Cockpit einer Boeing 737 MAX 8
Foto: Abhirup Roy/ REUTERSDieselbe Boeing 787 Max 8, die am 29. Oktober vergangenen Jahres mit 189 Passagieren an Bord in die Java-See stürzte, war offenbar einen Tag zuvor knapp einer Katastrophe entkommen. Nur dem Eingreifen eines als Gast zufällig mitfliegenden Piloten sei es zu verdanken, dass die Maschine nicht abstürzte, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf zwei mit der Untersuchung vertraute Personen.
Der Pilot habe dem Bericht zufolge der Crew von Lion Air bei einem Software-Problem geholfen, das für den Absturz der Maschine verantwortlich sein soll. Er sei ins Cockpit der Lion Air-Maschine geeilt und habe den hilflosen Piloten dann erklärt, wie das Flugsteuerungssystem deaktiviert und die Maschine wieder in eine sichere Flugposition gebracht werden könne.
Am folgenden Tag dann stürzte dieselbe Boeing 737 Max 8 mit einer anderen Besatzung nur wenige Minuten nach dem Start ab.
Auf dem damaligen Flug von Bali nach Jakarta soll der Gastpilot die Crew aufgefordert haben, die Stromzufuhr zum Motor des Trimmsystems zu unterbrechen, um das Problem zu entschärfen. Dies sei ein Teil einer Anweisung, die alle Piloten auswendig lernen müssten. Der Vorfall, wenn er sich so ereignet hat, wirft allerdings Fragen auf: Nämlich, warum es einzelnen Piloten offenbar gelingt, das Trimmsystem einer Boeing 737 Max außer Kraft zu setzen, während andere offensichtlich die Kontrolle über ihre Flugzeug verloren.
Unglücksmaschine von Indonesien hätte schon mehrfach Probleme gehabt
Über den Vorfall und die Anwesenheit eines dritten Piloten hatte nichts im Bericht des Ausschusses für Nationale Verkehrssicherheit (NTSC) in Indonesien gestanden. Bloomberg zitiert einen Lion-Air-Sprecher mit den Worten: "Alle Daten und Informationen, die wir über den Flug und das Flugzeug haben, wurden dem indonesischen NTSC übermittelt." Wegen der laufenden Untersuchung des Unglücks in Äthiopien wolle die Gesellschaft sich nicht weiter dazu äußern.
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Laut Bloomberg soll dem NTSC-Bericht zufolge das in Indonesien abgestürzte Flugzeug zuvor schon mehrfach Probleme gehabt haben. Der Flugzeugbauer Boeing als auch der Ausschuss wollten Fragen von Bloomberg zu dem Fall nicht beantworten.
Zwar liegt noch keine endgültige Gewissheit über die Absturzursache des in Indonesien abgestürzten Flugs Lion Air 610 vor. Doch gab es zuletzt Hinweise darauf, dass die Piloten vergeblich gegen das automatische Trimmsystem MCAS ankämpften, das die Nase des Flugzeugs nach unten drückte. Möglicherweise die gleichen Probleme könnten auch den Absturz einer Maschine des gleichen Typs am 10. März in Äthiopien verursacht haben.
Defektes Trimmsystem MCAS als zentrale Ursache für zwei Abstürze?
Die These, dass Fehler des MCAS-Systems für die Unfälle mit verantwortlich sein könnten, stützt auch ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht des englischsprachigen Dienstes der Nachrichtenagentur Reuters. Bei dem Todesflug von Indonesien sollen die Piloten verzweifelt im Handbuch der Maschine geblättert haben, um Hinweise zu finden, wie die sich senkende Nase des Flugzeugs wieder nach oben ziehe ließe. Vergeblich, denn ganz offensichtlich wurden sie nicht fündig oder die Zeit dafür reichte nicht aus. Reuters bezieht sich in seinem Bericht auf Informanten, die die Auswertung des Cockpit-Recorders kennen sollen. Die Nachrichtenagentur selbst hatte keinen Zugriff auf die Aufzeichnung oder das Transkript.
Schon wieder ein tödlicher Unfall, wieder kurz nach dem Start ohne erkennbare äußere Ursache, wieder eine nagelneue Boeing 737 Max 8. Am Sonntag ist Flug 302 der Ethiopian Airlines mit 157 Menschen an Bord nahe Addis Abeba abgestürzt. Am 29. Oktober 2018 hatte ein Crash desselben Modells der indonesischen Lion Air 189 Opfer gefordert. Die Fragen nach der Sicherheit der 737 Max werden nun wieder laut. Die meisten Länder haben einen vorläufigen Flugstopp für Boeings meistbestelltes Flugzeug verordnet.
