Nach Flugzeugabstürzen Boeing findet neues Softwareproblem

Geparkte Maschinen vom Typ 737 Max auf dem Flughafen Southern California Airport in Victorville
Foto: MARK RALSTON/ AFP
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Nach zwei Abstürzen von Boeings Flugzeugtyp 737 Max 8 in weniger als einem halben Jahr hat der US-Hersteller Probleme mit einer weiteren Software eingeräumt. Diese seien bei der Überarbeitung des umstrittenen Steuerungsprogramms MCAS festgestellt worden, stünden aber nicht in direktem Zusammenhang damit. Das teilte Boeing in der Nacht auf Freitag mit.
Zuvor hatte die "Washington Post" berichtet, dass die US-Luftfahrtbehörde FAA das neue Problem beanstandet habe. Solange es nicht gelöst sei, werde das Startverbot für Boeings Unglücksflieger der 737-Max-Serie nicht aufgehoben. Die Zeitung schrieb unter Berufung auf zwei mit der FAA-Untersuchung vertraute Quellen, dass das Problem als entscheidend für die Flugsicherheit eingestuft werde.
Scoop: It's a second flight-control software problem (which Boeing has not prevously acknowledged) that is actually keeping the 737 Max grounded for another month. FAA has ordered a fix. https://t.co/zTtheRTp9I
— Aaron C. Davis (@byaaroncdavis) April 4, 2019
Boeing selbst bezeichnete das neue Softwareproblem dagegen als "relativ geringfügige Angelegenheit", das zusammen mit dem MCAS-Update adressiert werde. "Wir haben bereits eine Lösung dafür in Arbeit", hieß es in der Stellungnahme des Konzerns. In den "kommenden Wochen" werde das Update so weit sein, dass es der FAA zur Zertifizierung vorgelegt werden könnte. Boeing verfolge einen "umfassenden, disziplinierten Ansatz, um es richtig zu machen".
Boeing-Chef räumt Probleme mit Steuerungssoftware MCAS ein
Vorstandschef Dennis Muilenburg hatte kurz zuvor so deutlich wie noch nie Probleme mit der Steuerungssoftware MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System) eingeräumt. Es scheine nach dem vorläufigen Ermittlungsbericht zum Absturz in Äthiopien, als ob das Programm durch falsche Sensordaten unnötigerweise eingeschaltet worden sei, teilte Muilenburg am Donnerstag mit . Damit wird die These, dass ein Softwarefehler die Maschine Richtung Boden lenkte, von oberster Konzernstelle gestützt.
Zuvor hatten Boeing und auch die US-Behörde für Flugsicherheit FAA die These vertreten, die Piloten hätten sich womöglich nicht an Boeings Notfallvorgaben gehalten.
Das dringend erwartete MCAS-Update werde sicherstellen, dass Unfälle wie in Äthiopien und Indonesien "nie wieder passieren", sagte nun Boeing-Chef Muilenburg. Bislang hatte der Flugzeughersteller stets bestritten, dass die MCAS-Software ein Sicherheitsrisiko darstellt. Kurz vor Muilenburgs Stellungnahme hatte der Konzern aber bereits versprochen, dass Piloten künftig immer die Möglichkeit haben werden, die Automatik auszuschalten und zur manuellen Kontrolle zu wechseln.
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Das eigens für die spritsparende Max-Neuauflage von Boeings 737-Serie entwickelte MCAS-Programm soll eigentlich dafür sorgen, in bestimmten Flugsituationen - wie bei einem zu steilen Aufstieg des Jets - automatisch den Flugwinkel zu korrigieren. Doch die bisherigen Unfallberichte deuten darauf hin, dass das System bei den Abstürzen durch falsche Sensordaten fälschlicherweise aktiviert wurde - mit fatalen Folgen.
Beim Absturz der Lion-Air-Maschine in Indonesien Ende Oktober soll der Bordcomputer die Nase der Boeing 737 Max 8 wegen der MCAS-Fehlfunktion automatisch immer wieder nach unten gedrückt haben, während die Crew gegenzusteuern versuchte. Ein ähnliches Szenario gilt inzwischen auch beim Ethiopian-Airlines-Absturz vom 10. März als wahrscheinlich. Insgesamt starben bei den Unglücken 346 Menschen.
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Die US-Luftfahrtbehörde FAA gerät jetzt immer stärker in die Kritik. Sie wird verdächtigt, bei der Zertifizierung der Boeing 737 Max 8 die Kontrolle komplett aus den Händen große teile der Sicherheitsprüfungen Ingenieuren des Konzerns selbst überlassen zu haben.
Das US-Verkehrsministerium aber auch die Bundespolizei FBI untersuchen den Fall. Der amtierende FAA-Chef Daniel Elwell hatte noch bei einer Anhörung im Senat alle Kritik zurückgewiesen.
Boeing hatte nach dem Absturz in Äthiopien empfohlen, die gesamte Flotte von 371 bisher ausgelieferten Boeing 737 Max zunächst nicht mehr starten zu lassen. Ein endgültiger Bericht soll laut äthiopischen Behörden in sechs bis zwölf Monaten vorliegen.