RTL vs. ProSiebenSat.1 Duell ums Digitale

Privatsender im Umbruch: Apps von ProSieben und RTL
Foto: DPAHamburg - ProSiebenSat.1 und RTL dominieren seit Jahren den deutschen Privatfernsehmarkt. Doch dieser befindet sich im Umbruch. Die Euro-Krise, die zuletzt das wichtige Werbegeschäft vor allem jenseits der deutschen Grenzen einbrechen ließ, ist dafür nur ein Grund.
Ein noch durchschlagenderer ist die Digitalisierung. Sie reißt die klassischen Eintrittsschranken in den TV-Markt nieder. Dies hat zu einer Ausweitung des Fernsehangebots geführt und konfrontiert RTL und ProSiebenSat.1 mit neuen Anbietern wie etwa Youtube oder Start-ups wie dem deutschen Internet-TV-Sender Mediakraft. Ein Branchen-Round-Table, an dem neben den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendervertretern nicht auch ein Abgesandter von Google am Tisch säße, scheint heute kaum mehr denkbar.
Denn neue Hardware wie Tablets, Smartphones oder internetfähige Fernseher verändern längst die Sehgewohnheiten des TV-Publikums. Das klassische Programmfernsehen büßt an Bedeutung ein, das "Allesimmerüberallfernsehen" breitet sich aus.
Die Folge: Sowohl die RTL Gruppe als auch ProSiebenSat.1 arbeiten an vielen Baustellen, um die Fundamente ihrer immer komplexeren, zukünftigen Geschäftsmodelle zu legen. Die Voraussetzungen beider Medienkonzerne sind dabei alles andere als dieselben, wie nicht zuletzt der am Freitag vergangener Woche verkündete Verkauf des Nordeuropageschäfts von ProSiebenSat.1 dokumentiert.
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Rentabilität: Ein Blick auf die Zahlen
Die Kennziffern beider Sendergruppen stimmen. Und das, obwohl fast alle TV-Werbemärkte - mit Ausnahme Deutschlands - zuletzt geschrumpft sind.
So legte die RTL Gruppe in den ersten neuen Monaten des aktuellen Geschäftsjahres dank steigender Werbeerlöse in Deutschland und guter Geschäfte der Produktionstochter FreemantleMedia um 5,5 Prozent auf knapp 1,3 Milliarden Euro zu. Der operative Gewinn kletterte um 5,8 Prozent auf 165 Millionen Euro - allerdings auch wegen des Verkaufs einer Immobilie in London. Für das Gesamtjahr erwartet die Doppelspitze um Anke Schäferkordt und Guillaume de Posch für RTL weiter ein "solides Ebita" - wenn auch nicht mehr auf dem Rekordniveau von 2011. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte der Konzern noch 5,77 Milliarden umgesetzt und ein Ebitda von 1,13 Milliarden erwirtschaftet.
Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 strebt im aktuellen Geschäftsjahr indes ein Rekordergebnis an. Für das dritte Quartal verkündete Konzernchef Thomas Ebeling, den Gewinn im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt zu haben. Das bereinigte Nettoergebnis stieg um 42,2 Millionen auf 65,1 Millionen Euro. Den Umsatz erhöhte der Konzern um 7,1 Prozent auf 636,9 Millionen Euro. Die Erlöse von rund 1,3 Milliarden Euro aus dem Verkauf des Nordeuropageschäfts sind da allerdings noch nicht eingerechnet. Den 2011er-Umsatz von 2,756 Milliarden Euro wird die geschrumpfte Sendergruppe künftig nicht mehr erreichen. Ebensowenig wie das um Verkaufserlöse bereinigte Ebitda von 752 Millionen Euro.
Fazit: Die schiere Größe der RTL-Gruppe stellt den kleineren Wettbewerber in den Schatten. Ob ProSiebenSat.1 auch ohne das profitable Nordeuropageschäft die im Vergleich zum Konkurrenten vergleichsweise bessere Rentabilität halten kann, muss sich erst noch erweisen.
