Coroplast Wenn die Tochter-Firma in der Autobranche durchstartet

Ihr Vater wollte sie erst gar nicht als Nachfolgerin. Doch Natalie Mekelburger setzte sich durch und machte aus dem Wuppertaler Autozulieferer einen globalen und innovativen Player.
Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger: "Die besten Erfahrungen bei Kundenbesuchen gesammelt"

Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger: "Die besten Erfahrungen bei Kundenbesuchen gesammelt"

Foto: Felix Gemein für manager magazin

Die Autobranche ist ja bekanntlich eine Machowelt. Die Karossen werden von Benzin getrieben, ihre Macher von Testosteron.

Wie kommt man da als Frau, die seit Jahren eine große Zuliefererfirma leitet, zurecht, Natalie Mekelburger?

"Ich habe keine Probleme", antwortet sie. Die Automanager unterschieden nicht nach Geschlecht. Der Margendruck betreffe alle Zulieferer. Im Übrigen gebe es auch in ihrer Industrie immer mehr weibliche Führungskräfte.

Kabel verbindet

Das mag alles stimmen. Was sie aber nicht sagt, sondern andere über sie: Die Frau begegnet den Herren der Branche mindestens auf Augenhöhe. Und das nicht nur wegen ihrer Größe. Sie sei tough, willens- und durchsetzungsstark - genauso wie ihre Gegenüber auf der anderen Seite des Verhandlungstisches.

Seit 2006 ist Mekelburger Vorsitzende der Geschäftsführung der Coroplast Gruppe in Wuppertal. 470 Millionen Euro Umsatz, 6200 Beschäftigte. Das Familienunternehmen stellt Kabel, Leitungen, Kabelbäume vor allem für die Autoindustrie her. Und Klebebänder, die es auch im Baumarkt gibt. Aber 80 Prozent des Umsatzes wird mit Autofirmen gemacht.

Es war kein leichter Wege für Natalie Mekelburger an die Spitze. Den wichtigsten Kampf musste sie gegen den eigenen Vater, Fritz Müller, bestehen. Der hatte sie zwar schon früh zu Managementtagungen, die meist in den österreichischen Bergen stattfanden, mitgenommen. Aber er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sein Unternehmen mal von einer Frau geführt werden würde.

Tochter Natalie konnte das in jungen Jahren auch nicht und wollte deshalb Biologie studieren. Es wurde dann aber doch Betriebswirtschaftslehre in Augsburg. Und danach ging es nicht ins elterliche Unternehmen, sondern nach Düsseldorf zur Unternehmensberatung Droege.

Dort lernte sie mit ihren Mandaten auch die Konzernwelt kennen und kam zu dem Schluss: "Da muss man anpassungsfähig sein, sich unterordnen und sich durch die Hierarchien wühlen." Das sei nicht ihre Welt.

So stieg sie 1994 doch ins väterliche Unternehmen ein. Zwar hat sie noch drei Geschwister, eine Schwester und zwei Brüder, aber alle drei hatten keine Ambitionen auf die Nachfolge. Schwester Constanze leitet das Marketing des Unternehmens.

Natalie Mekelburger fing zunächst als Leiterin von Vertrieb und Marketing an. Sie musste sofort raus an die Verkaufsfront. Ein Vorteil: "Meine größten und besten Erfahrungen habe ich bei Kundenbesuchen gesammelt."

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Mit ihrem Eintritt ins Unternehmen begann auch die Internationalisierung der Gruppe, mit einer Produktion in Polen. "Das war Pionierarbeit", blickt sie zurück und erzählt amüsiert von den langen Anfahrtszeiten über holprige Straßen nach Oberschlesien. 1999 folgte der Schritt nach Mexiko, 2004 ging es dann nach China.

Dort schloss Coroplast - was ziemlich ungewöhnlich ist - kein Joint Venture, sondern etablierte in Taicang bei Shanghai eine Firma in eigenem Besitz. Mit seinen Auslandsstandorten ist Coroplast auf den wichtigsten Automärkten - China, Nafta und Europa - vertreten. Ein kleiner Multi sozusagen.

Hochvoltleitungen aus dem Wuppertal

Dessen Zentrale liegt in Wuppertal-Oberbarmen, Ausfallstraße nach Witten. Fast schon ländlich ist es hier. Grün, hügelig, Bergisches Land heißt die Gegend zu Recht.

Die Hauptverwaltung sieht auf den ersten Blick bescheiden aus. Aber hinter dem rechteckigen Bau eröffnet sich einem eine großflächige Fabriklandschaft. Mehrere Produktionshallen breiten sich aus, eine neue entsteht gerade.

Die Chefin wird - es regnet - im Porsche Panamera über das weitläufige Gelände gefahren. Stolz zeigt sie in einer Halle die riesige Maschine, die die Klebebänder herstellt. "Alles selbst entwickelt, die Maschine, die Produktionstechnologie, die Mischung für den Klebstoff."

