
Irlands Abschied vom EFSF Goodbye and Good Luck
Hamburg - Eine gute Nachricht muss doch mal erlaubt sein. Also, die gute Nachricht zuerst: Ab Sonntag, dem 15. Dezember, kommt die Republik Irland ohne die Hilfe der Europäischen Finanzstabilisierungs-Fazilität (EFSF) aus. First in, first out. Die stets von der irischen Regierung gepredigte Formel geht auf. "Wir sind die besten unter den Schlechten", erklärte Finanzminister Michael Noonan, der sogar auf eine vorsorgliche Kreditlinie verzichtete (auch, weil Verhandlungen mit der deutschen Regierung derzeit schwierig sind).
Allzu schwer dürfte Irland der Alleingang am Kapitalmarkt nicht fallen. Aktuell verlangen Anleger für Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die vor zwei Jahren noch bis zu 15 Prozent Rendite brachten, nur noch 3,5 Prozent. Hier wirkt - neben den eigenen Sanierungserfolgen Irlands - die unausgesprochene Blankogarantie von EZB-Präsident Mario Draghi für alle Euro-Staaten. Selbst wenn sich doch wieder Unruhe am Markt ausbreiten sollte, hat Noonan mit einem Puffer von 25 Milliarden Euro aus bereits ausgegebenen Anleihen für das kommende Jahr vorgesorgt.
"Das Investorenvertrauen spiegelt aber auch die erfolgreichen Verhandlungen Noonans mit der EZB wider", erklären die Ökonomen Sören Karau, Barbara Richter und Stephanie Schoenwald von der deutschen Staatsbank KfW in einer Studie. 20 Milliarden Euro Entlastung für den Staatshaushalt der kommenden zehn Jahre bringe die Erlaubnis, so genannte Promissory Notes aus der Bankenrettung in langfristige Anleihen umzutauschen. Allein fünf Milliarden Euro spare Irland allein 2014 außerdem, weil die Laufzeiten der Euro-Rettungskredite um sieben Jahre gestreckt wurden.
Rätseln über den Zustand der Banken
So bestehen kaum Zweifel am kurzfristigen Erfolg. Die Frage ist eher: Was dann?
Die erste große Rückzahlung an die internationalen Kreditgeber steht 2015 mit 5,7 Milliarden Euro an, zum Ende des Jahrzehnts steigen die Refinanzierungslasten bis auf 27 Milliarden Euro im Jahr 2020. "Irland ist noch nicht aus der Gefahrenzone heraus", urteilen die Volkswirte Gilles Moec und Mark Wall von der Deutschen Bank. Sie sehen das Land nun in einer vergleichbaren Position mit Italien und Spanien. "Ob es den Orbit dieser Krise verlassen kann, hängt noch sehr stark vom Zustand der irischen Banken und der Fähigkeit der Wirtschaft, den Überhang an Immobilienschulden aufzunehmen, ab."
Über den Zustand der Banken sollte eigentlich eine eigene Bilanzanalyse der Irischen Zentralbank aufklären, als Auftakt zu den größeren europaweiten Prüfungen. Doch die Anfang Dezember vorgelegten Ergebnisse "erreichten das genaue Gegenteil", schrieb der Dubliner Wirtschaftsprofessor Karl Whelan in einer Kolumne für das US-Magazin "Forbes". Nun müsse man über "merkwürdig formulierte Erklärungen" und "nicht berichtete Zahlen" rätseln.
Whelan sezierte die spärlichen Informationen, die nicht von der Zentralbank sondern den Banken selbst selektiv freigegeben wurden. Details gab es nur von Marktführer Bank of Ireland, der mit den Aufsehern streitet, ob seine eigenen Berechnungen der Kapitalstärke korrekt sind - die ohnehin unter der nationalen Vorgabe liegt. Die noch unter staatlicher Obhut stehenden Wettbewerber Allied Irish und Permanent TSB vermieden jegliche Nennung von Zahlen, Allied etwa "glaubt, gut kapitalisiert zu sein". Whelan findet das "reichlich subjektiv".
