Mensch und Maschine "Blockchain sorgt für Sicherheit - auch ohne Treuhänder"

Blockchain, Industrie 4.0, Deep Learning - viele Mittelständler setzen die neuen digitalen Möglichkeiten nur sehr zögerlich ein. Rolf Werner, Deutschland-Chef von Fujitsu, nennt Beispiele, wie die neuen Technologien im industriellen Alltag ankommen - und welche Aufgaben die Tech-Anbieter noch stemmen müssen.

mm: Die Blockchain-Technologie erhebt den Anspruch, Prozesse zwischen Unternehmen erheblich zu beschleunigen. Wenn Zahlungs- oder Lieferprozesse in "Echtzeit" und ohne einen Mittelsmann ablaufen - wer sorgt dann noch für die Sicherheit?

Rolf Werner: Die Blockchain-Technologie basiert auf einem dreistufigen Sicherheitskonzept: einer digitalen Signatur, einer Hashfunktion und einem sogenannten Consensus-Algorithmus. Das macht die Lösung sicher und vertrauenswürdig. Durch die Architektur werden zudem mehrere gesetzliche Anforderungen abgedeckt - wie beispielsweise Business Continuity Management (BCM) oder Desaster Recovery Management (DRM).

mm: Das klingt reichlich abstrakt ...

Foto: Fujitsu

Rolf Werner ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Fujitsu in Deutschland. Als Head of Central Europe ist er außerdem für die Geschäfte des japanischen Konzerns in Österreich und der Schweiz verantwortlich.

Werner: Stellen Sie sich eine Lieferkette zwischen mehreren Unternehmen vor. Entlang einer auf Blockchain-Technologie gebauten Lieferkette lassen sich die Authentizität und der Herkunftsnachweis jedes Produktes mithilfe des digitalen Fußabdrucks sicherstellen - und das über mehrere Unternehmen hinweg bis hin zum Endverbraucher. Das lässt sich durch Blockchain-basierte Standard-Tools realisieren, um Herkunft und Zusammensetzung des Produktes nachzuvollziehen. Sämtliche Transaktionen sind damit entlang der Supply Chain unveränderlich gesichert und einsehbar - ohne dass man ein "Trusted Center", also einen Treuhänder oder sonstigen Intermediär hinzuziehen muss. Wenn Sie so wollen, sorgt die Blockchain-Technologie durch ihre spezielle Architektur und durch ihre Komplexität für Sicherheit - auch ohne einen Treuhänder.

mm: Ein Prozess soll ausgerechnet durch Verzicht auf ein "Trusted Center" sicherer werden?

Werner: Die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Prozesse ist ja durch die Blockchain-Architektur schon vorhanden und abgesichert. Sicherheitsrisiken, wie zum Beispiel der Bruch einer Kühlkette oder ein Ausfall einer Forderung, können in Echtzeit ausgeschaltet werden, ohne dass ein Vermittler oder Aufseher in den Prozess eingreifen muss. Das sorgt für Mehrwert für Unternehmen und Konsumenten.

mm: Wie aber kann ein Unternehmen dafür sorgen, dass seine geschützten Daten nicht innerhalb der Blockchain auch von anderen genutzt werden?

Werner: In der Tat benötigt die Fertigungsindustrie neue Technologien, um sensible Information innerhalb dieser dezentralisierten Wertschöpfungsketten zu schützen. Dazu gehören zum Beispiel Design- und Produktionsparameter oder auch komplette Produktdatensätze, die für den 3D-Druck von Produkten benötigt werden. So muss ein Anbieter von 3D-Druck-Technologie sicher sein, dass ein Produkt nur in der bestellten Anzahl gedruckt werden kann und die Produktdaten im Anschluss gelöscht werden.

mm: Stichwort Fertigungsindustrie - die Schlagworte "Blockchain" und "Industrie 4.0" umschreiben nicht nur die Interaktion zwischen Maschinen, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Maschine und Mensch. Wie lange wird es noch dauern, bis Industrie-Roboter ihre Produktionskäfige verlassen?

