Doppelspitzen in Unternehmen Führung - Einzelkämpfer versus Januskopf

Jürgen Fitschen und Anshu Jain: Manche Doppelspitzen funktionieren, andere nicht - und es macht offenbar wenig Unterschied, ob sich zwei von selber gefunden haben
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"Gleich und gleich gesellt sich gern" und "Gegensätze ziehen sich an". Diese beiden kontrapunktischen Volksweisheiten zum Thema Paarbildung zeigen symptomatisch, dass eigentlich keiner so recht weiß, wann und warum zwei Leute miteinander können.
Wir alle kennen das aus dem Freundeskreis: Da gibt es das Feuer-und-Eis-Paar, das unterschiedlicher nicht sein könnte und doch gehören sie zu den glücklichsten Menschen weit und breit. Und dann gibt es die Abteilung Ärger: Leute, die eigentlich nur Verbindendes aufweisen - denselben kulturellen, intellektuellen und sozialen Hintergrund, gemeinsame Kinder, Unternehmen, Ziele - und doch würden sie sich gegenseitig am liebsten umbringen.

Heiner Thorborg gehört zu den profiliertesten Personalberatern in Deutschland. Nach zehn Jahren als Partner bei Egon Zehnder Int. gründete er die Heiner Thorborg GmbH & Co. KG, die Heiner Thorborg & Co. (Zürich) sowie die Initiative "Generation CEO".
Offenbar macht es nicht mal einen Unterschied, ob sich die Partner selber ausgesucht oder von Dritten zusammen zusammengeführt wurden - die Paare in den traditionellen asiatischen Familien, deren Ehe von ihren Familien arrangiert wurde, sind nach allem Bekunden auch nicht glücklicher oder unglücklicher als die romantische Liebe im Westen.
Ähnliches gilt für Doppelspitzen im Unternehmen. Manche funktionieren, andere nicht - und es macht offenbar wenig Unterschied, ob sich zwei von selber gefunden haben - beispielsweise als Gründer-Duo in einem Start-up - oder ob sie von einem Aufsichtsrat in einem Konzern gepaart worden sind. Ob eine Doppelspitze funktioniert, kommt schlicht auf die Qualität der Führungskräfte, auf die Persönlichkeiten an. Die Größe des Betriebs und die Komplexität der Aufgabe sind eher nachrangig.
Gute Gründe für Doppelspitzen
Es gibt gute Gründe für Doppelspitzen. Vier Augen sehen mehr als zwei, zudem ist es sicherer, wenn die Zukunft des Unternehmens und die seiner Mitarbeiter nicht nur von einem Entscheider abhängt. Außerdem macht Arbeitsteilung das Leben leichter. Entsprechend lang ist die Tradition der Führungs-Duos: Das alte Rom wählte zwei Konsuln, bevor Caesar die Macht an sich riss und zum Diktator wurde.
Viele deutsche Mittelständler haben einen technischen und einen kaufmännischen Chef, in Werbeagenturen ist eine Aufteilung zwischen Art Direktion und Kontakt üblich. Krankenhäuser haben einen federführenden Chefarzt und einen Geschäftsführer - überall gilt: Wenn die Aufgaben komplex sind, ist es weniger risikobehaftet, zwei Fachleute auf ihrem Gebiet einzusetzen.
Aus all diesen Gründen kennt das deutsche Aktienrecht auch keinen CEO. Der Vorstand ist dem Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit verantwortlich. Der Vorstandssprecher setzt sich de facto dank seiner Eignung, Erfahrung, Persönlichkeit und seiner Hausmacht durch.
Tatsächlich ist es heute so, dass viele Unternehmen von einem starken Vorstandschef und einem überzeugenden Chief Financial Officer geführt werden. Sind die zwei ein gutes Team, gibt es keine bessere Lösung für funktionale Führung. Aber wehe, wenn nicht!