Die Schuldendynamik droht zu kippen
An diesem Donnerstag wies die EZB die Darstellung von Finanzminister Noonan zurück, dank dieser Übung brauchten die irischen Banken nicht mehr durch die europaweiten Tests. Immerhin half die Stille wohl dem Staat, seine verbliebenen Vorzugsaktien der Bank of Ireland auf den Markt zu bringen. Doch als saniert können die Geldinstitute noch lange nicht gelten, obwohl der Staat ihnen bereits den Großteil ihrer Risiken abgenommen hat.
Die KfW-Experten sind skeptisch. "Die Banken sträuben sich bisher, Verluste aus Hypothekengeschäften abzuschreiben", heißt es in der Studie. Der Anteil der notleidenden Kredite sei fast so hoch wie in Griechenland, bei Hypotheken sogar dreimal so hoch wie in Spanien - und vom Immobilienmarkt weiß die KfW nicht mehr zu versprechen, als dass sich "eine Entspannung andeuten könnte".
Die seit 2007 um mehr als die Hälfte gefallenen Häuserpreise beginnen erst leicht zu steigen, vor allem in der Hauptstadt Dublin, die Neubautätigkeit verharrt auf einem Rekordtief, und die private Verschuldung ist immer noch doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung.
Fragwürdige Erfolgskennziffern
Insgesamt sind die Erfolgszahlen der irischen Wirtschaft fragwürdig.
- Die Arbeitslosenquote ist seit Anfang 2012 von mehr als 15 Prozent auf 12,5 Prozent im November gesunken, aber die Zahl der Beschäftigten liegt mit knapp 1,9 Millionen immer noch nur 100.000 über dem Tiefpunkt - vor allem junge Iren, aber auch ehemalige Einwanderer aus Osteuropa verlassen das Land weiterhin in Massen
- Das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr unter den mit den Kreditgebern vereinbarten 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts landen, aber die Staatseinnahmen sind auf einem Rekordtiefstand - die Korrektur des Rekorddefizits von mehr als 30 Prozent 2011 geht allein auf Kosten gestrichener Staatsausgaben, was die Wirtschaft belastet
- Die Handelsbilanz weist konstant hohe Überschüsse aus, aber ein Großteil der starken irischen Exporte geht auf das Konto fiktiver Buchungen internationaler Konzerne, die hier Finanzholdings unterhalten oder Patentlizenzen ansiedeln. Unter den tatsächlichen Warenexporten dominiert die Pharmaindustrie, mit einem immer noch hohen Anteil von Vorprodukten ohne große Wertschöpfung im Land - deren Produktion zurückgeht, weil Patente für wichtige Medikamente abgelaufen sind.
- Überhaupt ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch diese Wirtschaftsstruktur verzerrt. Rund ein Fünftel ihres schönen BIP, das sie als die drittreichste Nation der EU ausweist, müssen die Iren stets an ausländische Gewinnempfänger abführen.
"Ein binnenwirtschaftlicher Wachstumsimpuls ist erst auf die Vergabe neuer Kredite angewiesen", erklären die KfW-Volkswirte. Solange die Banken dazu nicht in der Lage sind, stehe auch die langfristige Tragfähigkeit der Staatsschulden infrage.
Die Schuldenquote soll in diesem Jahr mit 123 Prozent des BIP ihren Höhepunkt erreichen, erwarten sowohl die Regierung als auch die Kreditgeber. "Dem liegt allerdings die Annahme zugrunde, dass Irlands Wachstum mehr und mehr an Fahrt gewinnen und 2015 Werte von 2,5 Prozent pro Jahr erreichen oder sogar überschreiten wird", stellen die Studienautoren fest.
Die aktuelle Tendenz weise jedoch in eine andere Richtung. Demnach "könnte die Schuldendynamik kippen". Schon mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 1 Prozent gerate Irland nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds auf einen "nicht nachhaltigen Pfad".