Werner: Normalerweise müssen in der Produktion Roboter und Menschen aufgrund von Sicherheitsrichtlinien getrennt arbeiten. In der Zukunft muss sichergestellt werden, dass beide sicher und effizient miteinander arbeiten. Die Roboter nehmen sich hier der körperlich anstrengenden Arbeit an, um die Menschen so gut wie möglich zu entlasten. Um die Sicherheit zu garantieren, werden Sensoren und IoT-Systeme eingesetzt, die intelligente und sichere Roboter erschaffen und gleichzeitig eine integrative Rolle am Arbeitsplatz spielen.

Enormer Ressourcenbedarf durch Deep Learning - und immer mehr Anwendungen

mm: Bis dahin müssen Roboter aber noch viel lernen ...

Werner: Der wichtigste Aspekt bei der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ist unsere Fähigkeit, differenziert zu kommunizieren und dies auch auf die hochgradig arbeitsteilige Zusammenarbeit anzuwenden. Ein einfaches Beispiel: Wenn wir fragen: "Haben Sie die Uhrzeit?", dann lautet die Antwort der Maschine "Ja". Die Intention der Frage war aber natürlich eine andere. Semantik ist daher eines der wichtigsten Kernfelder, damit wir mit der Technologie "Robotik" zielführend kommunizieren können. Das geht nur interdisziplinär und weit über die Grenzen der reinen Programmierung hinaus.

mm: Spracherkennung gehört bereits zur Grundausstattung eines Smartphones ...

Werner: Software-Roboter interagieren bereits mit uns über Internetportale zur Informationsgewinnung, zum Einkauf, in der Web-Kommunikation. In vielen Ländern ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass Service-Roboter Gäste in Hotels oder Reisende in Zügen begrüßen - auch wenn dieser Trend hierzulande noch etwas auf sich warten lässt.

mm: Die Anforderungen an Künstliche Intelligenz dürften weiter steigen. Wie kommt der Lernprozess von Maschinen voran?

Werner: Deep-Learning und Machine Learning werden in Zukunft integraler Bestandteil vieler digitaler Lösungen und Services sein. Fujitsu beschäftigt sich seit langem mit der technischen Umsetzung von Deep-Learning - und wir haben einen Durchbruch in punkto Deep-Learning-Technologie geschafft: Einen neuartigen, hocheffizienten Datenverteilungs-Mechanismus für Deep Neuronal Networks (DNNs). Gerade wenn solche Netzwerke stark für verschiedene Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) genutzt werden, wie zum Beispiel Sprach- und Objekterkennung - haben sie einen enormen Ressourcenbedarf und belasten die Infrastruktur. Hier hilft der Datenverteilungs-Mechanismus weiter.

mm: Wo kommen solche Deep-Learning-Technologien zum Einsatz?

Werner: Sie werden unter anderem Analysen im Gesundheitswesen sowie in der Qualitätsprüfung von Werkstoffen eingesetzt. Aber auch die Klassifizierung und Analyse von Satellitenbildern, das Natural Language Processing, bei dem Deep-Learning-Modelle die Komplexität der menschlichen Sprache erfassen müssen, die Arbeit mit großen Graph-basierten Datenmengen wie im Fall von Internet-of-Things (IoT)-Geräten sowie finanzielle Transaktionen und Social Network Services gehören dazu. Mit den Fujitsu Laboratories of Europe haben wir dafür ein Kompetenzzentrum für die Forschung in punkto Deep-Learning geschaffen. Dort arbeiten wir mit unabhängigen Forschungseinrichtungen zusammen, zum Beispiel mit dem San Carlos Clinical Hospital in Madrid, der Universität von Sevilla sowie dem 5G Innovation Centre in Großbritannien.

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