Siemens-Schmiergeldaffäre
Der Zeuge, dem nicht geholfen wurde
Die vielleicht letzte Folge im Siemens-Schmiergeldprozess wird nochmal spannend. Dass der Anwalt von Uriel Sharef sich schon zu so einem frühen Zeitpunkt auf den Hauptbelastungszeugen einschießt, verwundert. Ist es Nervosität oder Säbelgerassel?
Ex-Siemens-Vorstand Uriel Sharef im Landgericht München: Sein Anwalt geht bereits nach wenigen Wochen in die Offensive
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München - Der Untreue-Prozess gegen den Ex-Siemens-Vorstand Uriel Sharef läuft noch keinen Monat - da gibt es schon so etwas wie ein Plädoyer. Anwalt Heiko Lesch versuchte heute mit einer längeren Erklärung die Glaubwürdigkeit eines der Hauptbelastungszeugen zu vernichten.
Der Zeuge ist ein früherer Chef der Siemens Landesgesellschaft in Kolumbien und in dieser Funktion Nachfolger des Nachfolgers von Sharef. Er stützt mit seinen Aussagen einen wichtigen Teilaspekt der Anklage. Danach hat Sharef, damals Siemens-Vorstand für die Region Amerika, es 2004/2005 unterlassen, Schmiergeldkonten in Panama in den Buchungskreislauf der Siemens AG zurückzuführen. Darum soll der obige Zeuge C. ihn mehrfach gebeten haben, aber keine Hilfe erhalten.
C. hat sich einige Zeit nach Aufdeckung des Siemens-Schmiergeldsystems von selbst ein Geständnis abgelegt; sein Prozess wurde später gegen Zahlung einer Geldauflage von 25.000 Euro eingestellt.
Fast vier Stunden lang hatte C. am 2. Oktober dem Gericht sein Ringen mit den schwarzen Kassen in Panama geschildert, die offenbar schon Jahrzehnte bestanden und auch nach Einführung der Strafbarkeit von Schmiergeldzahlungen einfach fortgeführt wurden. Doch Lesch hält den Zeugen für unglaubwürdig, ja bezichtigt ihn gar der Lüge. C. habe sich als "gutwilligen Saubermann" dargestellt, der von seinem Chef, also Sharef, im Stich gelassen worden sei.
Verteidigung: "Er hätte keinerlei Hilfe benötigt"
Doch verwickele er sich bei seinen Aussagen ständig in Widersprüche und mache unrichtige Angaben zur zeitlichen Abfolge der Ereignisse, so der Anwalt. Dies lasse nur den Schluss zu, er habe das Schmiergeldsystem immer noch weiter verschleiern und die Verantwortung dafür nach "oben", also an Sharef, abschieben wollen.
"Er hätte keinerlei Hilfe benötigt", behauptet Anwalt Lesch über C.. Er hätte die Steuer- und Handelsbilanzen der Landesgesellschaft selbständig korrigieren und die Steuerbehörden informieren können. Aber er habe offenbar den legalen Weg nicht gehen wollen. Insofern sei Sharef kein Unterlassen vorzuwerfen; er habe vielmehr die Pflicht gehabt, das Ansinnen von C. abzulehnen. Zudem habe C. seine Aussagen mit weiteren Beschuldigten aus der Landesgesellschaft abgesprochen, die Lesch deshalb als Zeugen zu laden beantragt.
Staatsanwalt: "Verschwörungstheorien muss ich nicht kommentieren"
Staatsanwalt Richard Findl reagierte unbeeindruckt auf dieses "vorweggenommene Plädoyer". Der zeitliche Ablauf in den Schilderungen des Zeugen passe sehr wohl. "Verschwörungstheorien muss ich nicht kommentieren", sagte er. Der Zeuge C. hätte den legalen Weg bevorzugt, sei sich aber bewusst gewesen, dass er damit Staub aufwirbelt.
Anwalt Lesch in die Hände spielte ein Auftritt der ehemaligen Oberstaatanwältin Hildegard Bäumler-Hösl, die 2008 die Ermittlungen leitete, allerdings C. nicht selbst vernommen hat. Sie habe aber damals von ihren Mitarbeitern gehört, dass die Vernehmung "sehr erfreulich" verlaufen sei. Als die Richterin süffisant nachfragte: "Was freut einen Staatsanwalt?" und auch noch aus den Akten zititierte, wo C. als "der in Bezug auf Dr. Sharef überschießend Geständige" bezeichnet wird, stellte Bäumler-Hösl klar: "Wir waren nicht darauf aus, dass wir irgendjemanden erlegen wollten".