Ex-Telekom-Chef: René Obermann hat erst seit ein paar Wochen das Sagen bei Ziggo
Foto: DPAUtrecht - Zum Jahresanfang hat René Obermann einen für einen Topmanager ungewöhnlichen Schritt gewagt: Er räumte den Chefsessel bei der Deutschen Telekom und wechselte an die Spitze des vergleichsweise unbedeutenden niederländischen Kabelnetzbetreibers Ziggo. Er wolle noch einmal "näher an den Maschinenraum", sagte der 50-Jährige. Doch nur wenige Wochen später ist der Traum ausgeträumt. Obermann wird das Unternehmen wohl nach nur wenigen Monaten wieder verlassen.
Denn nicht nur Obermann fand den wachstumsstarken niederländischen Konzern attraktiv, sondern auch der US-Kabelgigant und Ziggo-Großaktionär Liberty Global Global. Er will den holländischen Wettbewerber komplett schlucken und ist bereit, dafür knapp sieben Milliarden Euro an die anderen Aktionäre zu zahlen. Pro Ziggo-Aktie bietet Liberty einen Gegenwert von 34,53 Euro in bar und eigenen Aktien. Der US-Konzern kaufte bereits im vergangenen Jahr einen Anteil von 28,5 Prozent an Ziggo zusammen. Gemeinsam wollen Liberty Global und Ziggo mehr als 90 Prozent aller niederländischen Haushalte erreichen.
Am Montag empfahl die Ziggo-Führungsspitze den Aktionären einstimmig, das Angebot anzunehmen. Auch Obermann plädierte dafür. Doch gleichzeitig machte er klar, dass er nach der Übernahme nicht an Bord bleiben werde. Künftig als Regionalchef eines US-Konzerns und früheren Telekom-Rivalen zu arbeiten, dass passt wohl nicht in die Zukunftsplanung Obermanns. Denn der Manager hat bisher fast sein gesamtes Berufsleben auf der Überholspur verbracht.
Schon im Alter von 43 Jahren übernahm er den Chefsessel bei Deutschlands größtem Telekommunikationskonzern. Der Posten galt damals als einer der schwierigsten Jobs in der deutschen Wirtschaft. Sieben Jahre kämpfte Obermann darum, den nur schwer manövrierbaren Supertanker Telekom auf neuen Kurs zu bringen. "Eigentlich war immer irgendwo Alarm", sagte er auf seiner letzten Hauptversammlung.
Eigentlich hatte Obermann fast alles erreicht, wovon ein Topmanager träumen kann: Er lenkte einen der größten deutschen Dax-Konzerne, verdiente Millionen. Und die Ehe mit der ZDF-Moderatorin Maybrit Illner brachte zusätzlichen Glamour. Und dann wollte er noch einmal etwas ganz anders machen. Schließlich ist Obermann kein "typisches Konzerngewächs".
Bereits vor seiner Blitzkarriere bei der Telekom hatte er 1986 eine kleine Firma gegründet und sie zu einem mittelständischen Unternehmen mit mehreren hundert Angestellten entwickelt. Er kündigte seinen vorzeitigen Abschied bei der Telekom an. Er wolle wieder stärker unternehmerisch geprägte Aufgaben übernehmen, betonte Obermann damals und befand: "Ziggo passt daher perfekt."
Um die Zukunft Obermanns muss man sich keine Sorgen machen. Nach seinem Vertrag steht Obermann bei einer Trennung wegen Eigentümerwechsels eine Abfindung zu. Sie dürfte nicht unbeträchtlich sein. Denn Obermann hatte als Ziggo-Chef nicht nur Anspruch auf ein Festgehalt von 750.000 Euro, sondern konnte auch mit Bonuszahlungen in Millionenhöhe rechnen.
Wahrscheinlich wird man den Manager in nicht allzu langer Zeit in einer verantwortungsvollen Position bei einem anderen Konzern sehen. Der Abschied von Ziggo sei "kein Karrierebruch", meint Wolfram Tröger vom Bundesverband der Unternehmensberater (BDU). Im Hintergrund laufe die Suche nach einer neuen Aufgabe für Obermann sicher bereits auf Hochtouren. Allerdings könne dies ein bischen dauern. "Solche Positionen wachsen schließlich nicht auf den Bäumen." Außerdem werde Obermann seinen nächsten Schritt nach der Erfahrung bei Ziggo sicher "sehr genau prüfen", glaubt der Headhunter.
