Pleiteserie
Das Sterben der uralten Firmen in Japan
Unternehmen, die 500 oder gar 1000 Jahre alt sind, gibt es selten. In Japan sind solche Methusalem-Firmen gar nicht so ungewöhnlich. Doch neuerdings müssen mehrere davon aufgeben. Das könnte eine Spätfolge der Liberalisierung sein.
Tempel in der alten Kaiserstadt Kyoto: Den Tempelbauer Kongo Gumi hielt es 1429 Jahre lang im Markt
Foto: KAZUHIRO NOGI/ AFP
Hamburg - Für Weisheiten und Sinnsprüche über das Überleben am Markt sind sie allemal gut. Im traditionsbewussten Japan gibt es mehr als 50.000 Firmen, die auf mehr als 100 Jahre Geschichte zurückblicken können, schreibt das Magazin "The Atlantic".
Zumeist sind es Familienbetriebe, die in grundlegenden Geschäftszweigen wie Nahrung, Getränke, Bau, Schifffahrt oder Waffen aktiv sind. Die hohen Stammbäume werden auch durch die Praxis verlängert, einen familienfremden Firmenchef im jungen Erwachsenenalter zu adoptieren. Gibt der eigene Nachwuchs das unternehmerische Talent nicht her, kann die Nachfolge also auch anders geregelt werden.
Doch wie der Bericht feststellt, wird die Legende von den langlebigen japanischen Firmen neuerdings zweifelhaft. Im Januar musste Minoya Kichibee, seit 465 Jahren ein Name im Meeresfrüchtegeschäft, Insolvenz anmelden. Im vergangenen Jahr gab Surugaya auf, seit dem Jahr 1461 auf traditionelle Süßspeisen spezialisiert. Und 2007 gab sogar der Tempelbauer Kongo Gumi auf, der auf 1429 Jahre Geschichte zurückblicken konnte.
Drei Fälle sind schon ein Trend. "Zwischen 1955 und 1990 gingen nur 72 japanische Firmen pleite. Die Banken standen ihnen immer bei", zitiert "The Atlantic" die auf japanische Wirtschaft spezialisierte Professorin Ulrike Schaede von der Universität von Kalifornien in San Diego.
Die als Antwort auf die Dauerkrise des Landes eingeführten Strukturreformen haben jedoch mit dieser Tradition gebrochen. Seit 2000 gibt es ein Insolvenzrecht mit Gläubigerschutz, für die Banken bekam das Säubern der Bilanzen von faulen Krediten Vorrang vor der Pflege alter Kundenbeziehungen. "Der Übergang von einem alten zu einem neuen System geschieht nicht über Nacht", erklärt sie, warum die Liberalisierung erst jetzt ihre Opfer fordert.
"Atlantic"-Journalist Joe Pinsker vermutet, dass Unternehmer ohnehin nicht viel von den tausendjährigen Firmen lernen könnten - zufällige Umstände seien ein wichtigerer Faktor als eine kluge strategische Planung. Sehr allgemein gültig sei immerhin der Rat des letzten Chefs von Kongo Gumi zum langen Leben: "Trinken Sie nicht zu viel."