Einsatz von Chloroquin gegen das Coronavirus "Wir sollten die Medikamente endlich nutzen"

Biotech-Investor Christian Angermayer: "Nicht übervorsichtig beim Einsatz der vorhandenen Medikamente sein"

Biotech-Investor Christian Angermayer: "Nicht übervorsichtig beim Einsatz der vorhandenen Medikamente sein"

Foto: Apeiron Investment

Christian Angermayer ist Unternehmer und Investor mit Fokus Biotech. Im Oktober 2019 erschien in manager magazin ein ausführliches Porträt des deutschen Investors.  Zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie wirbt Angermayer nun um den raschen und massiven Einsatz eines bislang vor allem als Malariamittel bekannten Medikaments namens Chloroquin in Deutschland. manager magazin hat bereits über die Pläne des Konzerns Bayer für eine Großspende des Mittels berichtet.

manager magazin: Herr Angermayer, was schätzen sie als Biotech-Investor: Wie lange dauert es, bis wir wirksame Medikamente gegen das Corona-Virus haben?

Angermayer: Meine Hoffnung ist, dass sehr zeitnah bereits für andere Indikationen zugelassene Medikamente, die beispielsweise in China, Japan und Südkorea schon gute Wirkung bei Covid-19-Patienten zeigen, nun auch schnell bei uns eingesetzt werden - obwohl sie ursprünglich eigentlich zur Behandlung gegen eine andere Krankheit zugelassen wurden. Man nennt das im Biotech-Deutsch "offlabel use". Außerdem hoffe ich, dass einige ganz neue Medikamente auf den Markt kommen in den nächsten Monaten. Impfstoffe brauchen leider strukturell länger, weil man hier meistens bei Null anfängt. Wenn wir bis Ende des Jahres einen Impfstoff hätten, wäre das schon extrem schnell und würde viel politische Unterstützung voraussetzen, um bestimmte Fristen abzukürzen. Aber Medikamente, die den Krankheitsverlauf abmildern, haben wir schon jetzt und sollten sie endlich auch nutzen.

Besteht wirklich die realistische Chance, dass wir schnell genug Medikamente bekommen, um eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern?

Ja, wenn wir jetzt nicht übervorsichtig beim Einsatz der vorhandenen Medikamente mit Zulassung für andere Krankheiten sind. Wir sollten versuchen, den Verlauf der Krankheit bei jedem Betroffenen zu mildern. Wenn die Krankheit nicht so schwer verläuft, verliert sie ihren Schrecken. Dann müssten nicht so viele Menschen ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation. Das wäre für Gesellschaft und Wirtschaft viel besser als eine möglicherweise monatelange Beschränkung der Bewegungsfreiheit und einem Erliegen der Wirtschaft.

Eine klinische Studie zu Hydroxychloroquin und Coronavirus gibt es noch nicht. Betreiben Sie hier das Prinzip Hoffnung?

Nein, es gibt zahlreiche präklinische Studien und dazu sehr breite Fallstudien - die aber in der Tat nicht wie eine klinische Studie aufgebaut sind, weil dazu einfach die Zeit fehlte - aus China, Südkorea, Australien, den USA und anderen Ländern, die die Wirksamkeit gegen Covid-19 aufzeigen. Des Weiteren sind die eng verwandten Corona-Viren MERS und SARS gut erforscht. Und wie bereits erwähnt wenden viele Krankenhäuser Hydroxychloroquin auch schon an, allerdings meines Erachtens zu spät, nämlich dann, wenn es dem Patienten bereits schlechter geht, und er im Krankenhaus und gar auf der Intensivstation ist. Bei Viren gilt aber die Faustregel: Je früher der Wirkstoff gegeben wird, desto wirksamer.

Fordern Sie den großflächigen Einsatz vielleicht deshalb, weil sie selbst hier ein Geschäft wittern?

Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Patentschutz an Chloroquin ist abgelaufen. Jeder kann es herstellen und darum wird niemand damit richtig Geld verdienen.

Das klingt doch gut!

Tatsächlich ist das ein Problem. Hätte eine Pharmafirma die Rechte daran, würde sie das Tag und Nacht vermarkten, und wir wären schon alle mit genug Chloroquin ausgestattet. So aber wollen alle ein neues Medikament finden, was noch Patentschutz hat, und wir verschwenden wertvolle Zeit.

Sie können aber doch nicht bestreiten, dass gefährliche Nebenwirkungen auftreten könnten, wenn ein Malaria-Medikament bei schwerkranken Coronavirus-Patienten verabreicht wird?

Nebenwirkungen kann jedes Medikament haben. Die Wechselwirkungen bei Hydroxychloroquin mit anderen Medikamenten sind grundsätzlich bekannt. Außerdem haben schon sehr viele Coronavirus-Patienten das Medikament mit großem Erfolg bekommen - und dabei sind wenig Berichte über Nebenwirkungen aufgetreten. Die Risiken sind jetzt so überschaubar, dass wir sie in Kauf nehmen sollten, um die Vorteile des Medikaments für Coronavirus-Kranke zu nutzen.

Ist das Risiko nicht doch zu groß, dass einzelne Patienten gerade durch das Mittel Schaden nehmen?

Mit der aktuellen Einstellung unserer Gesellschaft zum Thema Risiko würden wir das Automobil heute nicht mehr zulassen. Grundsätzlich glaube ich inzwischen, dass das übervorsichtige Vorgehen der Regulierer bei der Zulassung von neuen Medikamenten mehr Leben kostet - weil gute Medikamente zu langsam auf den Markt kommen - als das Leben dadurch gerettet werden.

Wir machen gerade das größte Experiment in der jüngeren Geschichte von Deutschland, das durchaus Deutschland an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kollaps führen kann: Wir legen Gesellschaft und Wirtschaft lahm. Und sind gleichzeitig nicht in der Lage, schnell ein bereits zugelassenes Medikament mit nachgewiesener Wirksamkeit zum Patienten zu bringen. Ich hoffe das ändert sich schnell.

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