Größter Börsengang der Geschichte, größter Anlegerprozess, größte Hassliebe - die Deutschen verbindet viel mit der Telekom. Zum Jahresende tritt dort ein neuer Vorstandsvoritzender an, das manager magazin widmet seine Titelgeschichte, "Tims Telekom", den Plänen von Timotheus Höttges. Ein Überblick über die Ambitionen seiner Vorgänger - und woran sie scheiterten.
Es ist der 1. Januar 1995, als die Deutsche Telekom AG in ihrer jetzigen Form entsteht. Die Behörde Deutsche Bundespost Telekom wurde zuvor aufgespalten, alleiniger Aktionär ist zunächst der Bund. Am 16. Mai tritt auch ein neuer Vorstandschef in Bonn bei der Telekom an: Ron Sommer.
Mit Sommer an der Vorstandsspitze beginnt eine Ära, in der es für die Telekom immer nur nach oben geht - zunächst. Der charismatische Manager bringt die Telekom schon im Jahr darauf mit pompösem Marketing an die Börse. Das Ziel: Die Aktien-muffligen Bundesbürger sollen zu begeisterten Anteilseignern erzogen werden. Mit Erfolg, wie es scheint: "Es ist uns mit unserem Marketing rund um die T-Aktie gelungen, ein regelrechtes Aktienfieber in Deutschland auszulösen. Ich bin stolz darauf, daß wir die Aktie aus ihrer elitären Nische befreit haben", jubelt Sommer bei der Erstemission im November 1996. Der Ausgabepreis liegt bei 28,50 DM je Aktie.
Deutschland ist fortan im Telekom-Fieber, Gerhard Schröder (links), Ministerpräsident von Niedersachsen, (hier auf der Cebit 1997), ist da keine Ausnahme. Weitere Tranchen werden an der Börse platziert, die zweite im Juni 1999 zum Stückpreis von 39,50 Euro. Am 6. März 2000 erreicht die Telekom-Aktie ihren Höchststand mit 103,50 Euro, die New Economy läßt grüßen. Im Juni 2000 werden erneut Telekom-Aktien platziert, diesmal sind Käufer mit 66,50 Euro dabei. Doch schon am ersten Handelstag sinkt der Kurs - ein böses Omen.
Sommer lässt sich indes nicht beirren, bei seinem Drang, die Telekom - und sich selbst - ganz groß rauszubringen. Das Unternehmen hat er inzwischen in vier Sparten aufgeteilt, T-Com, T-Mobile, T-Online und T-Systems. Jede soll separat an die Börse, nur T-Online schafft es im April 2000 tatsächlich bis auf's Parkett. Dann greift Sommer in den USA zu. 2001 besiegelt er den Kauf des Mobilfunkers Voicestream (hier mit dessen CEO Jon Stanton). Obwohl Voicestream noch im Stadium eines Startups wirtschaftet, legt Sommer dafür 39 Milliarden Dollar hin. Der Deal hat fatale Folgen ...
... für die Telekom wie für Ron Sommer. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase stürzt auch das Telekom-Papier ab, die Fantasie ist verpufft, der Frust enorm. Was bleibt, sind horrende Schulden. Im Juli 2002 tritt Sommer auf Druck des Bundes zurück. Interimistisch übernimmt Helmut Sihler - und kündigt gleich einen rigiden Sparkurs an.
Im November 2002 übernimmt Kai-Uwe Ricke. Er ist der Sohn von Helmut Ricke, der die Behörde leitete, bevor sie privatisiert wurde. Mit dem Filius beginnt endgültig die Zeit des Kürzertretens in Bonn: Personal wird abgebaut, Schulden reduziert, T-Online wieder zurückintegriert. Letzteres hat eine nervenaufreibende Aktionärsklage zu Folge, die die Telekom am Ende zwar gewinnen wird. Ricke selbst aber muss wegen mangelndem Erfolg - die Telekom geht im Kampf um DSL-Kunden gegen die Konkurrenz unter - gehen.
Der Neue an der Spitze ist René Obermann, bis dato ein Vertrauter Rickes und Chef von T-Mobile. Er soll, so wünschen es die Anteilseigner, fortan härter durchgreifen.
Und Obermann liefert. Eine der ersten Amtshandlungen Obermanns: Er gliedert 50.000 Beschäftigte in eigene Service-Gesellschaften aus. Es kommt daraufhin zum größten Streik der Konzerngeschichte, Obermann hat prompt einen neuen Spitznamen weg: Dobermann.
