Rummenigge und Watzke über den Fußball von morgen "Die Macht im Fußball verschiebt sich, die Fifa muss aufpassen"

Karl-Heinz Rummenigge (li) und Hans-Joachim Watzke (re): "Die Fifa muss aufpassen"
Foto: Bongarts/Getty Images
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Gleich 48 Mannschaften werden bei der Fußball-WM in Katar bei Gluthitze um den Titel streiten. Die WM gilt als Paradebeispiel, dass der Weltfußballverband Fifa auf die Interessen der europäischen Spitzenclubs wenig Rücksicht nimmt. Die beiden mächtigsten Clubvertreter Deutschlands, Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke, legten bei Europas größtem Sportbusiness-Kongress Spobis am Montag in Düsseldorf deswegen deutliche Kritik an den Tag: Das Machtgefüge im europäischen Fußball sei in Bewegung geraten - und auch die Fifa müsse auf diese Veränderungen reagieren.
"Die Topclubs in Europa haben derzeit alle das Gefühl, von der Fifa nicht ernst genug genommen zu werden", sagte Watzke. Der Verband dürfe die Toleranzschwelle der Clubs nicht überschreiten, wenn die Fifa keinen Bruch mit den Vereinen riskieren wolle. "An einem solchen Bruch hat niemand Interesse, weder die Fifa noch die Vereine", ergänzte Watzke. Dennoch müsse der Verband, der mehr als 100 nationale Verbände vertritt, sich wieder mehr um den Fußball und die Qualität der Spiele kümmern: "Wenn der Fan in Europa den Daumen senkt, haben wir alle ein Problem", so Rummenigge.
Die Vereine seien per Satzung verpflichtet, ihre Spieler für Länderspiele abzustellen. "Spieler aus Protest nicht abzustellen, würde das System sprengen. Das will niemand", sagte Watzke.
Dennoch müsse der Verband künftig mehr auf Qualität der Begegnungen und weniger auf Quantität setzen, sind sich Rummenigge und Watzke einig. "Bei einem Länderspiel Deutschland gegen San Marino schläftst du in Minute 15 auf dem Sofa nach einem harten Tag schon mal ein", sagte Watzke. "Nur Kalle und ich bleiben wach und hoffen, dass sich niemand unserer Spieler bei so einem Spiel verletzt."
Weniger Spiele, mehr Pausen für die Spieler: Der europäische Fußballverband Uefa bringe für die Bedürfnisse der Topclubs schon deutlich mehr Verständnis auf, weil sie für eine attraktive Champions League die Clubs braucht. "Die Fifa denkt und funktioniert anders - da konkurrieren eher die einzelnen Nationalverbände und Kontinente innerhalb der Fifa", so Rummenigge.
Europas Topclubs bleiben die wirtschaftliche Basis des Profi-Fußball

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Dennoch seien die europäischen Topclubs die wirtschaftlich treibende Kraft, an dieser Erkenntnis komme auch die Fifa nicht vorbei. "Der europäische Fußball zieht alles mit und darf sich von den anderen Nationalverbänden nicht auf der Nase herumtanzen lassen", ergänzt Watzke.
Als Problem sieht Bayern-Boss Rummenigge, dass die Fifa weiterhin die Hoheit über den Fußballkalender habe. "Ich hatte früher etwa acht Länderspiele im Jahr - ein Nationalspieler muss heute rund 15 Länderspiele absolvieren", kritisiert Rummenigge. Die Vereine hätten bereits reagiert und die Spielzahl in der Champions League deutlich reduziert - mit dem Ergebnis, dass die Fifa in die Lücke gesprungen sei und die Zahl der Nationalspiele erhöht habe. "Das ist ärgerlich. Die Fifa muss auch Rücksicht auf die Gesundheit der Spieler nehmen, die von den Clubs sehr gut bezahlt werden", sagt Rummenigge.
Die beiden Clubchef gaben sich bei der Podiumsdiskussion in Düsseldorf zuversichtlich, dass eine solche Entschleunigung gelingt und die Stimme der Clubs künftig stärker gehört wird. Der aktuelle Wirbel um die chinesische Fußballliga und die dort gezahlten extrem hohen Spielergehälter seien jedoch kein Grund, um die europäische Liga zu fürchten.
"Wir müssen den Fußball-Kalender neu aufbauen"

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"Ein Spieler wie Ronaldo verdient auch in Madrid genug Geld. Er könnte in China wahrscheinlich mehr verdienen, aber er will andererseits weiterhin noch auf höchstem Niveau Fußball spielen. Deshalb dürfte er hierbleiben", sagte Rummenigge. Auch nach Ansicht von Watzke sei China derzeit eher verlockend für diejenigen Spieler, "die dem Abendrot ihrer aktiven Karriere entgegenreiten."
Der chinesische Markt mit rund 1,5 Milliarden Menschen ist dennoch auch für die europäischen Topclubs aus Vermarktungsgründen sehr interessant - der FC Bayern wird in diesem Jahr zum dritten Mal nach China reisen und an dieser internationalen Marketingstrategie festhalten.
"Wir müssen extrem stolze Gehälter an die Spieler zahlen, da unsere Freunde in England die Preise in die Höhe treiben", sagte Rummenigge. "Irgendwo muss das Geld herkommen - wenn es in Deutschland nicht so hohe Erlöse aus den TV-Rechten gibt, dann muss es von Sponsoren kommen." Einen europäischen Topclub erfolgreich zu führen, sei auch möglich, wenn die Zahl der angesetzten Spiele verringert werde. "Wir müssen den Fußball-Kalender neu aufbauen".