3. Glyphosat-Prozess in USA verloren, Investoren zweifeln "Bayer steht mit dem Rücken zur Wand"

Alva Pilliod (links) mit Ehefrau Alberta Pilliod (3.v. l.) sowie Rechtsanwalt Brent Wisner und Rechtsanwalt Michael Miller (r.) auf einer Pressekonferenz, wenige Stunden nachdem ein US-Gericht Bayer zu Schadenersatz in Höhe von insgesamt über zwei Milliarden Dollar an die beiden Kläger verurteilt hat.
Foto: DPADer Druck auf Bayer steigt: Der Pharma- und Agrarchemiekonzern hat in den USA auch den dritten Prozess wegen des Unkrautvernichters Glyphosat verloren. Die Geschworenen des Gerichts im kalifornischen Oakland urteilten, dass Bayer mehr als zwei Milliarden Dollar Schadenersatz an das krebskranke Ehepaar Alva und Alberta Pilliod (beide 76 Jahre) zahlen müsse. Es macht die jahrzehntelange Verwendung des Unkrautvernichters Roundup, der Glyphosat enthält, der Bayer-Tochter Monsanto für seine Erkrankung verantwortlich.
Bayer will gegen die Entscheidung der Jury Rechtsmittel einlegen. Der Konzern gerät mit dem jüngsten Urteil immer mehr in Bedrängnis: "Bayer steht mit dem Rücken an der Wand", sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer beim Aktionärsverband DSW, zu Reuters. "Das Schicksal liegt jetzt alleine in den Händen der Richter in den Berufungsverfahren."
An der Börse schlug das Urteil hohe Wellen: Bayer-Aktien fielen in der Spitze bis zu 5 Prozent auf den tiefsten Stand seit 2012 und waren zwischenzeitlich mit Abstand größter Verlierer im Dax. Nach Einschätzung von Analyst Markus Mayer von Baader Helvea hat das Risiko weiter zugenommen, dass Bayer in das Visier von aktivistischen Investoren gerät oder ein Übernahmeziel wird. An der Börse hat sich der Wert des Konzerns seit Juni vergangenen Jahres um mehr als 40 Prozent veringert. Der Hedgefonds Elliott, der Insidern zufolge mit unter 3 Prozent bei Bayer eingestiegen ist, hält sich bislang bedeckt.
DWS: Kursentwicklung wird von Gerichten abhängen
"Die weitere Kursentwicklung von Bayer wird auf unabsehbare Zeit von den Nachrichten aus den Gerichtssälen abhängen. Es stellen sich viele Fragen nach der Due Diligence, Fragen ob diese wirklich vollumfänglich war, welche Risiken schon vorher erkannt und bewertet wurden und wie das Unternehmen vor allem zukünftig mit diesen Risiken umgehen wird", sagte Nicolas Huber, Head of Corporate Governance bei der DWS.
Die großen deutschen Fondshäuser hatten die Bayer-Führung bereits auf der Hauptversammlung Ende April kritisiert, die mit der Monsanto-Übernahme verbundenen Rechtsrisiken unterschätzt zu haben. Der Vorstand um Bayer-Chef Werner Baumann wurde nicht entlastet, ein bis dahin einmaliger Vorgang bei einem Dax-Konzern.
Bei Investoren sinkt Zuversicht, Experten erwarten teuren Vergleich
In den USA gibt es inzwischen etwa 13.400 Kläger wegen des von Monsanto entwickelten Herbizids Glyphosat. In zwei Fällen wurde der Konzern bereits zu Schadenersatzzahlungen von insgesamt knapp 160 Millionen Dollar verurteilt. Im Fall des Ehepaars Pilliod, die an Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind, befand die Jury, dass das Unternehmen es versäumt habe, vor dem Krebsrisiko des Herbizids zu warnen, und fahrlässig gehandelt habe. Sie verurteilte Bayer zu Strafschadenersatz von zwei Milliarden und Schadensersatz von 55 Millionen Dollar. Der hohe Strafschadenersatz dürfte aber gesenkt werden, da der Oberste Gerichtshofs der USA das Verhältnis von Strafschadenersatz zu Schadenersatz in vorherigen Entscheidungen auf 9:1 begrenzt hat.
