
Finale ohne Nike Adidas' schwarz-roter Coup in Brasilien
- • WM-Teamsponsoren: Nike läuft Adidas den Rang ab
- • Rennen der WM-Sponsoren: Cristiano Ronaldo macht sich für Nike doch noch bezahlt
Rio de Janeiro - Herbert Hainer hat seine Wette gewonnen. Mit dem Endspiel Deutschland-Argentinien geht der WM-Tipp des Adidas-Chefs auf. Die persönliche Wette ist weit mehr als nur Spiel. Für seine Firma ist der Erfolg der beiden Teams mit dem Drei-Streifen-Logo auch kommerziell bedeutsam.
Die Werbekampagne "All in or nothing", nach eigenen Angaben die größte der Geschichte, lässt sich auch auf die Konzernstrategie münzen: Entweder das WM-Jahr bringt ein Rekordgeschäft, oder Adidas verliert seinen Führungsanspruch im Fußball an den US-Rivalen Nike.
"Auf jeden Fall wird der Finaleinzug Auswirkungen auf die Trikotverkäufe haben", sagt ein Adidas-Sprecher gegenüber manager magazin online. "Manche Fans entscheiden sich jetzt noch, Trikots ihrer Mannschaft zu kaufen, weil sie keins haben oder nur ein älteres." Die Nachfrage nach dem aktuellen DFB-Trikot befeuert Adidas mit dem Hinweis in sozialen Netzen, das Hemd mit drei Sternen für drei Weltmeistertitel sei "nur noch kurze Zeit erhältlich".
Nike verspielt Vorteil im Turnierverlauf
Genaue Zahlen zum Umsatz im Turnierverlauf hat das Unternehmen nicht parat, da ein Großteil der um 100 Euro teuren Leibchen vom Einzelhandel auf Kommission bestellt wird. Anhand der Nachbestellungen konnte Adidas jedoch schon vor Abschluss der Gruppenphase die WM zum "vollen Erfolg" ausrufen. Den Rekordabsatz von mehr als zwei Millionen Deutschland-Trikots hielt der Dax-Konzern schon da für sicher. Millionenfach sollten sich neben dem von Fifa-Sponsor Adidas gefertigten offiziellen Spielball Brazuca auch die Hemden von Argentinien, Kolumbien und Mexiko verkaufen.
Nike war erstmals als Ausrüster der meisten Teams in die WM gestartet, weil gleich mehrere Adidas-Mannschaften die Qualifikation knapp verpassten. In den KO-Spielen war der Wettbewerb zunächst offen: Jeweils fünf Mannschaften trugen die Logos von Adidas und Nike ins Achtelfinale (neben viermal Puma sowie den Außenseitern Burrda und Lotto), im Viertelfinale waren es noch je drei (und Puma schied aus), bevor Adidas die zwei direkten Duelle mit Nike im Halbfinale für sich entschied.
In den vergangenen vier WM-Endspielen war Adidas immer vertreten, traf aber jeweils auf einen von Nike oder Puma ausgerüsteten Gegner. Reine Adidas-Derbys (einschließlich der französischen Konzernmarke Le Coq Sportif) gab es vor der Unterbrechung 1994 ebenfalls viermal hintereinander, zuletzt 1990 mit der Paarung Deutschland-Argentinien. Der sichere Weltmeistertitel für Adidas ist also durchaus historisch. Doch den kommerziellen Erfolg garantiert er noch nicht.
Ausgerechnet am Mittwoch nach dem spektakulären Halbfinalsieg Deutschlands gegen Brasilien fiel die Adidas-Aktie (Kurswerte anzeigen) mit 71,15 Euro auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr. Die Aktionäre fürchten angesichts zuletzt schwacher Geschäftszahlen noch höhere Marketingausgaben für teure Deals mit Clubs wie Manchester United - und den Verlust weiterer Marktanteile an Nike, die dem von Adidas ausgegebenen Umsatzziel von zwei Milliarden Euro mit Fußballprodukten in diesem Jahr zumindest nahekommen. 2015 müssen die Hersteller ohne großes Turnier durch die Mühen der Ebene - und im weniger WM-abhängigen Geschäft mit Fußballschuhen führt Nike.
Umso wichtiger für Adidas, mit dem Geschäft rund ums Finale wieder Abstand zu gewinnen. "Quer durchs Turnier war unser Ziel, die meistbesprochene Marke der WM zu sein", erklärt Marketingchef Tom Ramsden. Adidas habe auf sozialen Netzen fast fünf Millionen Anhänger gewonnen, "mehr als jede andere Sportmarke" (allerdings liegt Nike bei der Gesamtzahl auf Facebook und Twitter klar vorn). Der eigene Werbeclaim sei öfter wiederholt worden als die der Konkurrenz.
Besonders stark stieg die Popularität der deutschen Marke in Brasilien. Allein die Facebook-Seite Adidas Futebol gewann 13 Prozent auf 4,2 Millionen Likes innerhalb eines Monats. Der Adidas-Sprecher berichtet sogar von starken Verkäufen des DFB-Trikots, "das wird schon langsam knapp". Brasilien habe großen Anteil am Rekordabsatz von einer halben Million außerhalb Deutschlands.
Brasilianer distanzieren sich von der Nike-Seleção
Obwohl die Deutschen die Gastgeber gedemütigt haben, steige die Beliebtheit der Mannschaft - oder gerade deshalb. Denn die brasilianischen Fußballfans betonen jetzt noch stärker die Bindung zu ihren jeweiligen Vereinen gegenüber der zur Seleção mit kanariengelben Nike-Hemden. Die größte landesweite Ausstrahlung mit knapp 30 Millionen Fans hat CR Flamengo aus Rio de Janeiro, seit 2013 unter Vertrag mit Adidas.
