
Abercrombie & Fitch Blanke Muskelprotze
Hamburg - Leni Riefenstahl sagt der Zielgruppe nichts mehr. Dabei schuldet die Marke Abercrombie & Fitch (A&F) der Filmkünstlerin viel, die für Adolf Hitler monumentale Propagandafilme drehte. Wie Riefenstahl den Körperkult der Nazis in Bilder übersetzte, ist bis heute Vorbild für viele Fotografen - und nicht zuletzt für die Bildgestalter von A&F. Die Einkaufstüten der Modeläden mit ihren schwarz-weiß inszenierten Waschbrettbäuchen haben unter den jungen Fans der Marke einen derartigen Wiedererkennungswert, dass darauf nicht mal der zungenbrecherische Name ausgeschrieben werden muss.
An den Nationalsozialismus denken dabei weder Marketingabteilung noch Kundschaft, eher an irgendeine makellose Version von Sex. Davon künden die Werbefotos und auch die Begrüßungsmodels am Eingang eines jeden Ladens. Sie stellen obenrum lieber nackte Muskelpakete zur Schau als Couture.
Makellos war lange auch die Erfolgsgeschichte des Konzerns aus New Albany in Ohio. Die Strategie, weniger die Klamotten mit Elch-Logo als die gestählten Leiber geschlechtsreifer Männer in den Vordergrund zu rücken, ermöglichte verblüffende Verkaufserfolge. Die junge, aber finanziell potente Kundschaft war bereit, stramme Preise für eher schlichte Webstuhlware zu bezahlen: Ein Poloshirt kostet zum Beispiel 60 Dollar und in Europa 60 Euro, der Einfachheit halber.
Wenn A&F heute Zahlen vorlegt, ist die spannende Frage: Gelingt es, wieder auf diesen Erfolgspfad zurückzukehren? Denn in der Rezession der vergangenen Jahre hatte der börsennotierte Konzern herbe Verluste hinnehmen müssen. Vor etwa einem Jahr meldete das Unternehmen Umsatzrückgänge von über 30 Prozent.
Herbe Umsatzverluste in der Rezession
"Kaum ein US-Fashionlabel wurde so hart von der Wirtschaftskrise getroffen wie A&F", sagt Julia Kienzle von der Kölner Handelsberatung IBH. Im Schnitt lagen im Einzelhandel die Einbußen bei 5 Prozent. Die Muskelprotze mit den Modeläden standen im Vergleich nackt da.
Fürs Erste blieben die Zahlen schlecht. Die Verbraucher wandten sich günstigeren Marken zu, die zwar nicht so viel Aufwand in die Präsentation der Ware stecken - alle A&F-Verkäufer müssen in ihrem Äußeren den Modelstandards der hauseigenen Reklame genügen -, dafür aber ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis bieten.
Vor allem bei Investoren wurde der Ruf laut, die Verkäufe mit Rabattaktionen und Sonderangeboten zu beleben. Doch Konzernchef Mike Jeffries wies das als Tabubruch von sich: Die kurzfristigen Vorteile rechtfertigten nicht die langfristigen Schäden, sagte er. Er fürchtete, er könnte nie wieder solche Preise aufrufen, wenn seine Sexobjekte aus Baumwolle auch mal billiger über die Ladentheke gegangen wären.
Damit käme das ganze Gefüge durcheinander, das sein Marketing so erfolgreich gemacht hat. Die provokante Gestaltung soll nur das Interesse wecken. Die exklusiven Preise korrespondieren mit exklusiven Einkaufslagen. Anders als die H&Ms und Zaras dieser Welt gehört A&F nicht zum Standardmobiliar jeder Einkaufsmeile, nicht einmal im Mutterland USA. Einschließlich aller Tochtermarken wie Gilly Hicks und Ruehl betreibt A&F rund 1100 Ladenflächen, davon knapp 30 außerhalb der USA und Kanadas.
Flagship-Stores als Touristenattraktion
So sind die Läden schon ohne ihre animierenden Türsteher eine Besonderheit. Wer dort einkaufen will, muss in eine Metropole reisen. Viele Standorte, etwa die Flagship-Stores in New York oder London, gelten als Touristenattraktionen. Viele Kundinnen lassen sich kichernd mit dem Personal fotografieren. Der Elch auf der Bluse signalisiert später den Daheimgebliebenen: Ich war da.
