So managen Sie den digitalen Wandel Wie Manager "Change" bewältigen

Kein Megatrend treibt die Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft so rasch an wie die Digitalisierung. Neue Geschäftsmodelle und Produkte entstehen, alte sterben, Prozesse sollen im "Enterprise 2.0" interaktiver und weniger durch Hierarchie gesteuert sein, Projekte werden miteinander vernetzt simultan durchgeführt.
Die neuen Technologien eröffnen Change-Verantwortlichen ungeahnte Möglichkeiten: Unabhängig von Geographie und Zeitzonen lassen sich Mitarbeiter durch IT-Vernetzung in Veränderungsprozesse einbinden. Brainstormings in Live-Meetings werden genauso möglich wie interaktive Jam-Sessions, bei denen Mitarbeiter ihre Lösungsvorschläge einbringen können. Feedbacks lassen sich virtuell einholen und ebenso rasch wie strukturiert auswerten.
Interne soziale Netzwerke und Wikis sorgen dafür, dass alle Beteiligten über den Projektfortschritt und individuelle Arbeitsschritte auf dem gleichen Stand sind und sich austauschen können - um persönliche Meetings noch gezielter vorzubereiten. Amerikanische Firmen, insbesondere natürlich im IT- und Technologie-Umfeld, haben hier bereits hochprofessionalisierte Lösungen geschaffen. Deutsche Unternehmen hängen hier noch hinterher, vor allem viele Mittelständler.
Digital-Evangelist: Führungskräfte als Treiber des digitalen Wandels
Aufgrund der heute immer einfacher verständlichen Nutzeroberflächen benötigen viele Beteiligte keine vertieften Kenntnisse über Digitalisierung oder IT. Anders sieht dies jedoch bei den Change Managern - also den Führungskräften - selbst aus: Ihr Anforderungsprofil steigt drastisch.
Business Intelligence, Big Data, Cloud Services oder Data Science dürfen für sie keine Fremdworte mehr sein. Vielmehr müssen sie selbst zu Treibern und Gestaltern hinter den Prozessen werden, die hinter den neuen Technologien stehen. Unternehmenschefs müssen darum ihre Führungskräfte dauerhaft intensiv weiterbilden, damit niemand den Anschluss verliert.
Regisseur - Warum Führungskräfte den Mitarbeitern Rollen zuteilen sollten
Aufgrund der hohen Komplexität und des ständigen Wandels reicht das allgemein gehaltene, von vielen Change-Verantwortlichen nach wie vor genutzte Modell, "alle Beteiligte zu Betroffenen" zu machen, nicht mehr aus, um erfolgreiche Veränderungsprozesse zu steuern.
Es ist vielmehr Aufgabe der Führungskräfte, bewusste Entscheidungen zu treffen, wen sie in welcher Form an einem Change-Projekt beteiligen wollen. Wo führen sie top-down, wo bottom-up? Welche Entscheidungskompetenzen übertragen sie, wie verteilen sie diese? Nicht immer ist es sinnvoll, alle Betroffenen gleich einzubinden, wie bisher propagiert.
Erfolgreiche Veränderungsprojekte können sehr wohl in einem spezifischen Team starten und von dort aus Stück für Stück auf weitere Mitarbeiter und Prozesse im Unternehmen übertragen werden. Dies ermöglicht es den Führungskräften, vor allem mit den wirklich Fähigen und Willigen zu arbeiten, mit denen sich komplexe Veränderungen umsetzen und damit rasch in Ergebnisse verwandeln lassen.
Nicht alle müssen an allem teilnehmen
Entscheidend ist der Grundsatz: Partizipation ist kein Selbstzweck. Der spezifische Kontext - z. B. Wie schnell muss es gehen? Wer kann am ehesten zur Lösung der Fragestellung beitragen? - ist Grundlage für die Entscheidungen der Führungskräfte.
Dies kann auch zur Folge haben, dass Mitarbeiter sehr wohl nicht partizipieren dürfen. Zum Beispiel bei der Entwicklung einer Strategie. Oder dass sie nur Teil-Entscheidungen treffen dürfen, wenn es beispielsweise um das Wie der Implementierung dieser Strategie in ihrer Abteilung geht.
Wird den Mitarbeitern transparent erläutert, warum sie zu welchem Grad einbezogen werden, verstehen und akzeptieren sie die ihnen zugewiesenen Rollen. Natürlich ist es von großer Bedeutung, dass Führungskräfte hier frühzeitig erkennen, wer welche Rollen optimal ausfüllt. Denn Fehlzuweisungen machen sich rasch bemerkbar: Spätestens, wenn der Gesamtprozess ins Stocken geraten ist.
