Munich-Re-Chef fordert drastische Verteuerung des Kohlendioxidausstoß
"Der CO2-Preis muss hoch sein"
Der Chef der Munich Re appelliert, den Preis für den Ausstoß von CO2 drastisch zu verteuern - konkret fast zu verfünffachen. Andernfalls würden sich die Folgen des Klimawandels noch dramatisch verschärfen. Die Nutzung fossiler Energie für die größten Verbraucher müsse unrentabel werden. Das werde Jobs kosten, die Politik müsse das einkalkulieren.
Unternehmen in Europa sollen für den Ausstoß von CO2 deutlich mehr zahlen, fordert der Vorstandschef der Munich Re, Joachim Wenning
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Ryanair macht deutschen Kohlemeilern Konkurrenz: Das sind die größten CO2-Dreckschleudern Europas
Die Münchener Rück spürt den Klimawandel schon lange und unmittelbar - so ließen Schäden durch den Taifun "Jebi" in Asien und Waldbrände in Kalifornien im vierten Quartal 2018 den Gewinn um mehr als die Hälfte einbrechen. Auch das erste Quartal dieses Jahres litt darunter. Stürme sind auch eine Folge des Klimawandels und nicht zuletzt aus eigenem Interesse warnt die Munich Re seit den 70er Jahren vor den Folgen dieses Wandels. Jetzt stellt Vorstandschef Joachim Wenning in einem Appell eine bemerkenswerte Forderung auf.
Im Gespräch mit der "Financial Times" (€) fordert er die Staats- und Regierungschefs in Europa auf, den Preis für den Klimakiller CO2 drastisch zu verteuern - konkret zu verfünffachen. Andernfalls liefe man Gefahr, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu verfehlen. Es sieht unter anderem den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis zum Jahr 2050 vor. Doch gilt unter Wissenschaftlern schon jetzt als sicher, die formulierten Ziele werden nicht ausreichen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu beschränken.
Setzten sich die Kohlenstoffemissionen auf dem gegenwärtigen Niveau fort, sei bis zum Ende des Jahrhunderts gar mit einem Anstieg der globalen Temperaturen um 3,5 Grad zu rechnen, warnt Wenning dem Bericht zufolge. Die durch den Klimawandel hervorgerufenen Sachschäden seien "schlimm genug". Der "extreme" CO2-Antieg aber werde erheblich mehr Menschenopfer fordern, weil ganze Küstengebiete überfluteten, während andere Regionen dauerhaft unter Dürre leiden würden.
"Die Zahl der menschlichen Opfer wird erheblich steigen":
Joachim Wenning, Chef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re
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Wenning sieht zwei Hebel, um die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energie zu beschleunigen und damit den CO2-Ausstoß zu reduzieren: Eine CO2-Steuer oder den Emissionshandel. Die Steuer ist unter den Parteien höchst umstritten, große Teile der CDU/CSU lehnen sie ab. Umgekehrt gilt der Handel mit Emissionen, den die EU 2005 als das nach eigenen Angaben zentrale Klimaschutzinstrument einführte, als zu ineffektiv:
Zum einen lässt das Instrument den Straßenverkehr und die Landwirtschaft außen vor und umfasst lediglich 45 Prozent der europäischen Treibhaugas-Emissionen. Zum anderen seien die Obergrenzen zu hoch gesetzt, was die Verschmutzungsrechte (Zertifikate) für die Unternehmen lange Zeit viel zu billig machte, um in das Sparen oder Verhindern von Emissionen zu investieren, stellte bereits das Bundesumweltministerium fest.
Die tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten bildet das System offenbar ohnehin nicht ab: Demnach verursache der Ausstoß von einer Tonne Kohlenstoffdioxid Gesundheits- und Umweltschäden in Höhe von 180 Euro, berechnete das Bundesumweltamt noch Ende vergangenen Jahres.
"Der CO2-Preis muss hoch sein", verlangt auch Wenning laut "Financial Times". Die Nutzung fossiler Energie für die größten Verbraucher wie Stahlhersteller, die chemische Industrie und den Verkehr müsste wirtschaftlich unrentabel gemacht werden.
Dem Chef der Münchener Rück schwebt dabei in Anlehnung an Schweden ein Preis von 115 Euro je Tonne Kohlendioxid vor. Zum Vergleich: Das marktbasierte europäische Handelssystem kommt derzeit auf etwa 25 Euro je ausgestoßener Tonne CO2.
Schweden gilt als Vorbild, will 2045 ein Null-Emissions-Land sein. Die Skandinavier hatten 1991 schrittweise die CO2-Steuer für Verbraucher und Wirtschaft eingeführt, was den Verbrauch von fossilen Brennstoffen erheblich verteuert. Für Schlechtverdiener gibt es einen Ausgleich.
Dass so eine Verteuerung des CO2-Ausstoßes insbesondere in kohlenstoff- und energieintensiven Unternehmen Jobs kosten dürfte oder sie gar ihre Geschäfte womöglich aufgeben müssen, ist dem Versicherungsmanager Joachim Wenning dabei durchaus bewusst. "Eine verantwortungsbewusste Regierung muss diese Auswirkungen berücksichtigen."
