Sport-Business Fußball-Boom - wo sind die Wachstumstreiber der Zukunft?

Mia san reich: Meisterfeier des FCB
Foto: imago/DeFodiDie Fußballbranche blickt auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Seit über einer Dekade zeigen alle wesentlichen Schlüsselindikatoren wie Zuschauerzahlen, Transfersummen, Mediengelder, Sponsoring- und Merchandisingerträge steil nach oben. Ein Ende ist bislang nicht in Sicht. Allein die Bundesliga hat ihren Umsatz zwischen 2004/05 und 2015/16 von knapp 1,3 Milliarden auf zuletzt 3,24 Milliarden Euro gesteigert. Zuletzt konnte der zwölfte Umsatzrekord in Folge gefeiert werden. Dies sind Leistungswerte, von denen andere Branchen nur träumen können.

Sascha L. Schmidt ist Lehrstuhlinhaber und Leiter des Center for Sports and Management (CSM) an der WHU - Otto Beisheim School of Management. Dort widmet er sich der "Zukunft des Sports" als einem seiner zentralen Forschungsschwerpunkte. Zudem ist er akademischer Leiter der "SPOAC - Sports Business Academy by WHU" , die sich als Weiterbildungsinstitution für künftige Führungskräfte im Sportbusiness etabliert hat. Schmidt studierte, promovierte und habilitierte an den Universitäten Essen, Zürich, St. Gallen, der EBS Universität in Oestrich-Winkel sowie an der Harvard Business School in Boston und war danach Strategieberater bei McKinsey und Unternehmer.
Als Folge befinden sich die Proficlubs in einem gegenseitigen Wachstumsrennen. Glaubt man den Zahlen der Wirtschaftsprüfer von Deloitte (2017) lag noch vor zehn Jahren der Umsatz des FC Bayern München bei 295 Millionen Euro pro Saison. Schon damals stand der FC Bayern mit großem Abstand als umsatzstärkster Club an der nationalen Spitze. Bis zur Saison 2015/16 konnten die Bayern ihren Umsatz auf mittlerweile 592 Millionen Euro verdoppeln, was einer jährlichen Wachstumsrate von 11,4 Prozent entspricht. Wenn Bayern München es schafft, diese Wachstumsdynamik beizubehalten, durchbricht der Club bis 2021 die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro. Anspruchsvoll, aber machbar.
Vergleichbare Umsatzmarken erscheinen für andere Bundesligisten allerdings eher unrealistisch. So müssten beispielsweise Borussia Mönchengladbach 50 Prozent, der FC Schalke 04 36 Prozent und selbst Borussia Dortmund 30 Prozent aus dem Stand an Umsatz pro Jahr zulegen, um die Milliardenmarke 2021 zu knacken. Dennoch erscheint Umsatzwachstum für alle Proficlubs unumgänglich, um den sportlichen Status Quo mindestens zu erhalten; sie sind quasi dazu verdammt, immer weiter zu wachsen. Doch wie soll das möglich sein?
Neue Technologien könnten hierbei ein entscheidender Wachstumstreiber sein. So wird sich das Spielerlebnis in den kommenden Jahren für Fans durch Virtual- und Augmented Reality grundlegend verändern. Schon Morgen schlendern wir durch die Stadt, sehen im Schaufenster unseren Lieblingsspieler als Hologramm und durch unsere Mixed Reality Brille oder Kontaktlinse, ob im Stadion noch Tickets für das nächste Heimspiel unseres Lieblingsclubs vorhanden sind. Ein Augenzwinkern reicht zur Ticketbuchung, ein zweites zum Upgrade in den VIP-Bereich. Wir lassen uns via Roboter bis zum Platz in der Arena leiten, wo bereits die Bratwurst und unser Bier auf uns wartet - vom Essensstand mit einer kleinen Drohne eingeflogen.
Hört sich nach Science-Fiction an, ist es aber nicht. Die notwendigen Technologien existieren bereits. Prognosen der IDC (International Data Corporation) deuten darauf hin, dass der weltweite Markt für VR- und AR-Technologien in den kommenden Jahren regelrecht explodieren wird. Die IDC-Experten sagen ein Wachstum von 6,1 Milliarden US-Dollar in 2016 auf 143,3 Milliarden US-Dollar in 2020 voraus. Demnach ist es also nur eine Frage der Zeit, wann diese Technologien aus unserem Fußballalltag nicht mehr wegzudenken sein werden.
Bei den Entscheidern ist Weitsicht gefragt
An Wachstumschancen durch neue Technologien mangelt es in unserer digitalisierten Welt wahrlich nicht - auch nicht für Fußball-Clubs. Es geht primär darum, die sich bietenden Chancen frühzeitig zu erkennen und für das operative Geschäft greifbar zu machen. Fundierte Einschätzungen über die zukünftige technologische und gesellschaftliche Entwicklung spielen dabei eine wichtige Rolle.
