

Es sind ereignisreiche Zeiten im Reich der deutschen Milliardärsfamilie Reimann. Gerade erst verkündete deren Holding JAB, ihre Beteiligung an dem Parfum- und Kosmetikhersteller Coty aufstocken zu wollen und dafür bis zu 1,75 Milliarden Dollar zu investieren. Dann folgte die Ankündigung, beträchtliche Teile des Kaffeegeschäftes an die Börse zu bringen. Am Montag dann schon wieder eine neue Ankündigung: Die Holding steigt - sowohl mit eigenem Geld als auch mit dem mit externem Kapital ausgestatteten Consumer Funds - mehrheitlich bei der US-amerikanischen Tierklinikkette Compassion First ein.
Welchen Anteil JAB genau vom Finanzinvestor Quad-C Management erwirbt und wie viel sich die Holding das Investment kosten lässt, kommunizierten die Beteiligten nicht. JAB verkündete lediglich die Bewertung des Unternehmens: Sie liegt bei 1,215 Milliarden Dollar. Gründer und CEO John Payne - ehemaliger Chef von Bayer Animal Health in Nordamerika - und einzelne Veterinärdienstleister sollen beteiligt bleiben.
Für die Reimanns und deren Holding JAB ist der Tierklinik-Einstieg ein völlig neues Segment, neben dem Kaffee-, Getränke- und Kosmetikgeschäft, in das JAB zuletzt viele Milliarden investiert hatte. Seine früheren Investments im Luxusbereich hatte die Holding bereits nach und nach abgestoßen.
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Für das Management ist das Geschäft mit Tieren indes nichts völlig Neues. So haben eine ganze Reihe von JAB-Managern früher bei Mars gearbeitet, einem Unternehmen mit umfangreicher Erfahrung im Tierbereich: zum einen über Tierfutter wie Pedigree, Whiskas oder Royal Canin. Zum anderen machen Tierkliniken wie Banfiled, Blue Pearl, Pet Partners und VCA Mars nach eigenen Angaben zum größten Veterinärunternehmung in Nordamerika. In Europa kaufte der Konzern zuletzt die Tierklinikkette Anicura.
Und auch auf seinen Kaffee-Konkurrenten Nestlè stößt JAB im Tiergeschäft. Marken wie Purina, Felix und Friskies machten im vergangenen Jahr fast 15 Prozent des Umsatzes der Schweizer von fast 90 Milliarden Dollar aus.
Entsprechend erwarten Beobachter, dass der Einstieg bei Compassion First nur der erste Baustein für den Aufbau eines neuen Tiersegments darstellen könnte. Compassion First betreibt aktuell ein Netzwerk aus 41 Tierkliniken und Einrichtungen in 13 US-Bundesstaaten, darunter eine am New Yorker Flughafen JFK.
So bewertete die Ratingagentur Moody's JABs Einstieg ins Veterinärgeschäft als Diversifikation in ein sehr schnell wachsendes und großes Geschäftsfeld, in dem sich JAB ein sehr attraktives Sub-Segment herausgesucht habe.
So wächst der Tierpflegemarkt den Angaben zufolge jährlich um 4 bis 5 Prozent und ist zudem deutlich weniger reguliert als andere Segmente des Gesundheitsbereiches.
Zwar gibt es - auch hierzulande - Tierärzte, die mit ihren Diensten alles andere als einen Reibach machen. Den Dienstleistungen und damit auch den Einnahmen von Privatkliniken und Privatärzten hingegen kaum Grenzen gesetzt. Wovon nun auch große Konzerne profitieren wollen. So entwickelt Mars aktuell beispielsweise einen Gen-Test für Hunde.
Inwieweit sich der Zukauf künftig auf JABs unter Druck geratenes Rating auswirken wird, ist noch unklar. Die JAB-Chefs dürfen nur so lange eigenständig walten, wie sie das Kreditrisiko auf Investmentgrad halten.