TV-Werbung: SevenOne Media vs. IP
Die Angst um die Zukunft des Fernsehwerbegeschäfts treibt die Branche schon seit Jahren um. Dies spiegeln auch die für das kommende Jahr erwarteten Zuwachsraten wieder. Für den deutschen TV-Werbemarkt rechnen die Marktforscher von Warc Entertainment für 2013 beispielsweise mit einem Wachstum von 2,2 Prozent. Die Experten von ZenitOptimedia hingegen gehen lediglich von 1,9 Prozent Wachstum aus. Die Berater von PricewaterhouseCoopers legen ihrem "Global Entertainment and Media Outlook" für 2013 nur noch 1,2 Prozent Wachstum zugrunde.
Im deutschen Fersehen vermarkten beide Senderketten zusammen rund 80 Prozent des geschalteten Werbeetats. Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Nielsen brachte es der P7S1-eigene Vermarkter SevenOne Media dabei im ersten Halbjahr 2012 auf 42,5 Prozent, die RTL-Tochter IP auf 35,3 Prozent Marktanteil.
Fazit: In der klassischen Werbevermarktung stehen sich ProSiebenSat.1 und die RTL Gruppe in Deutschland Kopf an Kopf gegenüber. Keine Partei sticht die andere eindeutig aus.
Online-Werbung: Gemeinsam gegen Google
Folgt man dem Zahlenwerk der Marktforscher der Nielesen-Gruppe, haben Unternehmen in Deutschland in den ersten elf Monaten dieses Jahres 23,6 Milliarden Euro in Werbung investiert. Rund zehn Milliarden Euro strichen dabei die TV-Sender ein. Auf Internetwerbung entfielen hingegen knapp 2,6 Milliarden Euro.
Der Trend ist indes eindeutig. Im Vorjahresvergleich stiegen die Umsätze für Online-Werbung laut Nielsen um 17 Prozent, während die TV-Werbung in Deutschland nur um 2,2 zugelegt hat. Die Konsequenz: Längst haben RTL und ProSiebenSat.1 sich auch auf das rasant wachsende Online-Geschäft gestürzt. Und das zum Teil gemeinsam.
So gründeten SevenOne Media (P7S1) und IP Deutschland (RTL) bereits 2010 gemeinsam mit den Vermarktungsunternehmen G + J Electronic Media Sales (Gruner + Jahr/Bertelsmann) und Tomorrow Focus (Burda) das Joint Venture "Ad Audience". Der gemeinsame Vermarkter soll im Online-Geschäft mit der Werbemacht Googles konkurrieren.
Fazit: Für die privaten Fernsehbetreiber war Werbung im vergangenen Geschäftsjahr mit knapp 53 Prozent noch immer die wichtigste Einnahmequelle. Erträge aus Online-Werbung spielen dagegen bei den Nettowerbeerlösen immer noch eine vergleichsweise geringere Rolle.
Digitalisierung: Inflation der Sendeplätze
Eine der großen Herausforderungen beider Senderketten ist die Digitalisierung. Denn mit ihr schwindet unter anderem die Exklusivität von Sendeplätzen, wie sie im analogen Antennenzeitalter noch bestand.
RTL und ProSiebenSat.1 reagieren auf diese Herausforderung ähnlich. Sie verstopfen die neuen Sendeplätze mit immer neuen und immer spezielleren Spartensendern. Neben RTL, RTL II, dem Kinderkanal Super RTL, Vox und dem Nachrichtensender N-TV hat RTL im digitalen Bezahlfernsehen mittlerweile Sender wie RTL Crime, RTL Living und "Passion" etabliert.
ProSieben.Sat.1 hingegen hat neben seinen zwei Flaggschiffen und dem Filmklassikersender Kabel 1 inzwischen neue Kanäle wie den Frauensender Sixx und ab Mitte Januar 2013 den Seniorenkanal Sat.1 Gold im Portfolio. Im digitalen Bezahlfernsehen setzt die Gruppe zusätzlich auf Sender wie Kabel 1 Classics, ProSieben Fun oder Sat.1 Emotions. Dies führt dazu, das US-Serien wie "How I met your Mother" es auf mehr 2000 Ausstrahlungen pro Jahr bringen.
