Evonik und der BVB Echte Liebe?

Evonik hat sein Hauptsponsorship bei Borussia Dortmund um elf Jahre verlängert. Zudem erwarb der Spezialchemiekonzern Anteile am börsennotierten Club. Warum investiert Evonik mindestens knapp 230 Millionen Euro in den BVB?
Von Holger Rehm
Borusse Marco Reus: Partnerschaft mit Evonik vorzeitig verlängert

Borusse Marco Reus: Partnerschaft mit Evonik vorzeitig verlängert

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Dass "Echte Liebe" der Markenclaim von Borussia Dortmund  ist, ist bekannt. Eine echte Liebe scheint auch die bislang siebenjährige Partnerschaft zwischen dem Fußballbundesligisten und seinem Haupt- und Trikotsponsor Evonik Industries  zu sein, die nun vorzeitig bis Ende der Saison 2024/25 verlängert wurde. Es ist bereits die vierte Vertragsverlängerung in Folge.

Bislang kassierten die Borussen von Evonik eine jährliche Basissumme von rund 13 Millionen Euro. Ab der Saison 2014/15 sollen es im Schnitt rund 18 Millionen Euro pro Saison sein. Über die gesamte Vertragslaufzeit erhalten die Schwarz-Gelben damit knapp 200 Millionen Euro - Prämien für mögliche Erfolge noch nicht eingerechnet.

Zusätzlich zum verlängerten Hauptsponsoring erwirbt Evonik 9,06 Prozent des Grundkapitals der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, was der Borussia einen Bruttoemissionserlös von 26,7 Millionen Euro einbringt. Grundlage für diesen Deal ist eine Kapitalerhöhung um 6,12 Millionen BVB-Aktien.

Für den Club aus dem Ruhrpott ergibt der Vertrag Sinn. Er bindet mit Evonik einen verlässlichen Partner langfristig an sich, der dem Club für mehr als ein Jahrzehnt Planungssicherheit gibt. Damit ist der BVB in der Lage, wichtige Investitionen zu tätigen und wieder ein kleines Stückchen näher an die Konkurrenz aus München heranzurücken.

Der FC Bayern hatte mit der Allianz  jüngst seinen dritten Gesellschafter präsentiert und damit frisches Geld aufs Festgeldkonto gespült. Laut BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sollen 10 bis 20 Prozent der Gelder in den sportlichen Bereich fließen. Vor allem soll das frische Kapital aber zur Tilgung der bestehenden Stadion-Verbindlichkeiten und zum Aufbau des neuen Büros in Singapur verwendet werden.

Im Ausland eine Nischenmarke

Was sind im Umkehrschluss aber die Motive von Evonik, derart hohe Investitionen zu tätigen und sich mindestens ein weiteres Jahrzehnt kommunikativ an ein und denselben Club zu binden?

Um die Gründe der Vertragsverlängerung seitens Evonik zu verstehen, muss man wissen, dass mit dem Engagement in den ersten Jahren vordergründig nationale Ziele verfolgt wurden. Vor allem ging es darum, die Marke Evonik, die im September 2007 neu geschaffen wurde, bekannter zu machen. Dieser Plan ging laut Markus Langer bislang auf. Der Leiter Konzernmarketing und PR von Evonik nennt Zahlen: Evonik habe in der breiten Öffentlichkeit eine gestützte Bekanntheit von 64 Prozent. Bei den für das Spezialchemieunternehmen wichtigen Finanz- und Wirtschaftsentscheidern liegt diese Quote bei 95 Prozent.

"Wo immer unsere Leute hingehen, der BVB war schon da"

An den guten Umfragewerten hat der BVB einen großen Anteil: 50 Prozent derjenigen, die Evonik kennen, nennen Borussia Dortmund als ihren Kontaktpunkt zum Unternehmen. Bei den Finanz- und Wirtschaftsentscheidern sind es sogar 74 Prozent. Für Langer ist "der BVB schon heute der zwölfte Mann im Vertrieb". Er sagt: "Wo immer unsere Leute hingehen, der BVB war schon da" - und meint damit die TV-Übertragungen der Dortmunder Spiele, insbesondere in der UEFA Champions League.

