"Die Uhr tickt in Europa nicht nur für die LSE, sondern auch für uns": Carsten Kengeter, Chef der Deutschen Börse
Foto: DPADer Chef der Deutsche Börse AG, Carsten Kengeter, ist skeptisch, dass der Dax-Konzern dauerhaft eigenständig überleben kann, falls die angestrebte Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) scheitern sollte. "Die Uhr tickt in Europa nicht nur für die LSE, sondern auch für uns. Wenn wir uns nicht schnell verstärken, dann wird das Unternehmen irgendwann so schwach sein, dass es nicht mehr agieren, sondern nur noch reagieren kann", sagte Kengeter im Interview mit dem manager magazin (Erscheinungstermin: 18. März).
Die Deutsche Börse sei im Verhältnis zu den großen amerikanischen und chinesischen Wettbewerbern so weit zurückgefallen, dass sie dringend handeln müsse. "Ansonsten können wir unsere hoheitliche Aufgabe, den Zugang zu den Kapitalmärkten für die deutsche Wirtschaft zu gewährleisten, bald schon nicht mehr erfüllen. Vom Gewinnauftrag unserer Aktionäre ganz zu schweigen", sagte Kengeter weiter.
Deutsche Börse und LSE wollen sich zu Europas größtem Marktplatzbetreiber zusammenschließen; Aktionäre und Aufseher müssen dem Deal noch zustimmen. Geführt von Kengeter, soll die Superbörse ihren rechtlichen Sitz in London und Hauptsitze ebendort sowie in Frankfurt haben. Gelingt der Aktienumtausch wie geplant, werden die jetzigen Eigentümer der Deutschen Börse 54,4 Prozent an dem neuen Unternehmen halten.
Scheitert die Fusion mit London, fürchtet Kengeter den Ausverkauf der Börsenlandschaft in Europa. "Wenn dieser Zusammenschluss nicht zustande kommt, wird die europäische Kapitalmarktarchitektur wahrscheinlich bald in amerikanischen Händen liegen. Und ich muss nicht Chef der Deutschen Börse sein, damit mir bei diesem Gedanken schummrig wird."
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Die Deutsche Börse will mit der Londoner Börse fusionieren. Doch auch der fünfte Versuch steht jetzt offenbar vor dem Aus. Der deutsche Börsenbetreiber ist bereits mit zahlreichen Versuchen, eine größere Einheit zu bilden, gescheitert - ein Überblick ...
17. Juli 2000: Die Deutsche Börse präsentiert einen Plan für die Gründung de iX international exchange zusammen mit der Londoner LSE. Die beiden Partner hoffen, mit der paneuropäischen Handelsplattform weitere Börsenbetreiber mit ins Boot zu holen. Das Projekt scheitert allerdings an mangelnder Unterstützung.
Sommer 2003: Der damalige Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, trifft sich mit Euronext-Chef Francois Theodore (Im Bild: Euronext in Brüssel). Die Gespräche über eine Fusion werden allerdings beendet, nachdem sich beide Seiten nicht über die Bewertung ihrer Häuser einig werden. Im Frühling 2004 nehmen Seifert und Theodore ein weiteres Mal Kontakt auf. Ein Zwist über die Besetzung der Führungspositionen lässt sie abermals ergebnislos auseinandergehen.
August 2004 - Die Schweizer Börse SWX lehnt Pläne der Deutschen Börse für eine Fusion, faktisch eine Übernahme, ab.
13. Dezember 2004: Die Deutsche Börse veröffentlicht ein Übernahmeangebot für die LSE (im Bild: Händler an der Londoner Börse LSE) über knapp zwei Milliarden Euro, das 2005 am Widerstand des Hedgefonds und Deutsche-Börse-Aktionärs TCI scheitert.
21. Februar 2006: Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an. Im Mai dient die Deutsche Börse Euronext-Chef Theodore sogar die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Juni 2006: Die Deutsche Börse unterbreitet der Euronext einen überarbeiteten Fusionsvorschlag. Die Frankfurter geben in der Hauptquartiersfrage nach, doch der Vorstoß kommt zu spät: Die Euronext schließt sich mit der NYSE zusammen.
Deutsche Börse und NYSE Euronext loten eine Fusion aus. Die Pläne werden vorzeitig bekannt und scheitern. Im April 2011 wagt die Deutsche Börse einen weiteren Versuch, mit der Nyse Euronext als Partner eine neue Größenordnung zu erreichen. Die US-Börsen Nasdaq OMX (im Bild) und ICE wollen die Fusion mit einer Gegenofferte für die Nyse torpedieren.
Februar 2012: Der Traum der Deutschen Börse platzt erneut. Die EU-Kommission untersagt die Milliardenfusion mit den Amerikanern aus schwerwiegenden wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Die EU fürchtet vor allem ein weltweites Monopol im Handel mit europäischen Finanzderivaten.
Nun will er es wieder wissen: Der neue Börsenchef Carsten Kengeter, gelernter Investmentbanker, hat alles daran gesetzt, dass die Fusion mit der London Stock Exchange diesmal gelingt. Doch mit dem 27. Februar 2017 steht die Fusion wohl vor dem Aus. "Basierend auf der aktuellen Position der Kommission geht die LSE davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Kommission die Fusion genehmigen wird", teilte die LSE am späten Sonntagabend mit. Es wäre der fünfte Fehlschlag.
21. Februar 2006: Der neue Börsenchef Reto Francioni legt ein vorläufiges Fusionsangebot für die Pariser Euronext vor und facht damit ein Konsolidierungsfieber in der Branche an. Im Mai dient die Deutsche Börse Euronext-Chef Theodore sogar die Führung eines vereinten Unternehmens an, besteht allerdings auf Frankfurt als Hauptsitz. Auch der Großteil des Managements sollte am Main angesiedelt sein.
Foto: Deutsche Börse