Fazit: Im klassischen TV-Geschäft war diese Strategie bislang eine Methode, um Barrieren gegen neue Wettbewerber zu errichten. Für RTL und ProSiebenSat.1 sind die größeren Wahlmöglichkeit der digitalen TV-Nutzer dennoch gleichermaßen eine Bedrohung.
Catch-up: MyVideo und Maxdome vs. Clipfish und RTL now
Mit der Digitalisierung dringt auch das nicht-lineare, also zeitversetzte Fernsehen vor, etwa auf dem Smart-TV zuhause oder Tablet und Smartphone unterwegs.
Die Antwort der Privatsender auf diesen Wandel sind bislang vor allem die so genannten Catch-up-Services wie RTL now, Vox now oder Maxdome. Sie ermöglichen es den TV-Zuschauern, Serien wie die RTL-Seifenoper "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und Shows wie der von Sat.1 und ProSieben ausgestrahlte Gesangswettbewerb "The Voice of Germany" bis zu einer Woche nach Ausstrahlung im Netz zu streamen.
Auch die Videoportale beider Konzerne, Clickfish (RTL) und MyVideo (ProSiebenSat.1), tragen mittlerweile massiv zur Verbreitung von Senderinhalten jenseits der Bildröhre bei. So wurden im vergangenen Geschäftsjahr nach Angaben von RTL 776 Millionen Videos auf den Online-Plattformen der Sendergruppe angeklickt - in diesem Jahr könnte die Milliarde fallen. ProSiebenSat.1 seinerseits bezeichnet sich mit rund 27 Prozent Marktanteil als Marktführer im deutschen Video-on-Demand-Geschäft.
Strategie der Verweigerung
Das Problem: Während im Ausland große Videoportale wie Hulu (NBC, Fox, Disney etc.) die Inhalte verschiedenener Anbieter längst auf einer Plattform versammeln oder wie Youtube (Google) eigene exklusive Inhalte bereitstellen und maßgeschneiderte Werbung schalten, bleiben die deutschen Privatsender mit Ihren Mediatheken hierzulande immer noch für sich.
Der Versuch von ProSiebenSat.1 und RTL, ein gemeinsames Videoportal namens "Amazonas" zu gründen, scheiterte am deutschen Kartellamt. Sich am als "Germany's Gold" für die erste Jahreshälfte 2013 angekündigten Videoportal von ARD und ZDF zu beteiligten, dürfte indes kaum eine Option für die beiden Privatsender sein. Denn dadurch würden sie wohl die Kontrolle über Werbevermarktung und Kundendaten verlieren.
Darüber hinaus bearbeiten Start-ups wie der auf Internetvideos spezialisierte TV-Sender Mediakraft oder die in der Schweiz ansässige TV-Senderplattform Zattoo den Markt. Das Zattoo-Angebot in Deutschland ist allerdings auf öffentlich-rechtliche und einige ausländische TV-Sender beschränkt. Der Grund: ProSiebenSat.1 und die RTL Gruppe verweigern die Zusammenarbeit.
Fazit: Nach dem Scheitern der gemeinsamen Mediathek "Amazonas" mangelt es der RTL Gruppe wie auch ProSiebenSat.1 an einer konzeptionellen Alternative, wie sich beide Senderketten auch als dominante Spieler im Markt der Videoplattformen etablieren könnten. Konkurrenten wie Youtube (Google), Hulu (NBC, Fox, Disney etc.) oder Zattoo haben sich längst in Stellung gebracht.