Der Neue stellt weitere wichtige Weichen: Er führt eine neue Billigmarke, Congstar, ein und legt die verfeindeten Bastionen "Festnetz" und "Mobilfunk" zusammen. Die Deutsche Telekom wird 2007 zudem exklusiver Partner von Apple in Deutschland. Wer das neue Wunder-Handy iPhone, das Obermann gemeinsam mit dem (inzwischen verstorbenen) Apple-Gründer Steve Jobs in Berlin vorstellt, haben will, bekommt es in den ersten drei Jahren nur im T-Shop.
Das Jahr 2008 ist für die Telekom ein ganz besonders schwarzes. Ein monströser Bespitzelungs-Skandal ist aufgeflogen, die Telekom hatte Journalisten und Aufsichtsräte ausgespäht und dafür deren Verbindungsdaten ausgewertet. Obermann selbst trifft zwar keine Schuld, die Spitzelaktion stammt aus der Zeit seines Vorgängers. Er muss trotzdem, wie hier auf einer Pressekonferenz, Rede und Antwort stehen. Schließlich verliert die Telekom auch bei den Kunden Vertrauen: 17 Millionen Handydaten sind in die Hände dubioser Händler geraten, Obermann kündigt Besserung beim Datenschutz an.
Ron Sommer holt die Vergangenheit ein. 2008 beginnt der größte Anlegerprozess der Geschichte in Deutschland. Enttäuschte Aktionäre haben gegen angeblich falsche Angaben im Börsenprospekt der Telekom geklagt, Sommer muss als Zeuge vor Gericht. Es geht - um was sonst - um die umstrittene Voicestream-Übernahme. Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt später keinen Prospektfehler fest, das Verfahren ist aber bis heute noch vor dem Bundegerichtshof anhängig.
Immer an Obermanns Seite über die Jahre in Bonn: Timotheus Höttges (rechts). Höttges fängt 2000 bei der T-Mobile GmbH an. Nachdem Obermann Chef in Bonn wird, macht er Höttges zum Festnetz-Verantwortlichen im Vorstand. Höttges bewährt sich und erobert die Marktführereschaft im Neugeschäft für DSL-Kunden zurück. Die beiden Manager sind privat befreundet, haben ihre Häuser auf zwei benachbarten Grundstücken in Bad Godesberg gebaut. Anfang 2009 wird Höttges schließlich Finanzvorstand.
Zuletzt beschäftigt Obermann vor allem ein Thema: Das Abenteuer USA. 2011 versucht er das Geschäft an den US-Konzern AT&T für 39 Milliarden US-Dollar loszuschlagen, doch die Kartellbehörden verhindern den Deal. Dann wird T-Mobile US mit dem kleineren Konkurrenten Metro-PCS vermählt. Architekt der Deals im Hintergrund ist da schon Höttges, Obermann verliert den Elan. Im Dezember 2012 verkündet er schließlich sein vorzeitiges Aus bei der Telekom. Er wolle wieder näher an den Maschinen-Raum, lautet die Begründung. Gefunden hat er diesen in den Niederlanden, wo er 2014 als CEO des Kableunternehmens Ziggo anfangen will.
Jetzt soll Höttges die Telekom in die Zukunft führen. Er tritt zum Jahresende und in bewegten Zeiten an. Ausländische Konkurrenten mit gut gefüllten Kriegskassen drängen nach Europa, die niederländische KPN wurde bereits das erste Opfer. Der Telekom soll es anders ergehen. Höttges will, dass sie die sich abzeichnende Konsolidierung anführt. Die Zeit läuft.
Größter Börsengang der Geschichte, größter Anlegerprozess, größte Hassliebe - die Deutschen verbindet viel mit der Telekom. Zum Jahresende tritt dort ein neuer Vorstandsvoritzender an, das manager magazin widmet seine Titelgeschichte, "Tims Telekom", den Plänen von Timotheus Höttges. Ein Überblick über die Ambitionen seiner Vorgänger - und woran sie scheiterten.
Foto: Oliver Berg/ picture alliance / dpaIm November 2002 übernimmt Kai-Uwe Ricke. Er ist der Sohn von Helmut Ricke, der die Behörde leitete, bevor sie privatisiert wurde. Mit dem Filius beginnt endgültig die Zeit des Kürzertretens in Bonn: Personal wird abgebaut, Schulden reduziert, T-Online wieder zurückintegriert. Letzteres hat eine nervenaufreibende Aktionärsklage zu Folge, die die Telekom am Ende zwar gewinnen wird. Ricke selbst aber muss wegen mangelndem Erfolg - die Telekom geht im Kampf um DSL-Kunden gegen die Konkurrenz unter - gehen.
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