Teilzeit-Chefs Kniffelige Rotation auf höchster Ebene

Jobsharing in der Chefetage wird hierzulande kritisch beäugt. Doch es kommt Bewegung in die Sache, denn neue Managementstrategien gewinnen an Bedeutung. Und die zweite Generation von Führungstandems kann von den Erfahrungen der Pioniere profitieren.
Von Maja Roedenbeck
Führungstandems: Zwei Chefs, ein Job

Führungstandems: Zwei Chefs, ein Job

Foto: Corbis

Christa Nicolai war eben aus dem Sabbatjahr zurückgekehrt, als ihr langjähriger Kollege anrief und ihr die Hälfte seines Jobs als Leiter der Gruppe Fachschulungen beim IT-Dienstleister Dataport anbot. Er wolle in Altersteilzeit gehen, seine verantwortungsvolle Aufgabe aber noch nicht ganz aufgeben.

Seit Mai 2010 teilen sich Nicolai und ihr Kollege nun offiziell eine Stelle. "Ich habe das Angebot angenommen, weil ich die Voraussetzungen für ideal halte", sagt die 58-Jährige, "Zwischen mir und meinem Co-Chef besteht ein absolutes Vertrauensverhältnis. Wir wissen, dass wir verschiedene Arbeitsweisen haben, können aber damit umgehen. Es besteht keine Konkurrenzsituation, denn keiner von uns strebt weitere Karriereschritte an."

Als Co-Chefin der zweiten Generation weiß Christa Nicolai, worauf es ankommt, denn das Modell des sogenannten Topsharings ist in manchen Betrieben aus der Experimentierphase heraus. "Es hat bisher in jeder Branche funktioniert und entwickelt sich ständig weiter", glaubt Julia Kuark sogar, die den Begriff Ende der 90er Jahre prägte.

Die sogenannte Kernaufgabe der Führungspartner - der klar definierte gemeinsame Verantwortungsbereich - ist seither als wesentliches Element geblieben, doch einige Erfahrungswerte aus der Praxis sind neu: "Die Doppelspitze muss seriös vorbereitet sein, damit sie funktioniert, und dabei sollten die Vorgesetzten des Tandems mit einbezogen werden", sagt die Schweizer Expertin und empfiehlt ein begleitendes Coaching vor und während der Startphase, "Absprachen für Krisensituationen müssen schon im Vorfeld getroffen werden und es darf kein Erfolgsdruck aufgebaut werden."

Das Interesse wächst, die Skepsis bleibt

Das Interesse auch an solchen Führungsmodellen wächst mittlerweile auch in Deutschland. 25 Prozent der Profile in einschlägigen Topsharing-Netzwerken kommen mittlerweile von hier, obwohl sich die Reklame dafür bisher auf die Schweiz beschränkten. "Unsere Vision sind salonfähige Teilzeitkarrieren und Jobsharing im Management im gesamten deutschsprachigen Raum", sagt Andy Keel, einer der Netzwerkinitiator, und verweist auf die Quote von 70 Prozent Akademikern unter den Netzwerkmitgliedern.

Auch Marie-Therese Herbers, Karriereberaterin aus Oldenburg, bekommt viele Anfragen von Führungskräften, vor allem von Ingenieurinnen, die qualifizierte Teilzeitarbeit suchen. "Nachdem es in den vergangenen Jahren in Deutschland still um das Modell Topsharing geworden war, wird es inzwischen unter dem Stichwort familienfreundliche Unternehmensführung zwar wieder häufig erwähnt", berichtet sie. "Doch die Haltung in den Führungsetagen, in denen ich das Thema anspreche, ist sehr reserviert."

Trotz aller neuen Offenheit unter deutschen Managern: Die Skepsis hält sich hartnäckig. "Topsharing wird aber nicht wegen der finanziellen Einbußen oder arbeitsrechtlichen Hürden, sondern aus emotionalen Gründen abgelehnt", nimmt Susanne Broel, selbst Co-Abteilungsleiterin in einem Tandem bei der Investitionsbank Berlin (IBB), aufgrund erster Ergebnisse einer Umfrage unter Führungskräften an. "Viele Führungskräfte können sich nicht vorstellen, auf einen Teil ihrer Macht zu verzichten oder einem Tandempartner hundertprozentig zu vertrauen", sagt sie.

Es geht nicht nur um berufstätige Mütter

Solche Art Führungsteams finden sich in Deutschland dann auch bisher nur selten zu finden. Das partnerschaftliche Führungsmodell wird beispielsweise von mehreren Teamleitertandems bei der Daimler  erprobt; das Autounternehmen will das Projekt zwar auch bis in die oberen Führungsetagen ausweiten - allerdings nur im Rahmen der Frauenförderung. Selbst der deutsche Topsharing-Vorreiter Unilever  beschäftigt bisher gerade einmal zwei Tandems, und auch die IBB leistet sich insgesamt nur drei Teams, Susanne Broel und ihrer Partnerin eingeschlossen, die bereits seit November 2004 dabei sind.

Topsharing ist aber ein Führungsmodell mit vielen Gesichtern - ob als sanfter Ausstieg aus dem Arbeitsleben, Präventionsmaßnahme gegen einen Manager-Burn-out oder verlängerte Einarbeitungszeit zwischen Positionsinhaber und Nachfolger. Ob als Frau-Frau, Mann-Mann oder Mann-Frau-Duo. "Die Integration von Frauen in Führungspositionen und Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind nur zwei von vielen Aspekten", betont Unternehmensberaterin Kuark. "Es geht auch um die Vorteile für die Unternehmen. Darum, dass Topsharing die Sozialkompetenz der Beteiligten fördert, dass die Produktivität am Arbeitsplatz gesteigert wird und dass im Topsharing erwiesenermaßen qualitativ bessere Entscheidungen gefällt werden."

Bei Dataport in Hamburg ist es noch zu früh für ein Fazit. Immerhin haben die Mitarbeiter der Gruppe Fachschulungen bereits festgestellt, dass es hilfreich ist, im Krankheitsfall des einen Co-Leiters den anderen als Ansprechpartner zur Verfügung zu haben. Allerdings, die Einarbeitungsphase zieht sich länger hin als erwartet. "Dass mein Kollege viel Know-how im Kopf hat, es aber als Einzelkämpfer bisher nirgendwo schriftlich festhalten musste, erschwert den Informationsaustausch", resümiert Christa Nicolai nach drei Monaten.

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