Beschwerde gegen Niki-Verkauf
Foto: Marcel Kusch/ dpaDie Rettung der insolventen Air-Berlin-Tochter Niki durch den britisch-spanischen Luftfahrtkonzern IAG wird wegen eines Streits um Fluggastrechte zur Zitterpartie. Denn die für Donnerstag angekündigte Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg über eine Beschwerde von Verbraucherschützern soll noch nicht das letzte Wort sein.
"Wir werden den Rechtsweg ausschöpfen", erklärte Ronald Schmid, Sprecher des auf Fluggastrechte spezialisierten Online-Portals Fairplane aus Wien am Mittwoch. Der Dienstleister fordert ein Insolvenzverfahren in Österreich. Dort rechnet er sich bessere Chancen aus, Forderungen seiner Kunden aus ganz Europa für ausgefallene Niki-Flüge über mehr als eine Million Euro einzutreiben.
Fairplane argumentiert, ein österreichischer Konkursverwalter werde anders als der vom Amtsgericht Charlottenburg eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther die Interessen der Niki-Mutter Air Berlin nicht beachten. Die Fluggäste drohten gerade wegen möglicher Interessenkonflikte Flöthers, der zugleich Insolvenzverwalter von Air Berlin ist, leer auszugehen. Viele Kunden hätten zudem "auf die vollmundigen Aussagen" der Niki-Mutter Air Berlin vertraut, dass man bei Niki nach wie vor risikolos buchen könne, und Niki von der Insolvenz der Muttergesellschaft gar nicht betroffen sei.
Ein Sprecher Flöthers erklärte dagegen, im Fall von Kollisionen der Ansprüche von Air Berlin und Niki werde ein Sonderinsolvenzverwalter eingesetzt. Das habe Flöther selbst schon Mitte Dezember gegenüber dem Amtsgericht erklärt.
400.000 Niki-Kunden fordern Schadensersatz
Die von rund 400.000 Niki-Kunden ausstehenden Forderungen für bezahlte Tickets müssten diese außerdem an Air Berlin stellen, da Niki nur als verlängerte Werkbank tätig gewesen sei. Damit könnten alle, die nach dem Air-Berlin-Pleitedatum 15. August gebucht hätten, ihr Geld zurückbekommen, da dies auf einem Treuhandkonto liege.
Das Amtsgericht Charlottenburg hatte Mitte Dezember entschieden, für das Insolvenzverfahren zuständig zu sein, obwohl Niki nach österreichischem Recht gegründet wurde und am Wiener Flughafen Schwechat seinen Sitz hat. Denn ein Großteil des operativen Geschäfts werde in Berlin abgewickelt, und Niki werde von der Konzernleitung dort geführt.
Sollte das Amtsgericht bei dieser Position bleiben und die Beschwerde für ungerechtfertigt halten, muss es die Frage dem Landgericht Berlin vorlegen. Gegen dessen Entscheidung könnten wiederum Rechtsmittel beim Bundesgerichtshof eingelegt werden, erklärte eine Gerichtssprecherin. Wie schnell die höheren Instanzen entschieden, sei nicht absehbar. Doch der Beschluss von Mitte Dezember mit Berlin als Insolvenzort gelte weiter, so lange er nicht unanfechtbar aufgehoben wäre.
"Uns geht es nicht darum, den Deal kaputt zu machen"
Insolvenzverwalter Flöther hatte kurz vor Jahresende noch eine Vereinbarung mit IAG erzielt, für insgesamt 36,5 Millionen Euro Niki zu übernehmen und in die Billigtochter Vueling einzugliedern. Der Verkauf soll bis Ende Februar vollzogen werden. Dazu käme es aber nicht, wenn das Insolvenzverfahren in Deutschland für ungültig erklärt und in Österreich neu aufgerollt würde, erklärte ein Sprecher Flöthers.
"Sollte die Beschwerde vor dem Amtsgericht Charlottenburg Erfolg haben, wäre der Verkauf von Niki an IAG im Höchstmaß gefährdet", zitiert die Nachrichtenagentur dpa den Sprecher.
Die IAG stellt 16,5 Millionen Euro der Summe als Liquiditätshilfe ab sofort für den Betrieb des Ferienfliegers bereit, dessen Flotte seit Mitte Dezember am Boden blieb. Wie lange der Konzern während des Rechtsstreits die Geduld behält, wollte ein IAG-Sprecher nicht kommentieren.
Nach Ansicht von Fairplane herrscht kein Zeitdruck, denn das Infrastrukturministerium in Wien verlängerte in dieser Woche die Betriebserlaubnis von Niki um drei Monate bis Anfang April. Ein österreichischer Konkursverwalter könnte den Kaufvertrag mit IAG übernehmen oder einen anderen Käufer finden wie den Ex-Rennfahrer und Niki-Gründer Niki-Lauda, der mit seiner Offerte bei Flöther nicht zum Zuge kam.
Für diese Farbkombination am Himmel wird es nun ganz dunkel: Am Freitagabend, den 27.10.2017, beendet die insolvente Air Berlin ihren Flugbetrieb. Die letzten Flugzeuge mit dem markanten weiß-roten Logo sollen am späten Freitagabend in Berlin und Düsseldorf eintreffen.
Die Lufthansa übernimmt einen Großteil der Air Berlin-Flugzeuge, Verhandlungen mit Easyjet und Condor laufen noch. Der Bevollmächtigte der insolventen Airline hofft, 70 bis 80 Prozent der Jobs zu erhalten. Zahlreiche Mitarbeiter müssen sich aber auf schlechtere Konditionen einstellen. Dabei begann ....
... 1978 alles hoffnungsvoll: US-Pilot Kim Lundgren (l., mit Sohn Shane) gründet Air Berlin 1978 in den USA als Charterfluggesellschaft. Hintergrund: Damals dürfen nur Flugzeuge der Siegermächte Berlin anfliegen.
Der erste Heimatflughafen von Air Berlin heißt folglich nicht Berlin, sondern Miami. Von dort gibt es mitunter auch Direktflüge in die geteilte Stadt.
Berlin steht faktisch aber im Mittelpunkt des wachsenden Netzes von Air Berlin. Der erste Flug geht nach Mallorca. Bald entwickeln sich Ziele im Mittelmeerraum zum Markenzeichen von Air Berlin.
Nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei für den Wechsel des Firmensitzes in die künftige Hauptstadt. Der spätere Vorstandsvorsitzende Joachim Hunold übernimmt die US-Gesellschaft.
Air Berlin bekommt immer größeren Hunger auf Wachstum. Im Jahr 2004 erwirbt die Airline 24 Prozent an der österreichischen Linie Niki des früheren Rennsportlern Niki Lauda. Später erhöht Air Berlin den Anteil.
Die Expansion kostet Geld. Geld, dass sich die Eigentümer an der Börse holen wollen. Im zweiten Anlauf gelingt der Sprung aufs Parkett - seit dem 11. Mai 2006 sind Anteile von Air Berlin frei handelbar.
Treibende Kraft hinter dem Wachstumswillen bleibt Vorstandschef Hunold, der noch heute im Verwaltungsrat von Air Berlin sitzt.
Hunold unternimmt zahlreiche weitere Übernahmeversuche. So schluckt Air Berlin noch 2006 Wettbewerber dba. Ein Jahr später ist die deutsche Traditionsgesellschaft LTU dran. An der Schweizer Fluggesellschaft Belair erwirbt Air Berlin im selben Jahr 49 Prozent der Anteile.
Hunold hat einen Lauf - seine Fluggesellschaft verbucht in dieser Zeit sogar Gewinne, was in der Geschichte von Air Berlin Seltenheitswert haben sollte. 2006 bleiben 40 Millionen, 2007 27 Millionen Euro übrig. Danach geht es abwärts.
Immer wieder scheitern auch geplante Akquisitionen. Die geplante Übernahme von Condor kommt nicht zustande, weil die aufziehende Finanzkrise 2008 den Markt schwächt.
Hunold holt manchen alten Weggefährten mit an Bord, um der Krise Herr zu werden - so Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn, der 2009 in den Aufsichtsrat einzieht und zwei Jahre später Übergangschef und Hunold-Nachfolger wird.
Den Kursverfall der Air-Berlin-Aktie nutzt die türkische Holding ESAS der Sabanci Holding (im Bild: Vorstand Guler Sabanci) und erwirbt 15,3 Prozent der Anteile.