Bezahlfernsehen: Pay-TV statt Free-TV
Die Ausweitung der Werbevermarktung ins Netz allein dürfte weder der RTL-Gruppe noch ProSiebenSat.1 langfristig jenes Wachstum sichern, das die Haupteigner zufrieden stellt. Weshalb beide Konzerne das Ziel ausgegeben haben, in absehbarer Zeit rund 50 Prozent der Einnahmen unabhängig vom klassischen TV-Werbegeschäft zu erwirtschaften. Während RTL-Co-Chefin Anke Schäferkordt dieses Ziel schon vor einigen Jahren in einem Interview formulierte, hat sich ProSiebenSat.1-Vorstanddschef Thomas Ebeling sich die Kennzahl für spätestens 2015 in den Kalender eingetragen.
Für beide Senderketten spielt dabei inzwischen vor allem die Entwicklung im Pay-TV - jenseits des vom Bezahlsender Sky besetzten Premiumsegments - eine beachtliche Rolle. So zählt etwa das hochauflösende Satellitenfernsehen HD+ im dritten Quartal dieses Jahres mehr als 750.000 Kunden, die für die Programme von RTL und ProSiebenSat.1 in hochauflösender Qualität extra zahlen. Und allein im vierten Quartal rechnet der Satellitenbetreiber SES Astra mit rund 250.000 neuen HD-Bezahlkunden.
Auch die Einspeisung eigener Inhalte bei den Kabelnetzbetreibern wie KabelBW oder Kabel Deutschland und die Belieferung der Internet-Angebote von Vodafone (Vodafone TV) oder der Deutschen Telekom (Telekom Entertain) spülen Geld in die Kassen von ProSiebenSat.1 und RTL.
Fazit: Das Pay-TV-Angebot ist für beide ein gleichermaßen wichtiges wie wachsendes Geschäft, um sich von der klassischen Werbefinanzierung zu lösen.
Inhalte: Hollywood vs. Eigenproduktionen
Dass die Privatsender für Konzerne wie die Deutsche Telekom oder den Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland nur schwer zu umgehen sind, daran arbeiten sowohl ProSiebenSat.1 als auch die RTL Gruppe seit Jahren. So verdrängen immer häufiger Eigenproduktionen die klassischen Hollywood-Blockbuster von den besten Sendeplätzen.
Ein Grund für die Besinnung auf selbst entwicklelte Formate liegt darin, dass Hollywood-Studios ihre Serien und Filme nicht mehr exklusiv verkaufen. Stattdessen nehmen sie die Vermarktung inzwischen auch selbst über eigene Video-on-Demand-Plattformen wie das US-Portal Hulu in die Hände.
Kurzum, amerikanische Blockbuster werden erst im Free-TV ausgestrahlt, nachdem sie im Kino aufgeführt, per DVD oder Videostream zweitverwertet und schließlich im Pay-TV oder im Home-Entertainment vermarktet worden sind. Hohe Free-TV-Quoten sind da nicht mehr zu erreichen.
Alternativen zum Hollywood-Kino
Die RTL Gruppe hat vor diesem Hinergrund mit ihrer Tochter FremantleMedia (Ufa, Grundy) in den vergangenen Jahren einen der größten Fernsehproduzenten außerhalb Hollywoods aufgebaut. Rund 9.200 Stunden Primetime-Programme produziert das Unternehmen in mittlerweile 58 Ländern im Jahr. Vertrieben werden die Inhalte in mehr als 180 Ländern weltweit. Die Produktionstochter allein steht mit 1,43 Milliarden Euro für rund die Hälfte der Nicht-Werbeumsätze der RTL Gruppe, der die Fernsehwelt die "Superstar"-Shows und "Alarm für Cobra 11" verdankt.
ProSiebenSat.1 hingegen war im Exportgeschäft in den vergangenen Jahren unter anderem mit den "Stefan Raab"-Shows, dem Wissensmagazin "Galileo" oder der Comedy-Show "Schillerstraße" erfolgreich. Zwar steigerte die Produktions- und Lizenzsparte Content Production & Global Sales ihren Umsatz im abgelaufenen dritten Quartal von 9,5 Millíonen auf 25,5 Millionen Euro. Das lag allerdings im Wesentlichen daran, dass die P7S1-Tochter Red Arrow Entertainment im August die Mehrheit am amerikanischen Produktionsunternehmen Left/Right übernommen hat. Weitere Übernahmen sind geplant.