Pionier - Warum Führungskräfte bewusst Regeln brechen sollten
Viele Initiativen, gute Ideen und Ergebnisse versinken in Change-Projekten in Formalismen, endlosen Statusberichten, Zertifizierungen und im schlimmsten Fall in der Diskussion über die Ampelfarbe zum aktuellen (Teil-)Projektfortschritt. Ganz nach dem Grundsatz: Es gibt nichts, was nicht zu Tode verwaltet werden könnte. In der Welt der wachsenden Komplexität potenziert sich dieses Problem.
Führungskräfte sollten daher mutig sein: Sie sollten auf kleinere und schnellere Steuerungsformate setzen, die frühzeitig Ergebnisse liefern. Zum Beispiel einen einzelnen Komplex - nehmen wir hier als Beispiel Kundenmanagement - herausgreifen. Die Aufgabenstellungen in diesem Bereich in zwei Tagen mit dem Führungskreis priorisieren. Ziele definieren, die in 100 Tagen zu erreichen sind. Dann unmittelbar mit der Arbeit zum Erreichen dieser Ziele beginnen.
Schnelligkeit geht vor Perfektion. Denn Ergebnisse sorgen für Motivation. Um gleich das nächste Ziel ins Auge zu fassen.
Projekten dieser Art sind gemein: Es gilt, bewusst Regeln zu brechen. Regeln der Hierarchie, der geordneten Struktur, der geübten Prozesse. Aber um nichts anderes geht es auch bei erfolgreichem Change.
Etwas Neues wird nur gefunden, wenn auch anders gedacht und gearbeitet wird. Führungskräfte müssen sich dafür der Rückendeckung des Top-Managements rückversichern. Denn eins ist auch klar: Agile Strukturen funktionieren nicht aus sich selbst heraus, sie müssen erlernt und geübt werden. Doch wenn klassisch strukturierte Unternehmen, wie im deutschen Mittelstand häufig vorzufinden, nicht jetzt ihren Führungskräften diesen Spielraum geben: Wie wollen sie dann zukünftig gegen die mittlerweile vollständig flexibilisierten Unternehmen aus dem angelsächsischen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben?
Mitfühlender - Warum Empathie für Führungskräfte immer wichtiger wird
Unzählige Studien belegen: Menschliche Entscheidungen werden fast immer aufgrund von Emotionen getroffen, nicht auf Basis von Fakten. Umso verwunderlicher, dass sich auch heute noch viele Führungskräfte damit brüsten, möglichst emotionslos und nach sachlichen Erwägungen zu entscheiden.
Ich prognostiziere: Diese Führungskräfte werden in anspruchsvollen Veränderungsprozessen scheitern. Denn weder sind die in der Lage, die richtigen Mitarbeiter für die richtigen Rollen auszuwählen. Noch ist es ihnen möglich, erfolgreich neue Management-Ansätze zu etablieren, die einer nicht klassisch-hierarchischen Form der Führung bedürfen. Die Prämisse "Gefühle haben im Geschäft nichts zu suchen" hat ausgedient.
Der Grund: Zur Führung kritischer Change-Projekte müssen Führungskräfte die Gefühls- und Bedürfnislage ihrer Mitarbeiter verstehen. Dazu bedarf es einer Kompetenz, die heute immer wichtiger wird: Empathie. Nur mit dieser sind Führungskräfte in der Lage, eine Vorstellung über die Sorgen und Ängste als auch die Motivationen und Ziele ihrer Mitarbeiter zu erhalten. Dies ermöglicht es Führungskräften, zum einen bei der Rollenverteilung zu differenzieren, wer die wirklich Willigen sind und wer die heimlichen Blockierer. Und Fehlbesetzungen so gut es geht zu vermeiden.
Zum anderen ist es über die gesamte Projektdauer notwendig, die Standpunkte von Teammitgliedern und allen Betroffenen zu verstehen. So erkennen Führungskräfte, wen sie vor allem mit Motivation und Perspektive zum aktiv Handelnden machen können. Und bei wem es notwendig sein kann, Handlungsdruck zu erzeugen.
Eine gezielte Dosierung zwischen Motivation und Druck ist nur wirksam, wenn sie richtig eingesetzt wird. Ansonsten führt sie schnell zu Konflikten und gegenseitiger Frustration. Wird sie jedoch richtig angewandt, erschließt sie das ganze Potenzial jedes einzelnen Mitarbeiters.
Stephan Penning ist Geschäftsführender Gesellschafter von Penning Consulting. Er berät Vorstände, Geschäftsführer und Top-Management im Bereich Change-Management, Diagnostik und Management Development. Vor der Gründung von Penning Consulting im Jahr 2009 war er für verschiedene namhafte deutsche Personalberatungen tätig. Er ist Diplom-Psychologe.