Die Meister der Digitalisierung Chief Digital Officer - die neue Führungselite

Wer auf der Suche nach einem zukunftssicheren Job ist, sollte sich mit Digitalisierung beschäftigen und versuchen, ein Teil der neuen technischen Führungselite zu werden.
Von Heiner Thorborg
Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Der war zwar nie Chief Digital Officer, hat aber auch immer nach sinnstiftenden Verknüpfungen gesucht.

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Der war zwar nie Chief Digital Officer, hat aber auch immer nach sinnstiftenden Verknüpfungen gesucht.

Foto: Bernd Von Jutrczenka/ picture alliance / dpa

Warum kommen Unternehmen wie Alibaba Pay, Uber oder Airbnb nicht in Deutschland auf die Welt? Weil "Ingenieurnation" für uns noch immer weitgehend Schraubenschlüssel und Zahnrädchen bedeutet, aber nicht Sharing Economy und Artificial Intelligence. Zumindest wird digitale Transformation in Deutschland noch so wenig ernst genommen, dass vergangenes Jahr in einer Befragung von Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern erst zwei Prozent einen Chief Digital Officer in den eigenen Reihen hatten.

Heiner Thorborg
Foto: Manuel Fischer

Heiner Thorborg gehört zu den profiliertesten Personalberatern in Deutschland. Nach zehn Jahren als Partner bei Egon Zehnder Int. gründete er die Heiner Thorborg GmbH & Co. KG, die Heiner Thorborg & Co. (Zürich) sowie die Initiative "Generation CEO".

Dabei ist Digitalisierung heute das, was um 1900 die Elektrifizierung war und verändert die Unternehmenslandschaft entsprechend dramatisch. Strategie hat daher jetzt vor allem mit Technologie zu tun und damit, neue Geschäftsmodelle für die Zukunft zu entwickeln. Im Zentrum dieser Modelle steht der Kunde.

Diese Weisheiten habe nicht ich erfunden, sondern die Berater von Bain & Company. Ihr Argument in der Beschreibung der "Firm of the Future" leuchtet ein: Größe stand in der Unternehmenswelt bisher für höhere Profitabilität durch Skaleneffekte. Sie stand zugleich aber auch für geringere Kundenzufriedenheit. Für kleine Unternehmen galt das genaue Gegenteil. Diese Schere schließt sich jedoch dank digitaler Technologien. Kleinere Firmen sind heute in der Lage, ihre Größennachteile mit Hilfe der Cloud und Plattformen wie großen Web Services auszugleichen. Und Konzerne können mit Big Data und cleveren Analysetools die Erwartungen ihrer Kunden schneller erkennen und erfüllen.

Chief Digital Officers (ich nutze den Begriff hier für alle Top-Jobs, die mit Digitalisierung zu tun haben, auch wenn deren Titel nicht "CDO" lauten sollte) verstehen diese Zusammenhänge und sorgen dafür, dass ihr Betrieb entsprechende Maßnahmen ergreift. Die Folgen werden aller Voraussicht nach schwerwiegend sein, vor allem für das so genannte Mittlere Management: "Das digitale Zeitalter ist die Ära von Sharing, Plattformen, Allianzen, Kooperationen und virtuellen Teams. Das reduziert den eigenen Investitions- und Managementbedarf. So entstehen vielfältige Kooperationen, um gemeinsam zu forschen, zu produzieren oder zu vermarkten", sagen die Bain-Berater.

Unternehmen werden künftig um diese "erfolgskritischen Funktionen" herum organisiert und das mittlere Management schrumpft, denn in Netzwerkstrukturen entfällt das klassische Karrierebild der "Leiter nach oben". Die verbliebenen Führungskräfte konzentrieren sich auf effiziente Verwaltung und Mitarbeiter-Entwicklung. Andy Haldane, der Chefvolkswirt der Bank of England, ist bereits mit der Schätzung angetreten, dass in Großbritannien 15 Millionen Jobs weg-automatisiert werden könnten.