Bei diesem Konzept der Verknappung waltet unbarmherzige Konsequenz. Immer wieder gab es Gerüchte, die Eröffnung eines deutschen Ladens stehe kurz bevor. Die Fans warten bis heute. Wer auch nur versuchte, importierte A&F-Kleidung zu verkaufen, wurde von einem Frankfurter Anwaltsbüro abgemahnt. Verdammt heiße Ware.
Das alles war erfolgsfördernd, so lange nicht Krise herrschte. Mit gut 90.000 Mitarbeitern setzte A&F 3,7 Milliarden Dollar um, also im Monatsdurchschnitt über 300 Millionen Dollar. Das war 2007, vor dem Einbruch. 2010 ist es schon ein Erfolg, wenn der Monatsumsatz im Mai von knapp 180 auf 200 Millionen Dollar im Vorjahresvergleich ansteigt. Diesen zaghaften Aufschwung gilt es nun fortzusetzen.
"Inzwischen dürfte der Konzern an der Kostenschraube gedreht haben", vermutet Expertin Kienzle. Großen Sonderverkäufen widersteht er nach wie vor. Die vereinzelten Sonderangebote, mit denen die Lager bereinigt werden, muss der Kunde an verstohlenen Preisschildchen erkennen, beworben werden sie nicht. Die sauberen Jungs auf den Plakaten gibt es nicht zum Dumpingpreis.
Strategische Fehler?
Doch es ist nicht nur die Wirtschaftsflaute, die dem Unternehmen zusetzt und die Rückkehr aus dem Umsatztal erschwert. Branchenkenner werfen der Marke strategische Fehler vor. Vor zwei Jahren setzte die Damenkollektion fast ausschließlich auf Röcke - gefragt waren aber Kleider. Auch den Trend zu blumenbedruckten Sommerstoffen hat die Marke verschlafen, die sich sonst so trendsicher gibt.
Hoffnung macht Investoren, dass A&F seine internationale Expansion vorantreibt. Der ersten europäischen Filiale in London folgte eine in Mailland. Und angeblich soll es ab Spätsommer einen deutschen Ableger geben. Abwarten.
In Japan kulturell unsensibel
Eine japanische Filiale erweist sich bisher als Fehlstart. Das Konzept, Kleidung in einer amerikanischen Enklave anzubieten, erweist sich dort als kulturell unsensibel. Kritiker monieren, dass japanische Kunden angesichts der langen Kerls am Tresen fremdeln. Japaner stellen ihr Outfit lieber aus Einzelteilen verschiedener Linien zusammen. Das passt aber nicht zu A&F, wo das Logo am Shirt nach seiner Entsprechung auf der Jeans ruft. Und nicht zuletzt haben auch japanische Verbraucher schon ein paar Jahre Krise hinter sich und halten ihr Geld beisammen.
Wie es allerdings auch gehen kann, beweist die Tochtermarke Hollister. Von Branchenbeobachtern schon als "das nächste große Ding" gehandelt, treffen die neuen Läden auf große Gegenliebe - bei einer Zielgruppe fast ausschließlich im Teenageralter.
Der erste deutsche Hollister-Shop findet sich an der Frankfurter Zeil und nach einem Besuch glaubt auch IBH-Expertin Kienzle: "Das ist wirklich ein einmaliges Konzept in Deutschland." Den Gestaltern gelinge es, die Kunden beim Eintritt ins Geschäft in eine eigene Welt zu locken. Genau genommen sei der Hollister-Laden eine Kopie des A&F-Konzepts: Viel nackte Haut in der Ladendeko, finstere Beleuchtung und ohrenbetäubende Beschallung wie im Szeneclub, betörend gebautes Personal, das ausschließlich US-Englisch spricht. Der Andrang ist groß, egal wann man vorbeischaut.
Der wichtigste Unterschied zur Muttermarke: Die Klamotten sind deutlich billiger. Polohemden gibt es ab knapp 40 Euro. Discount ist das nicht, aber mit dem Betrieb der Schwestermarke Hollister lassen sich die Preise ein wenig an die Krise anpassen, ohne das Flaggschiff A&F zu kompromittieren: Das ist eine versteckte Preissenkung. Die halbnackten Türsteher kommen hier aber nur am Wochenende zum Einsatz, zur Stoßzeit am Samstag.