Arbeitgeber sollen Geld nachschießen Pensionskassen am Limit - Aufsicht schlägt Alarm

Deutschlands Pensionskassen verwalten rund 170 Milliarden Euro. Die dauerhaften Niedrigzinsen sorgen für gewaltige Probleme.
"Betriebsrente ade": So weit wie es hier ein Protestballon suggeriert ist es noch nicht

"Betriebsrente ade": So weit wie es hier ein Protestballon suggeriert ist es noch nicht

Foto: DPA

In Deutschland gibt es aktuell noch 135 Pensionskassen mit rund 170 Milliarden Euro Kapitalanlagen. Hohe Renditen verdienen die Einrichtungen, die Arbeitgeber zur Altersvorsorge ihrer Beschäftigten gegründet haben, in der anhaltenden Niedrigzinsphase mit diesem Kapital nicht mehr.

Da die Kassen fast nur sehr langlaufende Verpflichtungen eingegangen sind, gelten sie in der Dauerniedrigzinsphase als besonders anfällig. "Pensionskassen sind von der anhaltenden Niedrigzinsphase stärker betroffen als Lebensversicherer", warnt Deutschlands oberster Versicherungsaufseher Frank Grund im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur. "Wir brauchen bei einigen Kassen erhebliche Unterstützung der Arbeitgeber als Träger."

Das muss man als ernsten Hilferuf und Warnung zugleich interpretieren. Denn eigentlich müssen die Altersvorsorgewerke der Beschäftigten so kalkulieren, dass sie mit ihrem Geld auskommen und ihre langfristigen Leistungszusagen halten können. Schaffen sie es nicht, verpflichtet das Betriebsrentengesetz die Arbeitgeber dazu, die Lücken zu schließen. Derzeit haben mindestens fünf Millionen Beschäftigte Anwartschaften aus ihren Beiträgen zu einer Pensionskasse erworben.

Die Versicherungsaufsicht selbst kann Vorstände von Pensionskassen abberufen, das Neugeschäft verbieten oder gekürzte Leistungen anordnen. Sie kann die Arbeitgeber als Träger der Kasse aber nicht verpflichten, Geld nachzuschießen.

Die wiederholte Warnung der Versicherungsaufsicht zeigt offenbar Wirkung: So gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Einrichtungen, bei denen die Arbeitgeber bereits Geld nachschössen, um Kürzungen der Betriebsrenten für die Mitarbeiter zu vermeiden.

Schwierig gestaltet sich aber der Fall, wenn dem Träger der Kasse selbst das Geld fehlt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil schlägt daher vor , dass künftig der Pensionssicherungsverein (PSV) einspringen soll, wenn eine Pensionskasse die Leistungen kürzt und der Arbeitgeber pleite ist. Bei Heils Vorstoß geht es nicht um derzeit offensichtliche Probleme einzelner Pensionskassen selbst, sondern um die Sicherung der Ansprüche im Insolvenzfall eines oder mehrerer Träger der Kasse. Schließlich sichere der PSV lediglich die Betriebsrente und nicht die Kasse als solche ab, argumentiert das Ministerium.

Wie ernst es um einzelne Pensionskassen bereits steht, zeigte zuletzt der Fall der Deutschen Steuerberater-Versicherung-Pensionskasse. Die Versicherungsaufsicht der Bafin hatte der Vorsorgeeinrichtung im vergangenen November das Neugeschäft endgültig untersagt.

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Die Finanzaufsicht hat nach eigenen Aussagen 31 der 135 Pensionskassen unter intensivierte Aufsicht gestellt - auch weil bei ihnen fraglich sei, ob Träger Geld nachschießen werden. Ihre Zahl werde bei anhaltender Niedrigzinsphase steigen, ist Grund überzeugt. "Es muss jedem klar sein, dass ihr Geschäftsmodell in Gefahr ist, wenn sich die Zinsen weiter auf diesem Niveau bewegen", hatte der oberste Versicherungsaufseher in einem früheren Gespräch mit der ARD erklärt.

Mehrere Pensionskassen haben in den vergangenen Monaten die Leistungen für ihre Mitglieder gekürzt. Die Caritas selbst berichtete von Kürzungen zwischen 10 bis 30 Prozent ihrer Versicherten. Im Einzelfall soll das Minus für die Versicherten bis zu 300 Euro im Monat betragen. Dabei räumten die Caritas und ihre Schwester, die Kölner Pensionskasse, auch Managementfehler ein und entschuldigten sich bei den Versicherten. Die dürften das allenfalls noch mit einem Achselzucken quittieren.

Intervenierte die Aufsicht zu spät?

Nach Ansicht des ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten und Finanzexperten Gerhard Schick hätte die Versicherungsaufsicht schon früher eingreifen müssen. Der Gründer des Vereins "Bürgerbewegung Finanzwende"  kritisiert, dass Kassen auch dann noch mit einer irreführenden Selbstdarstellung agierten und warben, als ihre Krise bereits abzusehen war.

Wenn Kassen nun feststellten, sie hätten die Zinsentwicklung falsch eingeschätzt, die Tarife in der Folge falsch kalkuliert und damit zu hohe Leistungsversprechen gemacht, hätte die Finanzaufsicht schon früher einschreiten und ihnen das Neugeschäft untersagen müssen, wie Schick gegenüber der "SZ"  erklärte.

Versicherungsaufseher Grund wies den Vorwurf postwendend zurück. Man habe zunächst alle Optionen ausgelotet, wie sich die Kassen aus eigener Kraft und mit Hilfe der Unterstützung ihrer Träger aus der Krise manövrieren könnten. Als sich dann abzeichnete, "dass sie es nicht schaffen, haben wir gehandelt", sagte er. Man dürfe auch nicht vergessen, dass das Verbot des Neugeschäfts ein schwerwiegender Eingriff ist.

Gut möglich, dass die Versicherungsaufsicht in den beiden kommenden Jahren noch sehr viel öfter bei den Pensionskassen eingreifen muss. Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, jedenfalls erwartet, dass im laufenden Jahr weitere Pensionskassen "in die Knie" gehen werden.

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