

Hamburg - 15 Minuten, das Versprechen erinnert ein wenig an die berühmteste Rede Edmund Stoibers. Doch während der damalige bayerische Ministerpräsident vor zwölf Jahren nur Hauptbahnhof und Flughafen von München per Magnetschwebebahn verbinden wollte, kündigt "Northeast Maglev" in wenig mehr Zeit gleich das Schweben zwischen Washington und Baltimore mit Zwischenhalt am gemeinsamen Flughafen der beiden Städte an.
Das ist das Nahziel, für das die Firma jetzt offensiv wirbt. Später soll die Strecke nach New York (Fahrzeit von Washington: eine Stunde) und Boston verlängert werden. Für den ersten Abschnitt, größtenteils im Tunnel unter dem fast zu einer einzigen Megastadt zusammengewachsenen Ballungsraum, soll laut Bloomberg im kommenden Jahr ein Bundeszuschuss beantragt werden.
Während die staatseigene Bahngesellschaft Amtrak für den dringend nötigen Ausbau der maroden Gleise auf ihrer meistbefahrenen Strecke 151 Milliarden Dollar veranschlagt, kann die Privatfirma Northeast Maglev die strapazierten öffentlichen Kassen in Washington schonen. Denn privates Risikokapital fließt schon jetzt angesichts der Hoffnung auf eine Alternative zu den überlasteten Straßen-, Schienen- und Luftwegen in der Region. Zu den Unterstützern zählt Kevin Plank, Gründer des Sportartiklers Under Armour.
Vor allem aber zahlt ausgerechnet das noch viel höher als die USA verschuldete Japan gern. Premierminister Shinzo Abe hat bereits Finanzhilfe von fünf Milliarden Dollar für den auf rund zehn Milliarden geschätzten ersten Bauabschnitt zugesagt - in der Form eines Darlehens der japanischen Entwicklungsbank sowie des Verzichts auf Lizenzgebühren für die Nutzung japanischer Technik.
Japan legt schon mit einer 300-Kilometer-Strecke los
In der Heimat soll noch im Oktober der Bau der weltweit ersten Langstreckenmagnetbahn beginnen. Im Jahr 2027, so der Plan, lassen sich die knapp 300 Kilometer zwischen Tokio und Nagoya in 40 Minuten schwebend zurücklegen. In der zweiten Stufe soll der Zug bis nach Osaka sausen.
Dass die Bahngesellschaft JR Central ein solches Mammutprojekt in der Heimat trotz Zweifeln an der Rentabilität durchzieht, erscheint noch logisch als Konjunkturimpuls für die japanische Wirtschaft. Der Zuschuss für Amerika dagegen ist vor allem prestigeträchtig - und verbunden mit der fernen Hoffnung auf internationalen Export der Technik.
So wurde einst auch das deutsche Konkurrenzprodukt Transrapid von Siemens und ThyssenKrupp beworben. Doch außer einem Flughafenzubringer in Shanghai wurde bislang nichts daraus. Gerade auf der jetzt avisierten Strecke im Nordosten der USA hatte sich bis 2012 auch eine Gruppe für den Transrapid - mit oberirdischer Streckenführung - stark gemacht, war aber an lokalen Widerständen und dem Mangel an staatlichen Zuschüssen gescheitert.
Jetzt pilgern hochrangige US-Politiker zur japanischen Versuchsstrecke, die bereits als Teil der künftigen Hauptroute geplant ist, und lassen sich bei Tempo 585 beeindrucken. Im Vergleich dazu sei der aktuell zwischen Washington und Boston verkehrende Schnellzug Acela "beschämend", zitiert die "New York Times" Christine Todd Whitman, die Ex-Gouverneurin von New Jersey und eine der Beiräte von Northeast Maglev.
In der Branche wurden schon viele derartige Projekte erst hochgejubelt und dann wieder begraben. Den Unterschied benennt James RePass von der National Corridors Initiative gegenüber der "Times": "Dieses hier hat Geld."