Wer auf der Suche nach einem zukunftssicheren Job ist, sollte sich daher mit Digitalisierung beschäftigen und sich bemühen, selbst ein Teil der "erfolgskritischen Funktionen" zu werden. International läuft die Welle bereits. Immer mehr Organisationen verabschieden sich von den bisher verbreiteten experimentellen Insellösungen, in denen kleine Teams neue digitale Projekte erproben und suchen nach einer kohärenten Gesamtlösung für den gesamten Betrieb. Strategy& (vormals Booz) beobachtet daher, dass unter den 2500 größten Unternehmen der Welt die Zahl derjenigen mit CDO innerhalb von zwei Jahren von sechs Prozent auf 19 Prozent gestiegen ist. Meiner Meinung nach ist das ein guter Indikator dafür, wie dringend weltweit Leute gesucht werden, die groß angelegte Digitalisierungsprojekte treiben können.

Wo vor zwei Jahren vor allem konsumenten-orientierte Branchen wie Medien, Tourismus und Lebensmittelindustrie entsprechende Positionen eingerichtet haben, sind nun auch Versicherungen und Banken aufgewacht. So hat die Deutsche Bank zum Beispiel gerade mit Thomas Nielsen einen CDO an Bord geholt, der das Global Transaction Banking neu aufrollen soll. Dass der Mann vom britischen Lebensmittelriesen Tesco kommt und nicht aus Deutschland, ist allerdings keine Überraschung.

Gesucht sind Leute mit hoher Führungskompetenz und technischem Wissen, denn die Zahl neu ernannter CDO mit technischer Ausbildung steigt, während die Zahl derjenigen sinkt, die aus Marketing oder Vertrieb kommen. Das ist sinnvoll, da es in den meisten Organisationen auch darum geht, eine in Dekaden gewachsene IT-Architektur fit für digitale Anwendungen zu machen.

So ein CDO-Job ist aber nicht nur technisch eine Herausforderung. Die meisten Unternehmenskulturen sind auf Selbsterhaltung programmiert und nicht auf Transformation, zumal viele Kollegen noch glauben, das Thema "digital" sei mit dem Webshop abgehandelt. Überall fehlen Talente mit entsprechendem Weitblick, und die vorhandenen, meist jüngeren Experten beißen sich an den üblichen zentralisierten Kontrollstrukturen im Betrieb die Zähne aus.

Die jüngste "Digital IQ"-Analyse von PwC ergab dann auch, dass die Talent-Lücke das größte Problem vieler Unternehmen bei dem Versuch ist, Investitionen in Technologie rentabel zu machen. Dafür steht auch, dass fast die Hälfte aller neu bestellen CDO extern geheuert werden. Was vor allem bei branchenübergreifenden Besetzungen wieder zu neuen Problemen führt - denn viele Sektoren sind heute so komplex, dass es ohne Branchenerfahrung nicht geht.

Ein wesentliches Thema für die CDO der Zukunft wird ohnehin die Frage sein, wie die Mitarbeiter trainiert und weiterentwickelt werden müssen, um auch künftig zur Wertschöpfung beizutragen. Wer jedoch behauptet zu wissen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten in zehn Jahren eine Jobgarantie beinhalten, lügt, denn der Wandel ist schneller und dramatischer denn je. Konkrete Antworten hat auch der beste CDO nicht. Klar ist jedoch, dass sich die Jobs der allermeisten Menschen schneller wandeln werden als ihnen lieb ist. Wir alle sollten uns fragen: Welcher Teil meiner Aufgaben könnte von einem Roboter übernommen werden? Kann vielleicht der gesamte Job künftig von einer Maschine erledigt werden? Ein guter CDO der Zukunft wird Szenarien entwickeln, in denen Technologie nicht nur Jobs zerstört, sondern auch welche schafft.

Die Risiken der Digitalisierung sind gewaltig, die Chancen allerdings auch. Die richtige Antwort auf die Frage, wer als CDO ein Unternehmen auf diesem Weg führen soll, wird für viele Unternehmen in der Tat zur erfolgskritischen Funktion.

Heiner Thorborg ist Personalberater und Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren