Kontaktpflege Qualität vor Quantität

Visitenkarten sammeln machen alle. Doch das ist kein ernsthaftes Beziehungsmanagement, sagt Barbara Liebermeister, Expertin für Business-Relationship-Management. Es geht vielmehr darum, die Richtigen zu treffen - und diese richtig zu behandeln.
Von Arne Gottschalck
Hand drauf: Barbara Liebermeister hat sich auf professionelles Netzwerken spezialisiert. Und das läuft in Deutschland längst nicht so glatt wie in anderen Ländern. Ihre Vermutung: "Vielleicht ist der Umgang mit dem Gegenüber auch auf unsere Kultur in Deutschland zurückzuführen, Deutschland ist angeblich bekannt als die Neidgesellschaft. Thomas Gottschalk hat einmal gesagt: 'Wenn ein Mensch in den USA 500.000 Dollar gewinnt, dann heißt es 'great', großartig. Und wenn jemand in Deutschland 10.000 Euro gewinnt? 'Ach, das Pickelgesicht.'"

Hand drauf: Barbara Liebermeister hat sich auf professionelles Netzwerken spezialisiert. Und das läuft in Deutschland längst nicht so glatt wie in anderen Ländern. Ihre Vermutung: "Vielleicht ist der Umgang mit dem Gegenüber auch auf unsere Kultur in Deutschland zurückzuführen, Deutschland ist angeblich bekannt als die Neidgesellschaft. Thomas Gottschalk hat einmal gesagt: 'Wenn ein Mensch in den USA 500.000 Dollar gewinnt, dann heißt es 'great', großartig. Und wenn jemand in Deutschland 10.000 Euro gewinnt? 'Ach, das Pickelgesicht.'"

Foto: DDP

mm: Die "Richtigen" von den anderen zu trennen, welchem Zweck dient das?

Liebermeister: Sie schaffen damit Klarheit und verzetteln sich nicht. Es ist mir unverständlich, wie Menschen bei Facebook Tausende von Kontakten haben und damit effizient arbeiten können. Das ist kein Aufbau einer werthaltigen Beziehung, die irgendwann in einen Auftrag mündet. Das funktioniert nicht. So bleiben die Menschen für mich gesichtslos, ohne Konturen.

mm: Wie muss ich mir das in der Praxis vorstellen - auf Ihrem Schreibtisch liegen zwei Stapel mit Visitenkarten, links die Richtigen, rechts der Rest?

Liebermeister: Nein, das sicherlich nicht. Eher ein einziger Stapel - und der ist sorgfältig gepflegt. Das bedeutet, dass ich die Karte nicht bloß ablege, sondern auch darauf festhalte, wie und wo ich ihren Besitzer kennengelernt habe, worüber wir gesprochen haben und was ihn oder sie aktuell umtreibt.

mm: Umtreibt?

Liebermeister: Ja, denn schließlich soll aus so einer Kontaktpflege auch Geschäft entstehen. Also muss ich wissen, woran meine Gesprächpartner arbeiten.

mm: Und das klappt nicht mit dem "networking", wie es regelmäßig betrieben wird?

Liebermeister: Nein, vor allem in Deutschland nicht. Im internationalen Vergleich sind Deutsche schlecht darin, sich zu vernetzen, Kontakte zu schaffen und auszubauen - vor allem auf Veranstaltungen. Die meisten wissen, dass so etwas unerlässlich für den Erfolg ist. Aber wie sie das anstellen sollen, sich dort geben sollen, das wissen sie oft nicht. Grob gesprochen, treffe ich dort vorrangig auf zwei Typen. Das eine sind die passiven Primeln, die sich an ihrem Getränk festhalten und hoffen, auf Freunde oder Bekannte zu treffen. Doch damit bringen sie sich und ihr Unternehmen nicht voran, das ist kein Beziehungsmanagement.

mm: Und die andere Hälfte?

Liebermeister: Das sind jene Menschen, die ihre Visitenkarten nach dem Gießkannenprinzip verteilen - mit dem Ziel der wahllosen Auftragshascherei.

mm: Das klingt doch nicht schlecht - immerhin haben diese Menschen Kontakte gesammelt.

Trophäenjagd auf Visitenkarten

Liebermeister: Doch daraus folgt nichts, weil die Menschen mit diesem Vorgehen keine Marke hinterlassen. Denn ihre Gesprächspartner spüren genau, dass es eben nur um die Visitenkarte geht, nicht aber um Respekt und Interesse an ihrer Person. Dabei beginnt die Kundenpflege bereits vor dem Auftrag, das ist zumindest mein Credo. Ich muss also meine Ziele vorab definieren - und daraus ergibt sich auch die Auswahl meiner Kontakte. Das bedeutet, dass ich mir bereits vor einer Veranstaltung darüber klar sein muss, mit wem ich sprechen möchte - und worüber. Wo kann ich ihn unterstützen, das ist der beste Türöffner für werthaltiges Kontaktmanagement.

mm: Wie wichtig ist dabei das Bauchgefühl - "Mit dem Müller kann ich einfach gut"?

Liebermeister: Das Bauchgefühl ist enorm wichtig. Das muss ich übrigens auch bei meinem Gegenüber erreichen. Dies aufzubauen ist der erste Schritt beim erfolgreichen Kontaktmanagement. Oder machen Sie Geschäfte mit jemandem, den Sie nicht mögen?

mm: Und das geht?

Liebermeister: Auf jeden Fall. Sie müssen eine Marke hinterlassen und dem Gegenüber Wertschätzung entgegenbringen. Mein Gesprächspartner soll sich an mich erinnern und sagen: "Ach richtig, Frau Liebermeister, mit der hatte ich mich gut unterhalten. Sie hat mir direkt schon einen Tipp geben können. Sie könnte mir bei meinen anstehenden Problemen helfen."

mm: Machen das viele Menschen nicht schon automatisch? Indem sie den Anruf von Schröder abblocken, der nur viel redet, und lieber mit Müller sprechen, der auch mal zuhört?

Liebermeister: Dann hat der Schröder seinen Job nicht richtig gemacht. Wissen Sie, Geschäft kann ich dann am besten machen, wenn ich mich in mein Gegenüber versetzen kann - und er umgekehrt in mich. Und das erfordert Planung und Vorbereitung.

mm: Wie viel Zeit kostet die Berücksichtigung dieser Grundsätze?

Liebermeister: Viel - wir sprechen hier von der aufwendigsten Art der Beziehungspflege.

Das exklusive Netzwerk für Führungskräfte: Direkt zur manager-lounge

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren