
CSR-Reports sind kein "Gedöns" It's the Nachhaltigkeit, stupid!


Unterschätztes Thema: Viel zu selten nehmen Unternehmen auch ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil der Finanzkommunikation wahr
Foto: iStock via Getty ImagesEntwickelt sich der Wert der Aktie am Kapitalmarkt nicht wie erhofft, suchen viele Unternehmen den Grund hierfür zunächst richtigerweise in der eigenen Kommunikation. Das Einschwenken auf den Erfolgskurs geht oft mit einer Neuausrichtung der IR-Abteilung und ihrer Arbeitsweise einher, immer wieder auch mit einem prüfenden Blick auf den inzwischen vermeintlich irrelevant gewordenen Geschäftsbericht.

Michael Bader
Henning Zülch ist Professor für Accounting and Auditing an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Er ist Verfasser von zahlreichen Beiträgen zu Themen der Internationalen Rechnungslegung und Finanzkommunikation. Zudem ist er wissenschaftlicher Direktor des jährlich vom manager magazin ausgerichteten Wettbewerbs Investors' Darling. Überdies beschäftigt er sich mit der Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Grundprinzipien auf die erfolgreiche Führung von Sportvereinen.
Allerdings beschränken sich viele Unternehmen bei Veränderungen ihrer Kapitalmarktkommunikation auf eine verbesserte Darstellung ihrer Financials. Zwar ist eine Überarbeitung dieses Bereichs in der Mehrzahl der Fälle sicher notwendig und hilfreich für viele Investoren, Analysten und Finanzjournalisten. Das allein reicht jedoch nicht. Die Potenziale, aus finanziellen Kennzahlen aufschlussreiche Informationen über die individuelle Erfolgsgeschichte herauszuziehen, sind schnell gehoben. Viel zu selten nehmen Unternehmen auch ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung als Teil der Finanzkommunikation wahr.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von Unwissenheit über Ignoranz bis hin zu einer bewussten Ablehnung des 'soften' Themas Nachhaltigkeit. Mancher möchte sich womöglich auch nicht dem Verdacht aussetzen, durch 'Greenwashing' am Kapitalmarkt die eigene Aktienperformance steigern zu wollen. Im Ergebnis aber bleibt die Diagnose, dass Unternehmen sich durch ihre Fokussierung auf den tradierten Bereich der Financials und ihre Zaghaftigkeit gegenüber dem Thema CSR verhalten wie der Betrunkene, der seinen Schlüssel unter dem Laternenmast sucht. Von einem Streifenpolizisten angesprochen, ob er etwas verloren habe, bestätigt der Mann: "Meinen Schlüssel." "Haben Sie ihn genau hier verloren?", hakt der Polizist nach. "Nein.", gesteht der Betrunkene: "Auf der gegenüberliegenden Straßenseite." Der Polizist schüttelt verständnislos den Kopf: "Warum suchen Sie dann hier unter der Laterne?" Der Betrunkene: "Weil hier das Licht besser ist."
Der Markt will mehr über Nachhaltigkeit wissen
Die allgemeine Trägheit der Unternehmen, ihr CSR-Reporting mit Blick auf mögliche Kapitalmarkteffekte zu gestalten, ist keine vage Vermutung, sondern empirisch gut belegt. In einer noch unveröffentlichten Studie hat der Lehrstuhl für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling der HHL Leipzig Graduate School of Management insgesamt 40 wissenschaftliche Studien ausgewertet, welche die Korrelation zwischen finanziellen Rahmenbedingungen und der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen untersuchen.
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Unternehmen mit einem Finanzierungsbedarf durch den Kapitalmarkt nehmen mehrheitlich ihre Situation nicht zum Anlass, in ihr CSR-Reporting zu investieren. Dabei ist gute und glaubwürdige CSR-Berichterstattung der Schlüssel für den Finanzierungserfolg eines Unternehmens.
Das Zögern könnte als gerechtfertigt gelten, wenn der Einfluss der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die Kapitalmarktperformance negativ wäre oder zumindest Unklarheit über ihre Auswirkungen bestünde. In der Tat gibt es auch in der Wissenschaft Stimmen, die die These aufstellen, dass Investoren und andere Finanzmarktakteure CSR-Reporting in der Masse als 'Cheap Talk' abtun und folgerichtig nicht in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. Diese Interpretation ist indes zunehmend nicht mehr haltbar.
Dass CSR sich grundsätzlich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt, hat eine Reihe von Studien seit Anfang des neuen Jahrtausends eindrucksvoll dargelegt. Überdies mehren sich die Anhaltspunkte, dass dies auch sehr konkret für den Erfolg am Kapitalmarkt gilt: Öffentlichkeitswirksame Fälle wie der Kurseinbruch bei Volkswagen (und anderen deutschen Automobilherstellern) nach Bekanntwerden der Manipulationen in der 'Dieselgate'-Affäre stellen dabei nur die Spitze des Eisbergs dar und zeigen, wie sensibel Aktionäre inzwischen auf Probleme aus dem Bereich Nachhaltigkeit (oder zumindest deren mögliche juristische Konsequenzen) reagieren können.
Ein neues Verständnis ist zu entwickeln
Die wachsende Bedeutung von CSR (und der Berichterstattung darüber) für den Kapitalmarkt ist also evident. Vor diesem Hintergrund sind die bisher zu beobachtende Vernachlässigung dieses Themas durch die IR-Abteilungen vieler Unternehmen und deren potentielle Auswirkungen auf den künftigen finanziellen Erfolg nicht zu unterschätzen. Offensichtlich wird hier eine bedeutende tektonische Verschiebung auf dem Gebiet der Investor Relations bislang nicht ausreichend antizipiert.
Die möglichen Folgen reichen über weitere staatliche und supra-staatliche Regulierungen, Kurseinbrüche in Folge negativer Presseberichterstattung bis hin zu einem allmählichen allgemeinen Vertrauensverlust in die Anlageform der Aktie. Für die Zukunft ist daher ein neues Selbstverständnis der IR-Arbeit notwendig, die das Thema Nachhaltigkeit explizit als hoch relevant für die Entscheidungen von Investoren und Finanzintermediären einstuft.
Die Berichterstattung hierüber muss als genuiner Teil der Kapitalmarktkommunikation mitgedacht werden. Hierfür werden in den entsprechenden Abteilungen neue Fachkompetenzen aus dem Bereich CSR aufzubauen sein, um zu verhindern, dass künftige Anpassungen sich weiterhin auf eine Neugestaltung der reinen 'Financial Disclosure' beschränken. So können Unternehmen verhindern, dass sie sich weiterhin so verhalten wie der Betrunkene unter dem Laternenmast.
Henning Zülch ist Professor für Accounting and Auditing an der renommierten HHL Leipzig Graduate School of Management und ist Mitglied der MeinungsMachervon manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wider.