Vor einem Jahr gab es noch eine Jubelfeier für das 10.000ste produzierte Flugzeug der seit 50 Jahren bestehenden 737-Familie, deren 2017 gestartete neue Generation Max heißt. Das Stück ging an die texanische Firma Southwest Airlines. Der Ur-Billigflieger ...
... ist der wichtigste Kunde der Boeing 737 Max. Bisher wurden 34 der 280 bestellten Flugzeuge ausgeliefert. Die gesamte Flotte besteht aus Fliegern der 737-Familie. Southwest beharrte noch bis Mittwoch gemeinsam mit Boeing und der US-Flugaufsicht FAA auf der Sicherheit des Modells. Southwest-Piloten hatten sich ...
... nach dem Crash in Indonesien kritisch über Boeings (Nicht-)Information über die mögliche Problemquelle der automatischen Flughöhenkontrolle MCAS geäußert, ebenso wie die Kollegen von American Airlines. Dort wurden bislang 24 von 100 bestellten 737 Max in Empfang genommen. Insgesamt besitzen US-Airlines laut FAA 74 der weltweit 387 Max-Flieger.
Air Canada hat ebenfalls 24 von 61 bestellten 737 Max erhalten. Mit den 13 Maschinen der kleineren Gesellschaft Westjet Airlines ist Kanada eine der 737-Max-Hochburgen. Auch dort verordnete die Regierung am Mittwoch einen Flugstopp - bevor die USA nachzogen und damit die letzten noch fliegenden 737 Max aus dem Verkehr zogen.
Brisant ist die Diskussion um die 737 Max vor allem in China, wo die Behörden mit einem frühzeitigen Flugstopp sensibel reagieren. Das Land liegt zwar nach der Zahl der Vorbestellungen nicht vorn, wohl aber nach der Zahl der bereits ausgelieferten Flugzeuge: 71 (ohne Leasing-Verträge). Air China hat bereits alle 29 Exemplare aus der örtlichen Boeing-Fabrik abgeholt. Auch Hainan (16), China Eastern (14), Xiamen (10), Shandong (7) oder Shenzhen (5) können ihre Orders jetzt nicht mehr stornieren. Nur Großkunde China Southern hat von 50 Bestellungen noch 16 offen.
Der arabische Billigflieger Flydubai hat in seiner aggressiven Expansion am stärksten auf die 737 Max gesetzt: In den Emiraten sind 20 Maschinen angekommen, bestellt sind aber ganze 251. Schon bislang liegt der Anteil an der Flotte laut Planespotters.net bei 23 Prozent. Damit ist Flydubai am stärksten von den Flugverboten betroffen, die schließlich auch in den Emiraten und Indien verhängt wurden.
In Europa heißt der bislang wichtigste 737-Max-Betreiber Norwegian Air. Die von Ex-Kampfpilot Bjørn Kjos gegründete Billigfluggesellschaft hat derzeit sowieso schon Sorgen um die eigene Existenz. Das Grounding der 18 (von 110 bestellten) neuen Flugzeuge - eines davon nach einer vor Monaten passierten Panne gerade erst aus dem Iran befreit - könnte dem Unternehmen den Rest geben. Norwegian fordert Schadenersatz von Boeing.
Mit der ersten 737 Max abgestürzt ist auch der Ruf der indonesischen Billigfluglinie Lion Air, die als Erstkunde bislang 14 Maschinen erhielt, aber ganze 201 bestellt hat. Vier davon sind für 2019 vorgesehen, Lion Air will aber die Annahme verweigern - und wenn möglich zu Airbus wechseln. Der Technikchef der Firma musste nach dem Crash in der Javasee zurücktreten. Zugleich demonstrierte die indonesische Flugaufsicht starken Aufklärungswillen. Die Behörde, früher von EU und USA als Quell der Unsicherheit gebrandmarkt, will auch in Äthiopien helfen. Abgeschlossen ist der Fall Lion Air auch nach dem Fund des Stimmrekorders aus dem Cockpit noch nicht. Indonesische Angehörige von Opfern verklagen Boeing.
