewegt, sondern weil man mit Bildern auch Menschen mehr bewegen kann. Wenn Sie die Möglichkeit haben, nehmen Sie in angemessenen zeitlichen Abständen ein Video für die Belegschaft auf. Informieren Sie über die (sich verändernde) Haltung in der Geschäftsleitung und begründen Sie auch Maßnahmen, die für Sie aus Ihrer Position selbsterklärend sein mögen.

9) Cover my Ass

Ja, Sie dürfen auch egoistisch sein in der Krise. Aber nur ausgewogen und an den richtigen Stellen. Wenn Sie beispielsweise die unternehmerische Freiheit Ihrer Entscheidungen beim Umgang mit der Corona-Krise begründen, sichern Sie sich ab. Selbst Fehlentscheidungen sind im Nachhinein kein Problem, wenn Sie (auch anhand früherer Interviews) nachweisen können, dass Sie etwa auf Rat der Behörden so oder so gehandelt haben. Ihr Handeln muss auch im Nachhinein nachvollziehbar sein. Das macht unter Umständen auch Fehlentscheidungen weniger dramatisch. Das Schlimmste wäre, wenn man Ihnen berechtigt vorwerfen könnte, aus Profitgier den Kundenbetrieb zu spät eingestellt zu haben - oder sogar noch Druck auf Kommunalpolitiker ausgeübt zu haben. Selbst, wenn man Ihnen später vorhalten sollte, viel zu früh Mitarbeiter nach Hause geschickt oder Läden geschlossen zu haben, können Sie stets argumentieren: "Wir haben das in Anbetracht der neuartigen Situation in Deutschland aus Vorsorge gegenüber unseren Kunden und Mitarbeitern gemacht." Vorsorge ist keine Feigheit.

10) Täglich dazulernen

Checken Sie, wie Ihre interne und externe Kommunikation von Medien und Öffentlichkeit angenommen wird. Hinterfragen Sie ständig, ob die veröffentlichten Positionen Ihres Unternehmens noch aktuell sind und in einer veränderten Gesamtlage noch angemessen erscheinen. Nehmen Sie gegebenenfalls Änderungen und Korrekturen vor. Verpassen Sie Ihren Dokumenten im Intra- und Internet einen Zeitstempel, damit jeder sehen kann, wie aktuell die Informationen sind. Geben Sie auch bei unverändertem Sachstand (beispielsweise: "Wir haben keinen Verdachtsfall im Unternehmen.") dennoch eine Aktualisierung an. Selbst wenn die Information "Kein Verdachtsfall" auch nach 14 Tagen noch richtig sein sollte, so wird ihr doch weniger geglaubt, weil die Information formal ja zwei Wochen alt ist. Holen Sie sich rechtzeitig juristischen Rat ein, weil notwendige Entscheidungen unter Umständen gegen Arbeits- oder Lieferantenverträge verstoßen könnten.

Und grundsätzlich gilt: Was auch immer Sie tun, gehen Sie in Ihrer Kommunikation offen und transparent damit um. Intern, wie extern.

Tom Buschardt ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wider.

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