Fazit: Zwar wächst das Produktionsgeschäft von ProSiebenSat.1 dank zahlreicher erfolgter oder geplanter Übernahmen rasant. Dennoch sprechen ein klarer Vorsprung bei Umsatz und Internationalisierung in puncto Eigenproduktionen in dieser Hinsicht für die RTL Gruppe.
E-Commerce: SevenVentures vs. RTL Interactive
Im Vergleich zur luxemburgischen Konkurrenz hat sich ProSiebenSat.1 sehr früh um den Aufbau neuer Geschäftsfelder im Internet gekümmert. Dies war auch dem Umstand geschuldet, dass die bis heute auf Nettoverbindlichkeiten von gut zwei Milliarden Euro sitzende Sendergruppe mangels Kapitalreserven schon vor Jahren dazu überging, Randwerbezeiten gegen Umsatz- oder Unternehmensbeteiligungen zu tauschen.
Auf diesem Wege hat ProSiebenSat.1 seither einen Strauß an Beteiligungen eingesammelt. So zum Beispiel an E-Commerce-Unternehmen wie Zalando, Reisevermittlern wie "weg.de" und "trivago.com", Online-Portalen wie "wetter.com" und "preis24.de" oder dem sozialen Netzwerk "Lokalisten.de". Das Segment Segment Digital & Adjacent, in dem der Medienkonzern Online-Geschäft und Videoportale bündelt, trug im dritten Quartal 13,5 Prozent zum Konzernumsatz bei.
Beim Wettbewerber ist das Tochterunternhemen "RTL Interactive" für die Geschäfte jenseits des klassischen Free-TV zuständig - vor allem sind das die an "RTL now" angelehnten Senderportale. Zum Portfolio gehören aber auch E-Commerce-Websites wie "Gutscheine.de" oder die sozialen Netzwerke "Wer-kennt-wen.de" und "Wer-weiss-was.de". Im RTL-Umfeld wird der Umsatzbeitrag des Geschätsbereichs mit rund 15 Prozent angegeben. Anders als ProSiebenSat.1 beteiligt sich RTL Interactive in der Regel per Finanzbeteiligung und nicht durch Media-for-Equity-Deals an jungen Unternehmen.
Fazit: RTL lehnt seine Diversifikation stärker ans eigene Senderprofil an und baut Portale um eigene Marken herum auf. ProSiebenSat.1 hingegen hat sich breiter aufgestellt, vor allem auch in Geschäftsfelder wie E-Commerce oder dem Online-Reisemarkt. Beide Strategien sind schlüssig.
Gaming: ProSiebenSat.1 Games vs. Gamechannel.de
Der Markt für Browsergames gilt derzeit als die Wachstumsstory im Online-Entertainment. Zwar machten zuletzt große deutsche Player wie Gameforge und Bigpoint durch Stellenkürzungen auf sich aufmerksam. Dennoch boomt das Geschäft rund um Logikrätsel, Weltraumschlachten und Bauernhofsimulationen.
Schon seit 2006 investiert ProSiebenSat.1 in das Geschäft. Wobei die zwei Online-Gaming-Portale SevenGames.de und Sat1Spiele.de im Mittelpunkt stehen. Auf seinen Portalen vertreibt der Konzern sowohl eigene Spiele als auch jene verschiedener Partner wie Bigpoint, Goodgame oder King.com. Der Konzern hält dabei auch europaweite Exklusivrechte für Spiele rund um Inhalte wie "Der Herr der Ringe" oder "Star Wars". Erst jüngst gab ProSiebenSat.1 eine strategische Partnerschaft zur Vermarktung von acht Browsergames des japanischen Sony-Konzerns bekannt. Im Gegenzug öffnet Sonys seine "Playstation" und Smart-TVs für das Videoportal von ProSiebenSat.1: Maxdome.
