

mm: Herr Nägele, muss ein angehender Finanzvorstand es sich gefallen lassen, im Vorstellungsgespräch nach seinem Vermögensstand gefragt zu werden und zum Beispiel eine Schufa-Selbstauskunft vorzulegen?
Nägele: Sicher nicht. Die finanziellen Verhältnisse eines Managers sind Privatsache.
mm: Vielleicht geben sie eine Antwort auf die Frage, ob der Mann mit Geld umgehen kann.
Nägele: Das erscheint mir weit hergeholt. Dass der Manager einen Kredit abträgt, ist doch kein Indiz dafür, das er seine berufliche Aufgabe - die strategische Verwaltung der Finanzen des Unternehmens - schlecht ausfüllen wird. Bei einem Mitarbeiter, der direkte Kassengewalt hat, wäre die Frage wohl zulässig.
mm: Manche Unternehmen bitten Bewerber für den Posten des Finanzvorstands oder Einkaufschefs bereits um Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, um sich vor Bewerbern zu schützen, die wegen Korruption vorbestraft sind. Erlaubt?
Nägele: Die Frage nach Vorstrafen oder die Bitte um ein polizeiliches Führungszeugnis haben in der Vorstellungsrunde für solche Positionen nichts zu suchen. Dass sich jemand in einem früheren Arbeitsverhältnis oder im Privatleben nicht an die Regeln gehalten hat, belegt nicht, dass er in Zukunft und in dieser Position noch einmal versagen wird. Der Bewerber muss sich nicht selbst stigmatisieren.
mm: Wo liegen - allgemein gesprochen - die Grenzen der Informationsbeschaffung im Bewerbungsverfahren?
Nägele: Das Unternehmen darf nur solche Fragen stellen und Daten ermitteln, die einen engen Bezug zur ausgeschriebenen Position haben. Die wesentliche Schranke ist das Persönlichkeitsrecht des Managers. Wo berechtigte Informationsinteressen des Unternehmens enden und das Persönlichkeitsrecht beginnt, ist eine Frage der Abwägung. Das entscheidet sich nicht nach simplen Plausibilitäten, selbst wenn manche Unternehmen das gerne hätten.
mm: Wie weit gehen private Ermittler, die im Auftrag von Unternehmen in der Biographie eines Managers herumschnüffeln?
Nägele: Oft deutlich zu weit. Da werden Studienkollegen angerufen, Kinder auf der Straße angesprochen, im Verein nachgehorcht - all das kommt leider vor.
mm: Das geplante Gesetz zum Arbeitgeberdatenschutz sieht vor, dass Bewerber ihre Einwilligung zur Recherche erteilen müssen. Eine wirksame Barriere gegen Datenmissbrauch?
Nägele: Die Einwilligung ist ein zahnloser Tiger. Wer nicht einwilligt, kommt doch gar nicht erst in die engere Auswahl. Zudem werden Unternehmen Stellenanzeigen in Zukunft einfach so formulieren, dass die Einsendung der Bewerbungsunterlagen als implizite Einwilligung in weitere Recherchen gewertet werden darf.
mm: Kann der Bewerber den Report denn wenigstens einsehen und im Fall der Ablehnung zurückfordern?
Nägele: Wir haben schon heute einen Anspruch auf Herausgabe der Bewerbungsunterlagen. Daraus folgt auch ein Löschung der Daten. Was mit den Daten passiert, wenn das Beschäftigungsverhältnis zu Stande kommt, ist nicht geregelt. Ich wäre für die Löschung. Die Eignung des Kandidaten steht dann ja fest, so dass der Zweck der Recherche erfüllt ist und es keinen Grund gibt, das Dossier im Unternehmen zu behalten.
Deutsche Telekom: Der Kommunikationsriese geriet 2009 in die Schlagzeilen, weil er systematisch Journalisten und Aufsichtsräte aus spionieren ließ. Im Auftrag der Sicherheitsabteilung sammelten Detektive auch Informationen über das Liebesleben einer kroatischen Managerin, die zur Telekom-Tochter in dem Balkanland wechseln sollte.
Daimler: Der Stuttgarter Autobauer beschloss 2009, künftig von allen Jobaspiranten im fortgeschrittenen Bewerbungsprozess Bluttests zu verlangen. Auch angehende Manager mussten sich der Prozedur unter werfen. Nach Protesten der Datenschützer ruderte der Konzern zurück: Inzwischen werden Kandidaten nur noch im Rahmen "arbeitsmedizinischer Pflichtuntersuchungen" zur Ader gelassen, sagt eine Sprecherin.
Kik: Der Textildiscounter stellte in den Jahren 2008 und 2009 mehr als 49.000 Anfragen bei der Auskunftei Creditreform, um sich Einblick in die finanziellen Verhältnisse seiner Mitarbeiter zu verschaffen. Trotzdem stellte die Staatsanwaltschaft Dortmund die Ermittlungen ein: Es ließ sich nicht nachweisen, dass Mitarbeitern aufgrund schlechter Bonitätsauskünfte gekündigt worden war. Von Kik aufgebotene Zeugen sagten aus, das Management habe ihnen aus den Schulden sogar wieder herausgeholfen und so blieb der Discounter in der Affäre Sieger.
Deutsche Bahn: Der Schienenbetrieb ließ zeitweilig die Daten von 173.000 Angestellten präventiv auf korruptionsverdächtige Firmenkontakte abgleichen. Bei Hunderten Führungskräften erstreckte sich der Namens- und Datenabgleich auch auf die Ehepartner. Dabei wurden E-Mails, Telefon- und Kontoverbindungen an die Berliner Wirtschaftsdetektei Network Deutschland weitergereicht, die auch die Telekom beraten hat. Die Ermittlungen unter dem Codenamen "Eichhörnchen" sollten klären, ob die Topmanager oder ihre Gattinnen Beteiligungen an Firmen hielten oder Nebentätigkeiten ausübten, die der Bahn nicht offengelegt wurden.
Lidl: In einer Mülltonne entdeckte firmeninterne Unterlagen brachten im April 2009 ans Licht, dass der Discounter in speziellen Formularen über das körperliche und seelische Befinden von Mitarbeitern Buch geführt hatte. Der unerfüllte Kinderwunsch wurde genauso notiert wie Besuche beim Psychologen. Deutschland-Chef Frank-Michael Mros kostete die Aktion den Job. Ein Jahr zuvor war bereits öffentlich geworden, dass auch Lidl-Gesellschaften Detektive beauftragt hatten, das Verhalten von Mitarbeitern zu überwachen und zu protokollieren.
Deutsche Telekom: Der Kommunikationsriese geriet 2009 in die Schlagzeilen, weil er systematisch Journalisten und Aufsichtsräte aus spionieren ließ. Im Auftrag der Sicherheitsabteilung sammelten Detektive auch Informationen über das Liebesleben einer kroatischen Managerin, die zur Telekom-Tochter in dem Balkanland wechseln sollte.
Foto: PATRIK STOLLARZ/ AFP