Zukunftsforscher unterscheiden hierbei zwischen harten und weichen Zukunftstrends: Harte Trends beschreiben neue Technologien als zukünftige Fakten, die unwiderruflich die Zukunft gestalten werden. Weiche Trends basieren hingegen auf Annahmen über die Zukunft, die so eintreffen können, aber nicht zwangsläufig müssen. Heißt: Mixed Reality Brillen, Drohnen, usw. sind bereits Bestandteil unserer Zukunft. Auf welche Art und Weise sie aber dauerhaft Einzug in unseren Fußballalltag halten werden, das liegt in den Händen der Menschen, die sie nutzen. Und hier ist Weitsicht gefragt - gerade bei den Entscheidern in der Fußballbranche.
Der negative Einfluss von Erfolg und Wahrnehmungsverzerrungen
Sicherlich ist die Fußballzunft in besonderer Weise dem Brennglas der Öffentlichkeit ausgesetzt. Und dies sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Dieser Umstand allein macht es schwer, vorausschauend und langfristig zu agieren. Das hauptsächliche Problem von Zukunftsprognosen ist allerdings weniger der Branche geschuldet, als im Wesen des Menschen begründet. Der enorme Erfolg des deutschen Fußballs der letzten Dekade führt dazu, dass Entscheider weniger intensiv nach Veränderungen suchen und sich durch vergangene Erfolge in ihrem Handeln bestätigt fühlen.
Hinzu kommt, dass auch Entscheider der Fußballbranche Wahrnehmungsverzerrungen unterliegen, die es ihnen schwermachen, faktisch belegbare Zukunftsprognosen zu erstellen. Dies bestätigt Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Er hat nachgewiesen, dass Vorhersagen selbst von erfahrenen Entscheidern mit tiefem Fachwissen vorwiegend intuitiv erstellt werden und immer auch subjektiv geprägt sind. So werden Informationen selektiv wahrgenommen und primär zur Bestätigung der gebildeten Meinung verwendet. Oder es wird neuen Informationen oder Argumenten keine (oder zu wenig) Beachtung geschenkt. Kein Mensch kann sich von diesen Wahrnehmungsverzerrungen gänzlich freimachen, denn das menschliche Gehirn ist eher darauf ausgerichtet, subjektive Erwartungen zu bestätigen, als Unerwartetes zu erkennen. So ist es natürlich besonders schwierig, disruptive Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht erstaunlich, dass manch ein Clubvertreter in die beschriebene Erfolgs- bzw. Wahrnehmungsfalle tappt und die klare Sicht auf weiche Trends verloren geht. Von sich selbst und seinem näheren Umfeld auf Bedürfnisse der "Millennials" und "Generation Y", die nach 1980 oder gar nach 2000 geboren wurden, zu schließen, kann zu folgenschweren Fehleinschätzungen und strategischen Irrwegen führen. Die zukünftigen Fans und Kunden sind als "Digital Natives" bereits ganz anders sozialisiert als ihre Vorgängergenerationen. Von der nachkommenden "Generation Z" ganz zu schweigen. Ihr Mediennutzungsverhalten, ihre Art und Weise, mit neuen Technologien wie Mixed Reality Brillen, Drohnen etc. umzugehen, unterscheiden sich frappierend. Dies macht es für heutige Entscheider schwer, sich in die Köpfe zukünftiger Kundengenerationen hineinzuversetzen.
Kreative Zerstörung kann Erfolgs- und Wahrnehmungsfallen vermeiden
Einen interessanten Ansatzpunkt, diese Herausforderungen zu meistern und Erfolgs- sowie Wahrnehmungsfallen zu vermeiden, finden wir in der Makroökonomie. Beim Prinzip der "schöpferischen Zerstörung" geht es darum, erfolgreiche Strukturen und Prozesse frühzeitig zu hinterfragen, und nicht erst auf die Krise zu warten, um notwendige Veränderungen herbeizuführen.
Die größte Kunst besteht darin, sich möglicher Wahrnehmungsverzerrungen bewusst zu werden und gerade im Erfolg eine grundlegende Veränderungsbereitschaft zu bewahren. Die kreative Zerstörung bestehender (Denk-) Strukturen ist notwendig, um zukünftige Technologien und deren Folgen auf das Konsumentenverhalten richtig einzuschätzen und sich für die Zukunft zu wappnen. Mit ihrer Hilfe kann es Fußball-Clubs gelingen, den Anforderungen der nachkommenden Generationen gerecht zu werden und damit die Weichen für weiteres Wachstum zu stellen.
Sascha L. Schmidt ist Professor an der WHU - Otto Beisheim School of Management und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.