So sieht der Zug der Zukunft aus. Zumindest in Japan. Für die Magnetschwebebahn des Chuo-Shinkansen mit einer Regelgeschwindigkeit von 500 km/h zwischen Tokio und Nagoya wurde im Oktober 2014 die Baugenehmigung erteilt. Die Bahngesellschaft JR Central plant mit Kosten von neun Billionen Yen (66 Milliarden Euro).
Dabei setzen die Japaner schon in der herkömmlichen Rad-Schiene-Technik Maßstäbe. Die aerodynamische Schnabelform ist vom Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen bekannt, der in der aktuellen Generation regelmäßig 320 km/h fährt und Japans Großstädte als Hauptverkehrsmittel des Landes in dichtem Takt verbindet.
Entlastung könnte der Nordosten der USA gut vertragen. Die Highways wie hier bei Washington sind in dem Ballungsraum mit 50 Millionen Einwohnern notorisch verstopft. Viele Möglichkeiten zum Ausbau bleiben nicht - zumal dem US-Highwayfonds die Mittel ausgehen.
Selbst in der Luft kommt es zu Staus, wie die Übersicht der Flugsicherungsbehörde FAA zeigt. An den Flughäfen des Nordostens sind Ausfälle und Verspätungen an der Tagesordnung.
Ohne die Bahn ginge selbst im Autofahrerland USA nicht mehr viel. Der Acela Express ist seit 2000 immerhin der einzige Hochgeschwindigkeitszug des Landes, auch wenn knapp sieben Stunden Reisezeit für die 735 Kilometer von Boston nach Washington kaum internationalem Standard für Hochgeschwindigkeit genügen. Die Bahngesellschaft Amtrak will für 151 Milliarden Dollar die Gleise modernisieren. Vorteil: Auch der lokale Pendlerverkehr würde beschleunigt. Nachteil: An Magnetbahntempo reicht die Bahn niemals heran, und Zuschüsse aus Japan gibt es dafür auch nicht.
Magnetbahnprojekte werden in den USA immer wieder diskutiert und auch konkret geplant. Am aussichtsreichsten erschien lange eine Verbindung zwischen Las Vegas und Los Angeles auf kaum besiedelter Strecke. Doch selbst dort gab es Widerstand, vor allem wegen der Kosten. Weitgehend zerschlagen hat sich die Hoffnung auf Export für den deutschen...
...Transrapid: Mit der Technik (hier die inzwischen aufgegebene 30 Kilometer lange Versuchsstrecke im Emsland) waren die Hersteller Siemens und ThyssenKrupp früh dran. Für den kommerziellen Erfolg reichte es nicht, da selbst im Inland keines der vorgeschlagenen Megaprojekte verwirklicht wurde. Nur ein Prestigesieg bleibt.
Im chinesischen Shanghai pendelt seit 2002 ein Transrapid zwischen dem Flughafen und dem Stadtteil Pudong. Die Anlage sollte die Grundlage für ein landesweites Magnetschwebebahnnetz bilden. Doch für die Langstrecke entschieden sich die Chinesen stattdessen für das erprobte Rad-Schiene-Konzept und schufen binnen weniger Jahre das weltgrößte Hochgeschwindigkeitsnetz.
Die Lösung der Verkehrsprobleme in den USA soll nun aus Japan kommen. Premier Shinzo Abe hat bereits fünf Milliarden Dollar Finanzhilfe für den ersten Bauabschnitt einer Magnetbahn nach Shinkansen-Vorbild zwischen Washington und Baltimore zugesagt - die Hälfte der veranschlagten Baukosten. Wenn die Regierung von Barack Obama auch noch einen Zuschuss bewilligt, sollte das private Kapital zusammenkommen. Um Proteste der Anwohner zu vermeiden, wird eine teure überwiegend unterirdische Streckenführung angepeilt - auf derselben Route, wo zuvor eine Transrapid-Initiative scheiterte.