10 BilderRyanair macht deutschen Kohlemeilern Konkurrenz: Das sind die größten CO2-Dreckschleudern Europas
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In der polnischen Stadt Belchatow südlich von Lodz betreibt der Konzern PGE das größte Kraftwerk Europas mit 13 Blöcken, die alle mit Braunkohle befeuert werden. Wenig überraschend führt Belchatow auch im Ranking der größten CO2-Emittenten. 2018 verließen 38,3 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Gases die Schornsteine.
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Nicht weit dahinter folgt mit 32,2 Millionen Tonnen das Braunkohlekraftwerk Neurath im niederrheinischen Grevenbroich. Neben fünf alten Blöcken aus den 70er Jahren - einer davon ist schon zur Stilllegung vorgesehen, die anderen dürften nach dem Kohlekompromiss bald folgen - hat RWE noch 2012 zwei neue Blöcke mit besserem Wirkungsgrad eingeweiht. Die Emissionen nahmen hier noch deutlich zu.
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Ganz in der Nähe steht in Bergheim das ebenfalls von RWE betriebene Kraftwerk Niederaußem, mit 25,9 Millionen Tonnen CO2 auf Platz 3. Zwei alte Blöcke wurden im Oktober in Sicherheitsbereitschaft versetzt, daher gingen die Emissionen 2018 leicht zurück. Niederaußem verbraucht Braunkohle aus dem Tagebau Hambach, der mit dem Kampf von Aktivisten um ein verbliebenes Waldstück Schlagzeilen machte.
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Im brandenburgischen Jänschwalde verbrennt die LEAG, 2016 von der tschechischen EPH-Gruppe übernommen, Braunkohle aus dem Lausitzer Revier. Im vergangenen Jahr wurden dabei 22,8 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. Ende September ging ein Block vom Netz, ein weiterer soll im Oktober 2019 folgen. Für den ganzen Komplex könnte der Kohlekompromiss ein frühes Aus bedeuten.
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Das aus den 50er Jahren stammende RWE-Kraftwerk Weisweiler am Tagebau Inden in der Region Aachen verzeichnete mit minus 11 Prozent den größten Rückgang der Emissionen in Europas Top Ten - auf immer noch 16,8 Millionen Tonnen und Platz 5.
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Das Kraftwerk Schwarze Pumpe (12,4 Millionen Tonnen CO2, ein Plus von 9 Prozent im Jahresvergleich) an der brandenburg-sächsischen Grenze ist ein Neubau der 90er Jahre am Ort des alten DDR-Kombinats. Auch diese Anlage wurde 2016 vom schwedischen Vattenfall-Konzern an die tschechische EPH verkauft. Zuvor betrieb Vattenfall hier noch eine Versuchsanlage, um CO2 abzutrennen und zu speichern - eine inzwischen nicht mehr verfolgte Hoffnung, um Kohlekraftwerke klimafreundlich weiterbetreiben zu können.
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Noch etwas jünger ist das Leipziger Kraftwerk Lippendorf, das die EPH-Tochter LEAG mit Beteiligung der EnBW aus dem grün regierten Baden-Württemberg betreibt. Die verbrannte Braunkohle aus dem Mitteldeutschen Revier setzte 2018 11,7 Millionen Tonnen CO2 frei. Nach dem Plan der sächsischen Landesregierung soll es hier noch bis in die 2040er Jahre weitergehen.
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Nach so vielen deutschen rückt auf Platz 8 auch ein bulgarisches Braunkohlekraftwerk vor: Die Anlage Mariza Ost-2 des Staatskonzerns BEH, die ein Fünftel des Stroms für den Balkanstaat liefert, stieß im vergangenen Jahr 10,2 Millionen Tonnen CO2 aus.
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In der sächsischen Lausitz betreibt die LEAG das Braunkohlekraftwerk Boxberg mit zwei modernisierten Blöcken aus DDR-Zeit und zwei Neubauten (10,2 Millionen Tonnen CO2). Das Bild zeigt im Vordergrund den Findlingspark in einem rekultivierten Teil des Tagebaus Nochten. Für die Region wirft der Kohleausstieg Fragen nach der wirtschaftlichen Perspektive auf.
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Auf Platz 10 des Rankings steht erstmals ein Unternehmen, das nichts mit Kohlekraft zu tun hat: Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair verbrennt aber so viel Flugbenzin, dass dabei 9,9 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre strömten.
Nicht weit dahinter folgt mit 32,2 Millionen Tonnen das Braunkohlekraftwerk Neurath im niederrheinischen Grevenbroich. Neben fünf alten Blöcken aus den 70er Jahren - einer davon ist schon zur Stilllegung vorgesehen, die anderen dürften nach dem Kohlekompromiss bald folgen - hat RWE noch 2012 zwei neue Blöcke mit besserem Wirkungsgrad eingeweiht. Die Emissionen nahmen hier noch deutlich zu.
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Auf Platz 10 des Rankings steht erstmals ein Unternehmen, das nichts mit Kohlekraft zu tun hat: Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair verbrennt aber so viel Flugbenzin, dass dabei 9,9 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre strömten.