Warum das Deutsche-Bank-Duo Jain / Fitschen nicht funktionierte
Die Deutsche Bank hatte ja auch gute Erfahrungen gemacht mit Doppelspitzen. Doch die Kombination aus dem ehrgeizigen, indisch-britischen Investmentbanker Anshu Jain und Jürgen Fitschen, einem zutiefst konservativen deutschen Hausbankier, konnte nicht funktionieren. In der Rückschau - in der man ja bekanntlich immer enorm schlau ist - gilt: Dieses Gespann hätte man so nie vor den Karren spannen dürfen.
Vermutlich kam der Aufsichtsrat seinerzeit einfach nicht um Jain herum: Das Investmentbanking konnte auf interessante Zahlen verweisen und hatte entsprechend große Macht - vermutlich beherrschte Angst die Frankfurter Türme: Wenn wir Jain abservieren, fliegt uns hier alles um die Ohren! Fitschen allerdings muss sich sagen lassen: Wenn man das geplante Alter Ego von vorneherein mit Zweifeln betrachtet, sollte man sich auf die Doppelführung gar nicht erst einlassen.
Bleibt die Frage: Ja, was ist denn nun am Ende besser, ein Chef oder zwei? Eine klare Antwort gibt es nicht und soweit ich weiß, hat auch die Wissenschaft zu dieser Frage wenig beizutragen. Konkrete empirische Studien, welche Konstellation wohl bessere Ergebnisse erzielt, Einzelkämpfer oder Januskopf, stehen noch aus.
Letzten Endes kommt es auf die Menschen an. Und zwar nicht nur auf die in der Doppelspitze selbst. Wenn innerhalb eines Vorstands die Chemie generell nicht stimmt, tut das einem Unternehmen auch nicht gut. Und ein schwacher Aufsichtsrat, der zwei Personen nur deswegen zusammenwirft, weil er sich nicht entscheiden kann - oder sich vor der Hausmacht des einen so fürchtet, dass er mit dem anderen ein "Gegengewicht" installieren will - lädt den Ärger förmlich ein. Insofern stimmt die Einschätzung vieler Kritiker, dass Doppelspitzen oft einfach ein Zeichen schwacher Führungskultur sind.
Vorstandschefs sind in der Regel Alphatiere und keine Diplomaten
Leute, die das Zeug zum Vorstandsvorsitzenden haben, sind in der Regel Alphatiere und keine Diplomaten. Wer sich bis an die Spitze einer großen Organisation vorarbeitet, hat Biss - in jeder Hinsicht. Von Hause aus teilen solche Menschen ihre Macht nicht gerne.
Beispiele für die Sprengkraft eines Duos gibt es daher auch genug: Bei der Citigroup blieben John Reed und Sandy Weill nur zwei Jahre gemeinsam an der Spitze. John Mack und Oswald Grübel bei der Credit Suisse gaben nach anderthalb Jahren auf, bei der Deutschen Bank waren es nun drei Jahre. Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe gingen bei SAP ebenfalls nach drei Jahren getrennte Wege.
Zwei Tiger in den Tank zu packen, erfordert einen entschlossenen Dompteur - also einen starken Aufsichtsrat und gute Beratung. Insbesondere muss der Aufsichtsrat bei einem Führungsduo aufpassen, dass nicht der eine dem anderen die Schuld in die Schuhe schiebt, sobald es knallt.
So geschehen bei einem deutschen Mittelständler mit 500 Millionen Euro Umsatz und einem extrem gut bezahlten Team aus zwei Geschäftsführern. Die zwei gerieten sich in die Haare und der eine wanderte mit der Forderung zum Beirat: "Wenn Sie den Kollegen nicht beseitigen, dann gehe ich!" Die Räte taten das einzig richtige: Sie entfernten stattdessen den Beschwerdeführer.
Leute mit Ego-Problemen und mangelndem Teamgefühl, Mimosen, Kontrollfreaks, Geldgierige, Spielernaturen, Diven und vermeintliche Charismatiker eignen sich einfach nicht für Doppelspitzen. Aber seien wir ehrlich: Sie eignen sich auch nicht dauerhaft als alleinherrschende Chefs. Oder als Ehepartner. Und hier schließt sich der Kreis: Es kommt immer auf die Individuen an, alles andere ist Nebensache.