Ende 2011 steigt schließlich die arabische Gesellschaft Etihad im Großen Stil bei Air Berlin ein, kauft einen 29,21-Prozent-Anteil und wird größter Eigner. Etihads Ziel: Über das Air-Berlin-Streckennetz auf dem europäischen Flugmarkt Fuß zu fassen.
Unter den neuen Machtverhältnissen steigt Wolfgang Prock-Schauer zum Chef auf und löst Mehdorn ab. Doch steckt die Gesellschaft schon mitten in einer großen Krise. Hunderte Arbeitsplätze werden abgebaut, die Mitarbeiter sollen auf 5 Prozent ihres Gehaltes verzichten.
Hinzu kommt, dass ihr geplantes Drehkreuz, der Flughafen Berlin-Brandenburg wegen Bauplanungsmängeln nicht eröffnet werden kann.
Etihad lässt sich derweil nicht von der Schwäche von Air Berlin beeindrucken. Die Tochter soll näher an andere Beteiligungen wie Alitalia heranrücken, wird zum Puzzleteil in der Strategie der Araber.
Der nächste Chef: Ab Februar 2015 soll Stefan Pichler Air Berlin für seinen arabischen Großaktionär endgültig wieder auf Linie bringen. Doch es geht immer weiter abwärts: 2014 verbucht seine Airline einen Verlust von 377 Millionen Euro - bis dato Rekord. Sein Sparprogramm begründet er seinen Leuten knapp: "Wir haben nur noch einen Schuss frei."
Den "letzten Schuss" setzte Pichler in Form einer Rettungsstrategie. Ein Bestandteil: Mehr Langstreckenflüge in die USA. Das Streckennetz in Europa sollte dagegen etwas schrumpfen. Immerhin gab es im Sommergeschäft 2015 schwarze Zahlen.
Zentraler Bestandteil für die Zukunftspläne bleibt danach allerdings der starke Partner Etihad. Doch ob er an Bord bleibt, erscheint zunehmend in der Folge zunehmend fraglich. Immerhin dürfen die Araber weiter gemeinsame Flüge mit Air Berlin unter einer Codenummer anbieten. Dennoch bleibt bis Anfang 2017 unterm Strich eine Milliarde Euro, die die Araber erfolglos in Air Berlin gesteckt haben.
Im Herbst 2016 stehen die Zeichen bereits auf Zerschlagung. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Die Kranich-Airline will 38 Flugzeuge von Air Berlin zumindest zeitweise übernehmen.
Die Zerschlagung könnte auch Folgen haben für den Ferienflieger TuiFly. Dieser kooperiert bisher mit der Air-Berlin-Tochter Niki. Diese könnten zu einer eigenständigen Ferien-Airline zusammengelegt werden.
Der Einfluss der Lufthansa auf Air Berlin wächst bereits im Dezember 2016 massiv, der von Etihad sinkt. An der Unternehmensspitze ersetzt Thomas Winkelmann den glücklosen Stefan Pichler. Zuvor hatte Winkelmann bei der Lufthansa die Tochter Eurowings neu aufgestellt.
Doch Winkelmann kann die Airline auch nicht mehr aus den Turbulenzen holen: Am 15. August 2017 meldet Air Berlin Insolvenz an. Nachdem Großaktionär Etihad eine Kredirate nicht auszahlte, sah das Management keine Perspektive für eine normale Fortführung der Geschäfte.
Frank Kebekus führt als Generalbevollmächtigter nun gemeinsam mit Winkelmann Verkaufsverhandlungen für Air Berlin. Bald ist klar: Die Lufthansa bekommt den Großteil der Flugzeuge samt Landerechte, über den Rest wird mit Bietern wie Easyjet, Condor und Niki Lauda verhandelt.
Dass sich Winkelmann auch im Insolvenzfall einen 4-Millionen-Euro-Bonus gesichert hat, sorgt im Oktober 2017 für einen öffentlichen Aufschrei. Denn eine Auffanggesellschaft für Air Berlin-Mitarbeiter -denen zu Tausenden gekündigt wird - scheint nur in einem Mini-Umfang möglich.