Die Politik, die Lufthansa und das Streben nach einem "deutschen Champion" Das unwürdige Schauspiel um Air Berlin

Air Berlin: Es gibt keinen ökonomisch vertretbaren Grund, politisch in dieses wettbewerbsrechtlich brisante Thema einzugreifen
Foto: Getty ImagesIch gestehe, als Vielreisender habe auch ich mich in der Vergangenheit schon über Air Berlin (Kurswerte anzeigen) geärgert. An geringen Sitzabständen, verspäteten oder gestrichen Flügen, ausgedünnten Flugplänen, patzigem Personal und altem Fluggerät gelitten. Und ja, ich habe meinem Ärger auch in Gesprächen und über soziale Medien Luft gemacht. Aber jetzt ist es an der Zeit, Partei für Deutschlands zweitgrößte Fluglinie zu ergreifen.
Denn das, was sich seit dem Insolvenzantrag von Air Berlin hierzulande abspielt, ist einfach unwürdig. Unwürdig für die deutsche Politik. Unwürdig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und unwürdig für die Kunden.

Matthias Meifert ist Unternehmensberater, Publizist und geschäftsführender Gesellschafter der HRpepper Management Consultants, ein auf Fragen des Peoplemanagements spezialisiertes Beratungsunternehmen. Er lehrt an diversen Universitäten und wird seit 2013 vom Personalmagazin als einer der "40 führenden Köpfe im Personalwesen" geführt. Von 2010 bis 2014 beriet er als Mitglied des Beirats für Fragen der Inneren Führung den Bundesminister der Verteidigung.
Seit Jahren gibt es einen ruinösen Preiswettbewerb über den Wolken. Billigairlines wie Ryanair oder Easyjet avancieren zu Gewinnern eines kompetitiven Endspiels. Es scheint, als seien nur die wenigsten Airlines noch in der Lage, ihr Geschäftsmodell nachhaltig und profitabel betreiben zu können. Größe wird immer mehr zum entscheidenden Faktor, um so Economies of Scale heben zu können.
Die kleineren Anbieter haben das Nachsehen oder müssen ihr Heil in Kooperationen suchen. So bietet die Lufthansa-Tochter Eurowings inzwischen ein Plattformkonzept an, das dem des Fernbusbetreibers Flixbus ähnelt. Kleinere Airlines können damit die Aufgabe ihrer eigenen Markenidentität gegen Zukunftschancen tauschen.
Angriff der Pseudo-Experten
Diverse Airlines erwägen diesen Schritt offenbar. Und einer der ersten, der mit einem Teil seiner Flotte unter das Eurowings-Dach schlüpfte, war ausgerechnet Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann, der - so ein Zufall! - zuvor knapp 20 Jahren für die Lufthansa (Kurswerte anzeigen) gearbeitet hatte. Nun sind Fachleute in der Aviation sicherlich nicht einfach zu finden, bemerkenswert ist dieses nicht ganz unwesentliche Detail angesichts der tiefen Krise bei Air Berlin aber schon.
Was aber noch bemerkenswerter ist: Über Nacht sind etliche Landes- und Bundespolitiker plötzlich zu Fachleuten in Sachen Luftfahrt mutiert. Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, erklärt, dass das Modell Air Berlin gescheitert sei und das Unternehmen daher als eigenständiges Unternehmen nicht weiter existiere könne und aufgeteilt werden müsse. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller spricht sich im Bieterrennen um de Hauptstadtcarrier klar für die Lufthansa aus, denn diese - und offenbar nur diese - sei ein "verlässlicher Partner". Ähnlich äußern sich der Bundeswirtschaftsminister und sogar der Ministerpräsident des Freistaats Bayern.
Es drängt sich die Frage auf, was diese Persönlichkeiten eigentlich treibt. Warum mischen sie sich ohne Not in Verhandlungen ein, die Sache des Insolvenzverwalters und der Unternehmensvertreter sind - und nirgends anders hingehören? Wo waren all diese selbsternannten Experten, als es um die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Luftfahrt in Deutschland ging? Und aus welchen Motiven werben sie insbesondere für einen der potenziellen Käufer?
Futter für Verschwörungstheorien
Wer so redet und handelt, darf sich nicht wundern, wenn Spekulationen über mögliche geheime Absprachen zwischen dem Lufthansa-Management, dem bisherigen Air-Berlin-Eigner Etihad und der deutschen Politik aufkommen. Ist es das Streben nach einem vermeintlichen "deutschen Champion"? Oder die Hoffnung, dass die Kranich-Airline behutsamer mit dem Personal von Air Berlin umgehen würde als beispielsweise Ryanair? Ist es am Ende nur ein durchsichtiges Wahlkampfkalkül?
Es gibt keinen einzigen ökonomisch vertretbaren Grund, politisch in dieses wettbewerbsrechtlich hoch brisante Thema einzugreifen - schon gar nicht zu einem derart frühen Zeitpunkt. Weder die Bundes- noch die Landespolitik ist dazu in irgendeiner Weise mandatiert. Und es liegen ja noch nicht einmal die Gebote der Interessenten auf dem Tisch!
Geschacher zum Schaden der Passagiere
Ich hege schon aus beruflichen Gründen große Sympathien für die Lufthansa und fliege wirklich gerne mit diesem Carrier. Sollten die Blau-Gelben jedoch tatsächlich die innerdeutschen Kurzstreckenverbindungen von Air Berlin übernehmen, werden wir uns als Passagiere noch umgucken. Man muss kein Prophet sein, um einen abgespeckten Flugplan und deutlich steigende Ticketpreise vorherzusagen. Verschiedene Medien melden bereits, dass Eurowings die Tarife angesichts der Insolvenz Air Berlins deutlich erhöht hat.
Der einfachste Weg, diese Preiswirkung einzudämmen, ist die Förderung des Wettbewerbs. Hier darf die Politik gerne aktiv werden. Wie wäre es beispielsweise, wenn sie dafür sorgen würde, dass auch anderen Marktteilnehmern neue Slots auf diesen Strecken zugeteilt würden?
Das peinliche Gezerre um Air Berlin offenbart vor allem eines ganz deutlich: Es fehlt in der deutschen Politik an Persönlichkeiten mit echter wirtschaftlicher Kompetenz. Menschen, die als Unternehmer gelernt haben, dass Wirtschaft in der Wirtschaft passiert. Beispiele, die belegen, dass es nahezu immer schiefgeht, wenn die Politik selber wirtschaftlich handelt, gibt es wahrlich mehr als genug.
All den wettbewerbsrechtlichen Ignoranten und protektionistischen Heißspornen quer durch alle Parteien kann man nur zurufen: "Ruhig Brauner... Jetzt warte doch mal das Bieterverfahren ab." Möge sich das beste Angebot, die beste Idee durchsetzen. Zum Wohle der Mitarbeiter der Air Berlin, der Passagiere und letztendlich der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
Matthias Meifert ist Unternehmensberater und Mitglied der MeinungsMachervon manager-magazin.de. Trotzdem gibt seine Meinung nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.