Auch bei Kabel und Leitungen ist Coroplast mit an der technologischen Spitze. Man entwickelt gemeinsam mit verschiedenen Autounternehmen, so wie das in der Branche üblich ist. Um die Jahrtausendwende hat Coroplast mit dem Volkswagenkonzern ein sogenanntes Servicecenter etabliert, wo die Entwickler beider Unternehmen kooperieren. Man ist somit in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Inzwischen ist Coroplast auch mit Daimler in Stuttgart eine solch enge Verbindung eingegangen.

Unglaublich für den Laien: Drei bis fünf Kilometer Kabel stecken in jedem Auto. Was aber, wenn demnächst Elektroautos dominieren?

Braucht man da noch so viele Kabel und Leitungen, oder ganz andere?

Da lächelt Natalie Mekelburger milde und sagt: "Die haben wir schon längst im Angebot." Sie meint Hochvoltleitungen, die Coroplast entwickelt hat und mit denen sich das Unternehmen als weltweiter Technologieführer sieht.

Das hat sich bis nach Kalifornien herumgesprochen. Der Elektroautobauer Tesla ist bereits Kunde. Mekelburger ist stolz, dass ein Silicon-Valley-Konzern auf ein Unternehmen aus Wuppertal-Oberbarmen gestoßen ist: "Sie haben uns entdeckt und sind auf uns zugekommen."

Generell glaubt sie nicht, dass all die Neuerungen in der Branche - von alternativen Antrieben bis zum autonomen Fahren - die Nachfrage nach Coroplast-Produkten sinken lassen wird. Im Gegenteil: Das alles führe zu mehr Technik im Auto und damit auch zu neuen Produkten und Lösungen. Zum Beispiel - jetzt wird es etwas technisch - raffinierte Schlauchsysteme oder mehradrige Mantelleitungen.

"Wir sind sehr stark innovationsgetrieben", sagt Natalie Mekelburger. Der Erfolg setzt freilich zwei ganz wichtige Dinge voraus: viel Geld und gutes Personal. Zum Ersten sagt Mekelburger: "Die finanziellen Ressourcen, die wir für Forschung und Entwicklung brauchen, werden zur Verfügung gestellt." Nicht untypisch für ein Familienunternehmen: wenig Gewinn entnehmen, viel Geld im Unternehmen lassen.

Seine Mitarbeiter umsorgt Coroplast: verschiedene Arbeitszeitmodelle, freier Eintritt ins Fitnessstudio und eine interne Weiterbildungseinrichtung, die CoroAcademy, sind nur ein paar Beispiele, wie Coroplast sich um seine Beschäftigten kümmert. Und kann aufgrund seines starken Wachstums - seit 2006 ist der Umsatz von 200 auf 470 Millionen Euro gestiegen - viele Aufstiegschancen bieten. "Das Alter interessiert dabei nicht", sagt Mekelburger. Persönlichkeit sei wichtiger als Seniorität.

Deshalb kann es passieren, dass ein 24-Jähriger CFO bei der chinesischen Tochter wird. Um den internationalen Austausch innerhalb der Gruppe noch stärker zu fördern, wurde im November 2016 die Position des Global Human Resources Directors geschaffen. "Wir sind zwar ein Mittelständler, haben aber durchaus konzernähnliche Strukturen", erklärt Mekelburger anhand dieses Beispiels.

Mekelburger versucht so viel Mittelständisches wie möglich zu bewahren. Die Eigenverantwortung, das Unternehmerische. Bei Coroplast gilt deshalb: "Im Gegensatz zum Konzern dürfen Mitarbeiter auch ihre Kompetenzen überschreiten, wenn sie damit im Sinne des Unternehmens handeln und positiv zur Entwicklung beitragen", sagt Mekelburger über die Firmenkultur.

Coroplast legt viel Wert auf den zweiten Teil dieses Wortes: Kultur. Man sponsert das Wuppertaler Von der Heydt-Museum und die Kunsthalle. Fast überall im Unternehmen trifft das Auge auf Kunstgegenstände. Skulpturen stehen im Foyer und im Mitarbeiterpark, an den Wänden von Büros und Fluren hängen Bilder.

Mitarbeiter werden zur "Kunstpause" geladen. Das sind halbstündige Vorträge über Künstler und Kunstrichtungen. Die Philosophie dahinter: Kunst ist kreativ, und Unternehmen müssen auch kreativ sein.

Natalie Mekelburger sitzt auf dem violetten Sofa ihres Büros. Hinter ihr hängt ein Bild des Richter-Schülers Bernard Lokai. Sie sagt: "Das Unternehmen soll ein Ort der Anregung, nicht nur der Anstrengung sein."

Ein schöner Satz. Er soll deshalb hier am Schluss stehen.

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