Bart Becht: Nach dem Debakel beim Parfümhersteller Coty, das schon den Abgang Bechts als Coty-Aufsichtsratschef zur Folge hatte, tritt der 62-Jährige nun auch den Rückzug aus der JAB Holding an. Wie die Holding des Reimann-Clans mitteilte, legt Becht mit sofortiger Wirkung seine Chairman-Posten in den Unternehmen der Holding nieder und will sich noch im laufenden Jahr auch als Senior Partner aus dem dreiköpfigen Führungsgremium von JAB zurückziehen. Wie genau das Ausscheiden vollzogen werden soll, ob der gebürtige Niederländer sein in die Holding investiertes Kapital bei seinem Abschied mitnimmt oder ganz oder teilweise investiert bleibt, wurde nicht kommuniziert. Becht kündigte lediglich an, nach 40 Jahren im Marken-Konsumgütergeschäft seine Aktivitäten refokussieren und sich zur Ruhe setzen zu wollen. Mit dem Ausscheiden Bechts wird JAB - falls es keine weiteren Änderungen gibt - dann künftig nur noch von zwei Senior-Partnern geführt.
Einer der verbleibenden Senior-Partner ist der 72-jährige Peter Harf. Nominell als Senior Partner auf gleicher Stufe mit seinen Kollegen ist der Manager, der schon lange mit der Familie verbunden ist, nach wie vor der mächtigste Mann an der JAB-Spitze. Harf hat angesichts der Probleme bei Coty, die nun durch neues Personal und eine neue Strategie überwunden werden sollen, zuletzt sogar noch mehr Macht im Reimann-Reich gewonnen. Ende des Jahres übernahm er von Becht den Aufsichtsratsposten in einem der wichtigsten JAB-Investments, dem Parfümhersteller Coty.
Sein Kollege Olivier Goudet, zusammen mit Harf einer der beiden verbliebenen Senior Partner an der Spitze von JAB, ist innerhalb des Gremiums für die Deals zuständig. Der 54-Jährige war es nach den Worten von Peter Harf auch, der dem Reimann-Clan das Investment ins Kaffeegeschäft antrug. Ein Engagement, das die Familienholding seither massiv ausgebaut hat. Wie Harf und die anderen Partner ist auch der Franzose und ehemalige Mars-Manager mit seinem eigenen Vermögen an JAB beteiligt, wovon sich der deutsche Milliardärsclan clevere Managemententscheidungen erhofft.
Aus Brasilien stößt Ricardo Rittes de Oliveira Silva Paiva als Partner zur JAB Holding dazu. Der Finanzexperte, der seine Karriere nach einer frühen Station bei Advent in weiten Teilen beim Bierriesen AB InBev verbrachte, ist große Deals gewohnt. Und er ist als Finanzverantwortlicher großer Brauereibeteiligungen zudem geübt darin, milliardenschwere Finanzierungen zu organisieren. Wie JAB mitteilte, soll Rittes die Expansion in die Emerging Markets verantworten und für JAB ein Büro in Sao Paulo aufmachen.
Ein weiterer Neuzugang bei JAB kommt mit Jacek Szarzynski aus Polen. Nach einer 24-jährigen Karriere bei Mars soll Szarzynski bei JAB als Lead Operating Partner die Verantwortung für die neue Pret-Panera-Holding übernehmen. Darin hat JAB sein erst kürzlich zugekauftes Geschäft der Ketten Pret-a-manger und Panera Bread eingebracht.
Mit dem ehemaligen Mars- und Jacobs-Douwe Egberts-Manager Fabien Simon stößt nun ein weiterer Franzose und Kenner des Kaffeegeschäfts in höhere Gefilde bei der Reimann-Holding vor. Simon, der für die Zukaufsstrategie bei der Kaffeebeteiligung der Reimanns zuständig war und die Integration von Mondelez und Douwe Egberts zu JDE mit vorantrieb, soll als CFO und Partner künftig die Finanzen der JAB Holding verantworten.