RTL ist im Vergleich dazu ein Nachzügler. Im Markt für Browsergames setzte der Konzern im Oktober 2010 mit dem Kauf der Mehrheit am kanadischen Spieleentwickler Ludia indes ein erstes Ausrufezeichen. Im Februar 2011 startete die RTL Gruppe schließlich ein eigenes Spieleportal namens "Gamechannel.de".
Fazit: Im Zukunftsgeschäft für Browsergames ist der langjährige Vorsprung von ProSiebenSat.1 vor RTL beträchtlich. Nutzerbasis, Kooperationen mit Entwicklern und Rechteinhabern sowie ein technischer Vorsprung etwa bei der Entwicklung von In-Game-Advertising sprechen für die Unterföhringer.
Internationalisierung: Schrumpfen vs. Wachsen
Im Jahr 2007 musste ProSiebenSat.1 nach dem Einstieg und auf Druck seiner Finanzinvestoren KKR und Permira die SBS Broadcasting Group für 3,3 Milliarden Euro übernehmen. Finanziert wurde der Zwangskauf - wie bei Finanzinvestoren üblich - per Kredit. Die Folge: Bis zum dritten Quartal 2012 standen noch immer gut zwei Milliarden Euro Nettoschulden in den Büchern des Senderkonglomerats.
Das Problem: Die deutsche Sendergruppe, die durch den Zwangszukauf über Nacht zum Medienkonzern mit neunzehn TV-Sendern und mehreren Radiosationen in neun europäischen Ländern aufstieg, konnte seither kaum Synergien heben. Weshalb der fusionierte Konzern schon 2008 damit begann, Beteiligungen wie den schwedische Pay-TV-Unternehmen "C More" zu verkaufen. Auch Beteiligungen in Belgien und den Niederlanden wurden abgestoßen. Bis zuletzt hielt ProSiebenSat.1 indes weiterhin Beteiligungen in Südosteuropa und Skandinavien.
Der Verkauf letzterer an den US-Pay-TV-Anbieter Discovery Communications bringt ProSiebenSat.1 - beziehungsweise seinen Aktionären - zwar mehr als eine Milliarde Euro ein. Von einer Internationalisierungsstrategie kann allerdings nicht mehr die Rede sein.
Renationalisierung contra Internationalisierung
Die RTL Gruppe hingegen versucht sich seit Jahren darin, den Sprung aus Europa in die Welt zu schaffen. Die Luxemburger folgen damit den Pfaden, die sie mit Ihrer Produktionsfirma FremantleMedia bereits betreten hat, die in mehr als 20 Ländern als Produzentin und in mehr als 50 Ländern als Co-Produzentin längst weltweit im Geschäft ist.
Nun soll das Sendergeschäft folgen. Seit Anfang November strahlt der Konzern in Indien seinen Sender "Big RTL Thrill" aus. Auf dem Programm stehen auf Hindi synchronisierte Actionserien wie "Alarm für Cobra 11", Serienklassiker wie Baywatch und Extremsportarten. Die Kosten, so heißt es, sollen eine "überschaubare Dimension" haben. Auch dank der Kooperation mit dem indischen Partner Reliance. Bei Erfolg ist auch die Expansion in weitere Hindi-sprachige Länder wie Bhutan, Sri Lanka, Bangladesh und Pakistan geplant.
Fazit: Die Schwierigkeiten von ProSiebenSat.1, Synergien zwischen den verschiedenen Senderketten zu heben, wurden schon vor Jahren als Problem ausgemacht. Dennoch ist die Renationalisierung der Gruppe im Wettbewerb mit anderen globalen Medienkonzernen möglicherweise ein Rückschritt. RTL hingegen erschließt sich, sollte die globale Expansion gelingen, neue Zielgruppen vor allem für selbst produzierte Inhalte.