Genauso schwarz-rot gestreift wie die "Rubro-negros" in ihrem "heiligen Mantel" liefen die Deutschen gegen Brasilien (ebenso wie zuvor im Gruppenspiel gegen die USA) auf. Die Wahl des Auswärtstrikots war ein geschickter Coup von DFB und Adidas.
Zudem zeigten sich Spieler wie Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski in ihrer Freizeit im Original von Flamengo - und als Antwort zigtausende Flamengo-Fans im Schwarz-Rot der Deutschen. In sozialen Netzen konnten sie sich von der Niederlage der eigenen Nationalmannschaft distanzieren. Diese habe "Angst bekommen, als sie Flamengo vor sich sah", lautete eine oft wiederholte Erklärung. Auch diese Wette scheint für Adidas aufzugehen.
Schwarz-Rot sind die Farben des CR Flamengo, mit fast dreißig Millionen Fans der beliebteste Fußballverein Brasiliens. Während die Nationalmannschaft im WM-Gastgeberland unten durch ist, freut sich Adidas über den 2013 geschlossenen Ausrüstungsvertrag mit dem Kultclub aus Rio de Janeiro, auch wenn der gerade auf einem Abstiegsplatz steht ...
Ein Coup sind die neuen Auswärtstrikots der traditionell von Adidas eingekleideten DFB-Auswahl. Besonders wirkungsvoll kam das dem Flamengo-Dress nachempfundene Streifenmuster beim 1:7 im Halbfinale gegen Brasilien zum Einsatz (hier das 1:0 von Thomas Müller). Die Hemden sind ein Bestseller in Brasilien. Mit dem Rekordweltmeister ist eine große Hoffnung von Nike gescheitert, seit Jahren Weltmarktführer im Sportartikelgeschäft und neuerdings auch Adidas in dessen Domäne Fußball auf den Fersen.
Doch das zweite Halbfinale brachte die Entscheidung: Mit Argentinien und Deutschland bestreiten zwei Adidas-Teams das Endspiel, wie zuletzt 1990. Mit den Niederlanden ist ein weiteres Nike-Team geschlagen, obwohl die Amerikaner erstmals mit den meisten Mannschaften ins Turnier gestartet sind. Zudem kann Adidas mit Lionel Messi den wichtigsten Star seiner Werbekampagne präsentieren - auch wenn die Botschaft "Wir bewahren die Schönheit des Spiels" am Mittwoch nicht gut herüberkam.
Herbert Hainer kann zufrieden sein. Der Adidas-Chef hat das Finale richtig getippt. Vor allem aber trägt der Verkauf weiterer Trikots das WM-Geschäft weiter. Der Dax-Konzern verspricht seinen Aktionären mindestens zwei Milliarden Euro Umsatz mit Fußballprodukten in diesem Jahr. "Wir sind die klare Nummer eins", zeigt sich Hainer zuversichtlich, keine weiteren Marktanteile an Nike zu verlieren.
Zwar hat mit dem Ausscheiden des amtierenden Weltmeisters Spanien schon in der Vorrunde Adidas die größte sportliche Enttäuschung der WM zu verbuchen. Doch kommerziell sind die erfolgreicher aufgetretenen Drei-Streifen-Teams aus Mexiko und Kolumbien ohnehin bedeutender, und auch die Konkurrenz hat Topfavoriten in der ersten Runde verloren: Italien im Fall von Puma und ...
... auf Seiten von Nike waren es mit England und Portugal (beim 4:0 von Deutschland, im Bild das 2:0 von Mats Hummels, ähnlich vorgeführt wie später Brasilien) gleich zwei.
Einen großen Trumpf hat Adidas ohnehin: Der traditionelle Sponsorenvertrag mit dem Weltfußballverband Fifa sorgt dafür, dass die Marke im ganzen Turnier gut sichtbar ist. Der Turnierball Brazuca bringt fast so große Erträge wie die Nationaltrikots. Dafür kann Adidas schon einmal einen Anteil an der Kritik aushalten, der die Fifa wegen ihres Geschäftsgebarens ausgesetzt ist.
Nicht ganz so sichtbar sind die Schuhe der Spieler. Die bieten aber den Vorteil, dass ihr Verkauf auch über die WM-Sonderkonjunktur hinaus reicht und die Spieler unabhängig von den Sponsoring-Verträgen der Nationalverbände sind. Die meisten Spieler des Turniers treten mit Nike. Im Endspielkader bleiben allerdings nur wenige von ihnen wie Miroslav Klose übrig. Die Wetten, dass er im Finale noch einmal so werbewirksam die Schuhe durch die Luft wirbelt, stehen schlecht.
Schuhe, Stars und soziale Medien sind die Stärken der Marketing-Kampagne von Nike. In all diesen Kategorien hat Adidas im Turnierverlauf deutlich aufgeholt - auch wenn Mesut Özil als Werbegesicht seine Torjägerqualitäten bislang nicht so stark ausspielen konnte wie andere.
Zunächst war auch Luis Suarez eines der zentralen Testimonials der Adidas-Werbung. Die Aufregung um den Biss des Uruguayers im Spiel gegen Italien traf Adidas daher stärker als den Lokalrivalen Puma, der sowohl Uruguay als auch Italien ausrüstet. Die Kampagne wurde zuerst verhöhnt und dann gestoppt. Das ist jetzt aber fast schon vergessen ...
... ebenso wie manch anderer Missgriff, darunter dieses T-Shirt aus der US-WM-Kollektion von Adidas. Die brasilianische Regierung sah darin ihre Kampagne gegen Sextourismus konterkariert.