Deutsche Airlines seien nicht betroffen, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Allerdings gehören dem deutsch-britischen Reisekonzern Tui 15 Flugzeuge des Modells Boeing 737 Max, insgesamt sind 72 bestellt. Das Bild vom Boeing-Werk Renton im November zeigt einige 737 Max 8, von denen eine schon teilweise mit dem Tui-Logo lackiert ist. Der Erstflug der deutschen Tuifly-Maschine, gerade erst in Seattle übergeben, ist für den 13. April von Hannover nach Las Palmas geplant. Tui hielt am Flugplan fest, bis die britische Flugaufsicht den Plan durchkreuzte.
Für deutsche Passagiere relevant ist auch Turkish Airlines. Die türkische Staatsairline hat 75 Maschinen bestellt und zwölf davon bereits in Besitz genommen. In einer Flotte von mehr als 300 Flugzeugen fallen die kaum auf, sind aber auf Strecken wie Istanbul-Köln oder Istanbul-Leipzig wichtig. Turkish Airlines stoppte die Flüge jedoch schon, bevor auch das Verkehrsministerium in Ankara intervenierte. Der mit Lufthansa gemeinsam betriebene Urlaubsflieger Sunexpress hat weitere 32 Max-Flieger bestellt, aber noch nicht erhalten.
United Airlines besitzt weitere 14 Maschinen der größeren Ausführung 737 Max 9. In Chicago halten Konzernführung und Pilotenverein zu Boeings Sicht, die Unfälle seien mit in der Pilotenausbildung üblichem Wissen zu verhindern gewesen. Dem Grounding muss sich United trotzdem fügen.
Weltweit hat Boeing 387 Flugzeuge der 737 Max ausgeliefert. Noch keines davon gehört Großkunde Ryanair. Der irische Billigflieger hat aber 135 Stück bestellt und folgt dem US-Vorbild Southwest. Bislang besteht die gesamte Ryanair-Flotte aus dem Vorgängermodell 737-800, dessen letztes Ryanair-Exemplar im Dezember 2018 ausgeliefert wurde. Die "einheitliche Flotte hilft uns dabei, die Kosten niedrig und die Sicherheitsstandards hoch zu halten", heißt es auf der Website der Iren. Für die Zukunft heißt das, dass die Ryanair-Piloten auf 737 Max umschulen müssen. Die ersten Flüge sind für Mai geplant - vorausgesetzt, bis dahin geben die Behörden sie frei.
Quellen: Boeing, FAA, Planespotters.net
Mit der ersten 737 Max abgestürzt ist auch der Ruf der indonesischen Billigfluglinie Lion Air, die als Erstkunde bislang 14 Maschinen erhielt, aber ganze 201 bestellt hat. Vier davon sind für 2019 vorgesehen, Lion Air will aber die Annahme verweigern - und wenn möglich zu Airbus wechseln. Der Technikchef der Firma musste nach dem Crash in der Javasee zurücktreten. Zugleich demonstrierte die indonesische Flugaufsicht starken Aufklärungswillen. Die Behörde, früher von EU und USA als Quell der Unsicherheit gebrandmarkt, will auch in Äthiopien helfen. Abgeschlossen ist der Fall Lion Air auch nach dem Fund des Stimmrekorders aus dem Cockpit noch nicht. Indonesische Angehörige von Opfern verklagen Boeing.
Foto: DPAFür deutsche Passagiere relevant ist auch Turkish Airlines. Die türkische Staatsairline hat 75 Maschinen bestellt und zwölf davon bereits in Besitz genommen. In einer Flotte von mehr als 300 Flugzeugen fallen die kaum auf, sind aber auf Strecken wie Istanbul-Köln oder Istanbul-Leipzig wichtig. Turkish Airlines stoppte die Flüge jedoch schon, bevor auch das Verkehrsministerium in Ankara intervenierte. Der mit Lufthansa gemeinsam betriebene Urlaubsflieger Sunexpress hat weitere 32 Max-Flieger bestellt, aber noch nicht erhalten.
Foto: MURAD SEZER/ REUTERSUnited Airlines besitzt weitere 14 Maschinen der größeren Ausführung 737 Max 9. In Chicago halten Konzernführung und Pilotenverein zu Boeings Sicht, die Unfälle seien mit in der Pilotenausbildung üblichem Wissen zu verhindern gewesen. Dem Grounding muss sich United trotzdem fügen.
Foto: JUSTIN SULLIVAN/ AFP