Diese Erfahrung machen Evonik-Mitarbeiter nicht nur hierzulande, sondern vor allem im Ausland: in Asien, Südamerika oder Afrika. "Für viele Menschen, die mit dem Kunstnamen Evonik noch nichts anfangen können, ist die Tatsache, dass wir Trikotsponsor des BVB sind, ein Vertrauensvorschuss und ein Zeichen, das wir ein relevantes Unternehmen für sie sind."

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Langer bezeichnet das Sponsorship beim BVB gern als "Markenpartnerschaft", von der aus seiner Sicht sowohl sein Arbeitgeber als auch der Club gleichermaßen profitieren. Evonik, das in mehr als 100 Ländern aktiv ist, will die Partnerschaft nun in den Folgejahren auf eine "neue Stufe" heben. Denn: Bislang sei Evonik international noch "eine Nischenmarke mit begrenzter Strahlkraft", sagt Langer.

Das soll sich ändern, um auch im Ausland attraktiv zu sein - für Kunden, Dienstleister und Arbeitnehmer. Der Evonik-Mann ist sich bewusst, dass dieser internationale Markenaufbau Zeit braucht und begründet damit auch die lange Laufzeit des Vertrags. Ob man dafür tatsächlich elf Jahre und 200 Millionen Euro benötigt? Man wird es sehen.

Grundvoraussetzung für Evonik ist laut Langer, dass der BVB wie in den vergangenen Jahren weiterhin langfristig international auf höchstem Niveau spielt. Garantien dafür gibt es natürlich nicht. Dennoch war Evonik bereit, auf Basis der vergangenen Erfolge in Vorleistung zu gehen und die Basissumme des Vertrags jährlich um rund fünf Millionen Euro zu erhöhen. Langer zieht einen Vergleich zu Clubs wie Schalke 04, dem VfL Wolfsburg oder anderen europäischen Champions-League-Teilnehmern und ist sich sicher: "Mit dem neuen Vertrag sind wir immer noch auf einem wirtschaftlich vernünftigen Niveau."

Kein neues Geschäftsfeld Fußball

Dass Evonik zusätzlich zur Vertragsverlängerung des Sponsorships auch als Gesellschafter der Borussen eingestiegen ist und 9,06 Prozent der Anteile des BVB erworben hat, ist nicht großen wirtschaftlichen Renditezielen geschuldet. "Wir wollen neben dem Geschäftsfeld Spezialchemie kein zweites Geschäftsfeld Fußball aufbauen", sagt Langer.

Das strategische Investment sei vielmehr ein naheliegender Schritt gewesen und "eine gute Möglichkeit, die enge Verbindung zwischen den Marken Evonik und BVB nachhaltig zu unterstreichen - auch wenn uns sicherlich der eine oder andere Finanzexperte unter Anlagegesichtspunkten empfohlen hätte, eher in anderen Geschäftsfeldern zu investieren."

Lukrativer Nebeneffekt für Evonik: Durch die Paketlösung aus Sponsorship und Anteilskauf konnte das Unternehmen "die Gesamtsumme des Sponsorings attraktiv halten" wie Langer es ausdrückt. Heißt: Wäre Evonik nicht als strategischer Partner eingestiegen, wäre die Sponsoringsumme noch höher ausgefallen. Nicht ganz uneigennützig schlägt Evonik als neuer Anteilseigener auch die Tür für andere Firmen zu, die auf die Trikotbrust der Borussen geschielt hatten. Zu einer echten Liebe gehört schließlich auch ein wenig Eifersucht.

Diesen Text veröffentlichten wir mit freundlicher Genehmigung von SPONSORs , dem Fachmagazin für Sport-Business.

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