Bayer hat zwar Berufung eingelegt oder angekündigt, viele Experten gehen aber letzten Endes von einem teuren Vergleich aus. "Es zeigt wieder, dass sich Bayer mit der Akquisition erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken eingekauft hat, die sich zum heutigen Zeitpunkt nur schwer quantifizieren lassen", sagte Fondsmanager Markus Manns von Union Investment zu Reuters. "Mit jedem negativen Urteil sinkt die Zuversicht, dass das zukünftige Settlement bei etwa fünf Milliarden Dollar liegen wird, wie von vielen Analysten geschätzt."
Die Ratingagentur Moody's hatte zuletzt durchgerechnet, dass Bayer einen Vergleich von bis zu fünf Milliarden Dollar verkraften könnte, über 20 Milliarden aber schwer verdaulich wären. Der Rechtstreit wird sich jedenfalls noch Jahre hinziehen.
"Monsanto hatte niemals irgendein Interesse herauszufinden, ob Roundup sicher ist"
Die Vorwürfe gegen Glyphosat hat Bayer stets zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass Zulassungsbehörden weltweit das Herbizid bei sachgemäßer Anwendung als sicher bewerteten. Erst kürzlich hatte die US-Umweltbehörde EPA ihre Einschätzung bekräftigt, dass Glyphosat nicht krebserregend ist.
Die Kläger, die ihre Krebserkrankung auf den Kontakt mit Glyphosat zurückführen, sehen das jedoch anders. Sie berufen sich auf die internationale Krebsforschungsagentur IARC, die den Wirkstoff als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat.

Krebserregend oder nicht? In den USA sind 13.400 Klagen gegen Bayer wegen des Unkrautvernichters Roundup anhängig
Foto: Yves Herman/ REUTERSBayer teilte mit, der Konzern sei von der Entscheidung der Jury in Oakland enttäuscht. Das Urteil stehe in direktem Widerspruch zur Einschätzung der EPA und habe keinen Einfluss auf künftige Verfahren. Das Ehepaar Pilliod habe zudem eine lange Historie von Vorerkrankungen, die erhebliche Risikofaktoren für eine Erkrankung am Non-Hodgkin-Lymphom, eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems, darstellten.
Alberta Pilliod dagegen forderte Bayer auf, das Spritzmittel Roundup mit einem Warnhinweis zu versehen. Sie und ihr Mann hätten das Produkt nicht verwendet, wenn sie auf ein Krebsrisiko aufmerksam gemacht worden wären. "Wir kämpfen seit mehr als neun Jahren gegen Krebs und können nichts tun, was wir tun wollten. Das nehmen wir Monsanto wirklich übel", sagte Pilliod. Bei ihr wurde die Krebserkrankung 2015 diagnostiziert, bei ihrem Mann bereits 2011.
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Das nächste Glyphosat-Verfahren beginnt im August vor einem Gericht im US-Bundesstaat Missouri, wo Monsanto seine Wurzeln hat und die Landwirtschaft zu den wichtigsten Industriezweigen gehört. Zum ersten Mal wird sich dann eine Jury außerhalb Kaliforniens mit dem Thema beschäftigen.
Einer der Anwälte des Paares, Michael Miller, kritisierte: "Sie haben die Werbung im Fernsehen geschaut und gedacht, sie könnten dem Unternehmen vertrauen. Da haben sie sich getäuscht." Das Urteil der Jury sei "sonnenklar: Monsanto muss sein Verhalten ändern", sagte ein weiterer Anwalt, Brent Wisner. "Bayer hat einen Fehler gemacht."
"Monsanto hatte kein Interesse herauszufinden, ob Roundup sicher ist"
Die Anwälte sprachen von einem "historischen" Strafmaß. Zusätzlich zu der verhängten Schadenersatzzahlung von zwei Milliarden Dollar (1,78 Milliarden Euro) würden 55 Millionen Dollar (49 Millionen Euro) an weiteren Entschädigungszahlungen fällig, sagte Wisner.
Die Jury habe firmeninterne Dokumente einsehen können, aus denen hervorgehe, dass Monsanto "niemals irgendein Interesse daran hatte, herauszufinden, ob Roundup sicher ist". Anstatt in "korrekte Wissenschaft" zu investieren, habe das Unternehmen sein Geld in Angriffe auf die Wissenschaft gesteckt, die "ihren Businessplan bedrohte", sagte Wisner weiter.