Eigentümer: Medienkonzern vs. Finanzinvestoren
Unterschiedlicher könnte die Ausgangslage im Hinblick auf die Eigentümerstruktur kaum sein. Die ProSiebenSat.1 ist MDax notiert und somit seinen Aktionären verpflichtet. Stark beeinflusst wird der Medienkonzern dabei von seinen zwei Mehrheitseignern, den Finanzinvestoren Permira und Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR). Diese hatten das Unternehmen 2006 für 3,3 Milliarden Euro vom Medienmogul Haim Saban übernommen, der es 2003 für einen Bruchteil des Preises aus der Insolvenzmasse der Kirch-Gruppe erworben hatte.
Der Einfluss von Permira und KKR und ihrer gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft Lavena mündete im Sommer 2007 in die Zwangsfusionierung von ProSiebenSat.1 mit der europäischen Sendergruppe SBS, die ebenfalls von den zwei Finanzinvestoren kontrolliert worden war. Von den 3,5 Milliarden Euro Kreditschulden, die ProSiebenSat.1 dafür aufgebürdet worden sind, stehen bis heute rund zwei Milliarden in den Büchern. Abgebaut wurden die Schulden vor allem durch Verkäufe. Brachte es der fusionierte Konzern in ganz Europa zunächst noch auf 24 Free-TV-Sender, 24 Pay-TV-Sender und 22 Radio-Stationen und rund 3,1 Milliarden Euro Umsatz, setzte seither ein von den Großinvestoren forcierter Schrumpfprozess ein.
Unter anderem in den Benelux-Staaten, und jetzt auch in Skandinavien, dem letzten großen TV- und Radio-Geschäft im Ausland. Der Verkauf des Nordeuropageschäft spülte dem Konzern kurz vor Weihnachten 1,3 Milliarden Euro in die Kassen.
Diese vorweihnachtliche Bescherung könnte indes weitreichende Auswirkungen haben. Denn zugleich stellt der die ProSiebenSat.1 AG ihren Aktionären eine Dividende von 1,2 Milliarden Euro in Aussicht. Für die beiden Finanzinvestoren KKR und Permira ist der Deal damit wohl der Einstieg in den Ausstieg bei dem Münchner Medienkonzern. Es ist kein Geheimnis, dass sie ihre Anteile lieber früher als später an einen Großinvestor weiterreichen wollen. Als möglicher Käufer gehandelt wurde bereits der US-Mediengigant Time Warner.
Milliardenschulden contra Millionenbarmittel
Im Gegensatz zur schrumpfenden Konkurrenz aus Unterföhring gehören zur luxemburger RTL Gruppe bis heute 53 Fernseh- und 29 Radiostationen in neun Ländern Europas sowie seit Anfang November auch ein Sender in Indien.
Zwar ist auch RTL börsennotiert, allerdings befinden sich 92,3 Prozent der Anteilsscheine im Besitz des Medienkonzerns Bertelsmann. Wobei RTL die Cash-cow der Gütersloher ist. In den ersten neun Monaten des aktuellen Geschäftsjahres trug die RTL Gruppe rund 36 Prozent des Umsatzes von Bertelsmann bei.
Gleichzeitig verfügte die RTL Gruppe bis Ende September über Netto-Barmittel von 769 Millionen Euro.
Fazit: Die bisherige Eigentümerstruktur ist die größte Schwäche von ProSiebenSat.1. So wird der Medienkonzern bislang vor allem von den kurzfristigen Interessen seiner Mehrheitsgesellschafter KKR und Permira gelenkt und dabei von Milliardenschulden gebremst, die Großaktionäre dem Konzern aufgebürdet haben.
Die RTL Gruppe indes besitzt mit Bertelsmann einen strategischen und somit längerfristig denkenden Investor. Dessen Chef Thomas Rabe zuletzt in einem Interview mit dem manager magazin auch nur zu deutlich machte, in welchen Konzernbeteiligungen er die Zukunft des Medienkonzerns sieht.