Wir brauchen eine neue Fehlerkultur Warum Firmen einen "Failure Friday" einführen sollten

Von Markus Pfeiffer

Niemand scheitert gern - erst recht keine Führungskraft im mittleren oder Top-Management. Aber die Angst vor dem Scheitern ist in Deutschland immer noch größer als die tatsächlichen Auswirkungen eines gescheiterten Projekts. Allein die bloße Vorstellung zu scheitern, hemmt die meisten Manager im Voranbringen von Innovationen - vor allem im Bereich der Digitalisierung.

Markus Pfeiffer
Foto: Manuel Ringlstetter

Markus Pfeiffer ist Gründer der Strategieberatung Bloom Partners. Das Unternehmen unterstützt führende Konzerne und Mittelständler bei ihrer digitalen Transformation und berät große Startups bei organisatorischen und strategischen Fragen. Er hat in mehr als 30 Ländern gearbeitet, ist erfolgreicher Business Angel, Mehrfachgründer und Lehrbeauftragter der Universität Köln.

Doch warum sind wir so übervorsichtig? Weil die Managementkultur in den meisten Unternehmen zu wenig fortschrittlich ist. Und wie können wir das endlich ändern? Indem wir das Scheitern enttabuisieren und stattdessen bewusst auf die Tagesordnung setzen.

Applaus für erkannte Fehler

Mittelständler sollten einen "Failure Friday" einführen, an dem bei einem morgendlichen Meeting oder zum Lunch die Entscheidungen der vergangenen Woche vorgestellt werden, die sich als Rohrkrepierer erwiesen haben - und die Learnings, die aus den gescheiterten Projekten abgeleitet werden können, gleich mit. Das Fazit sollte lauten: "Ich habe nicht versagt, ich habe nur etwas gewagt, das ich jetzt, da ich weiß, wo der Fehler liegt, korrigieren werde." Beifall!

Was zunächst banal wirkt, ist eine substanzielle Anregung für behäbige Entscheidungsprozesse in Deutschland. Wenn Unternehmen hierzulande nicht agiler werden, drohen viele Mittelständler erst ins Hintertreffen und dann aufs Abstellgleis zu geraten. In den USA vergehen durchschnittlich nur wenige Wochen, bis eine Digitalstrategie mitsamt der notwendigen IT-Anpassungsprozesse umgesetzt wird. In Deutschland braucht eine solche Umstellung manchmal Jahre. Zu viele Fachabteilungen prüfen zu lange die Voraussetzungen für die Umstellung, es werden zu viele bremsende Juristen beschäftigt, Compliance Fragen werden zum alles entscheidenden Kriterium gemacht. Es ist an der Zeit, umzudenken.

Zu viele Buzzwords, zu wenig Umsetzung

Die Ergebnisse unserer aktuellen Studie "Digital Agility"  zeigen, dass eine Unternehmenskultur, die offen mit Fehlern umgeht und diese als Chance zur Verbesserung sieht, mehr als 40 Prozent des Erfolgs bei der Digitalisierung ausmacht. Das mittlere Management braucht nicht mehr vor der Einführung von Neuerungen zurückzuschrecken, weil Manager wegen eines gescheiterten Projekts nicht sofort um ihre Stelle fürchten müssen.

Auch wenn sich viele Unternehmen mit scheinbar modernen Buzzword-Methoden wie "Design Thinking", "Scrum" und "Lean Startup" dem frühen Testen von Produktideen verschreiben, setzen nur wenige die kreativen Herangehensweisen konsequent um. Nicht einmal die Hälfte der deutschen Unternehmen erkennt den Wert, schnelle Umsetzungen zu fördern, weil dabei die Chance größer zu sein scheint, Fehler zu machen.

Wo Scheitern akzeptiert wird

Große internationale Konzerne wie Gore, Tata und andere nutzen ihre Fehlerkultur schon lange als Chance: Bei Gore werden Fehler explizit als Bestandteil eines kreativen Prozesses gesehen und schon mal mit einem Bier zelebriert. Tata fördert gezielt Manager, die in der Ideenentwicklung auch bereit sind, das Leid des Scheiterns zu durchleben.

In der Startup-Szene werden Misserfolge sowieso gefeiert. Man trifft sich zu sogenannten "Fuck-Up-" und "Fail Nights", berichtet über seine Learnings und Fehler, tauscht sich auf Foren und Events aus. Natürlich gilt bei solchen Veranstaltungen ein Ehrenkodex: "What happens in Vegas, stays in Vegas". Das ermöglicht einen offenen Austausch über typische Fehler, verbreitete Probleme, Dinge die funktionieren und überflüssige Tools, die nur Geld verschwenden.

So schaffen Unternehmen das Umdenken

Um in der eigenen Organisation die Fehlerkultur zu verändern, gilt es, einige zentrale Erfolgsfaktoren zu beachten:

1. Agile Strategien: Ohne eine klare Vision geht es nicht, doch strategische Planungen sind heute oft mehr Korsett denn Richtungsgeber. Auch Strategien müssen agiler werden, Produkte kontinuierlich angepasst, aus Fehlern muss gelernt und der ursprüngliche Plan immer wieder neu ausrichtet werden.

2. Vorleben durch gute Führung: Weg von Heldentum, hin zu echter Mitarbeiterbeteiligung und Mut zum Neudenken: Über die Hälfte der Digital Leader (gut aufgestellte Unternehmen) in unserer Studie hatten zuvor ihren Führungsstil radikal verändert.

3. Definition der Fehlerkultur: Dazu gehört vor allem die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Fehlerarten: Fehler durch bewusste Experimente (Projekten mit hohem Risiko), Prozessfehler und Fehler durch Inkompetenz oder Ressourcenmangel.

4. Veröffentlichen von MVPs (minimal viable product): Scheitern bringt einen nur dann weiter, wenn die falsche Herangehensweise früh genug erkannt wird, um schnell justieren zu können. Die Erstellung eines Produkts, das zunächst nur mit den nötigsten Funktionen ausgestattet ist, zügig zu veröffentlichen, um schnell ein erstes Feedback des Kunden einzuholen, ist eine ratsame Herangehensweise, die von vornherein viel Zeit sparen kann.

5. Schnelle Umsetzung notwendiger Anpassungen: Dort, wo man scheitert, müssen die Gründe und Learnings schnell umgesetzt, intern kommuniziert und manchmal eben auch gefeiert werden.

6. Klare Ziele definieren: Mit dem Ziel vor Augen kann früh abgeschätzt werden, ob eine Strategie aufgeht oder nicht. Dazu gehört die ständige Selbstprüfung, ein regelmäßiger Kontakt zum Kunden und ehrliches Real-Time-Feedback für die ausführenden Mitarbeiter.

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