Managergehälter Verdienen wie in Boomzeiten

Gutverdiener: Deutsche-Bank Chef Josef Ackermann gehörte mit einem Jahressälär von mehr als neun Millionen Euro zu den Topverdienern im Krisenjahr 2009. Doch ein anderer Deutschbanker verdiente noch mehr als der Chef.
Foto: Daniel Roland/ APNHamburg - Auf das Vergütungspaket von Mathias Döpfner könnte so mancher Lenker eines Dax-Konzerns neidisch werden. Knapp zwölf Millionen Euro trug der Chef des Springer-Konzerns in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt nach Hause. Den Durchschnitt der Topmanager in der deutschen Konzernoberliga ließ er schon zu dieser Zeit locker hinter sich zurück.
Richtig spektakulär gestaltete sich die Gehaltsabrechnung des Medienmannes allerdings erst im vergangenen Jahr. Auf etwas mehr als elf Millionen Euro schätzen renommierte Gehaltsexperten Döpfners Gehalt - ungefähr 70 Prozent mehr als im Jahr 2008. Der Axel-Springer-Verlag bestreitet dies und betont, keine Einzelgehälter, sondern die Gesamtvergütung auszuweisen. Dennoch: Mit geschätzten 11 Millionen Euro hätte der einstige Journalist mehr verdient als die Nummer eins der Deutschen Bank Josef Ackermann oder RWE-Vormann Jürgen Großmann.
Der Gehaltssprung des Springer-Chefs ist keineswegs die Ausnahme. manager magazin hat zusammen mit Professor Joachim Schwalbach von der Berliner Humboldt-Universität die Vergütungspakete der größten deutschen und europäischen Konzerne analysiert. Das Ergebnis: Die Krise hat die Gehaltsexplosion im Topmanagement zwar gestoppt. Insgesamt aber stagniert die Entlohnung der europäischen Konzernspitzen auf hohem Niveau.
Wenn der Chef 42-mal so viel verdient
Rund 280 Millionen Euro bekamen die Chefs der 50 größten europäischen Börsenfirmen im vergangenen Jahr ausgezahlt. In der Summe nur knapp fünf Millionen weniger als im Jahr 2008.
In Deutschland liegt der Verdienst eines Dax-Konzernchefs immer noch um den Faktor 42 über dem durchschnittlichen Mitarbeitergehalt und damit ungefähr auf dem Niveau des Jahres 2006. In einzelnen Fällen erreichen oder übersteigen die Gehaltssummen aber bereits wieder das Level der Vorkrisenzeit.
David R. Brennan etwa, Chef des Pharmariesen AstraZeneca, kam im vergangenen Jahr auf knapp über 13 Millionen Euro und verdiente damit vier Millionen mehr als 2007, dem Jahr, in dem das große Finanzbeben losbrach. Oder Brady W. Dougan. Die Nummer eins des Schweizer Finanzkonzerns Credit Suisse kassierte rund 12,5 Millionen Euro und damit deutlich mehr als 2008. Spitzenreiter im europäischen Ranking ist der Chef des Ölmultis Shell, Peter Voser. Doch auch die deutschen Topmanager sind prominent vertreten.
Deutsche Bank: Anshu Jain zieht an Ackermann vorbei
Auch bei der Deutschen Bank pendelten sich die Gehälter wieder in den gewohnten Dimensionen ein, nachdem der komplette Vorstand im vergangenen Jahr auf seinen Bonus verzichtet hatte. Die einzige Abweichung von der Normalität in den Vorstandsetagen: Konzernchef Josef Ackermann (9.398.000 Euro) verdiente auf das volle Jahr gerechnet im Jahr 2009 weniger als sein Star-Investmentbanker Anshu Jain (10.322.000 Euro), der erst im April in das Leitungsgremium des Geldhauses aufgerückt war.

Wie sehr sich die Vergütungsdimensionen bei der Deutschen Bank den Usancen der Wall Street oder der Londoner City angenähert haben, zeigt ein Blick auf die Liste der 20 Topverdiener in Deutschland, die von den acht Topmanagern des Frankfurter Finanzprimus dominiert wird. Selbst IT-Chef Hermann-Josef Lamberti oder Privatkundenmann Rainer Neske verdienten mehr als die Vormänner von traditionsreichen Industrieadressen wie Daimler, Bayer oder ThyssenKrupp.
Etwas mehr als 950 Millionen Euro bekamen die 286 Vorstände der 50 Stoxx-Konzerne im vergangenen Jahr insgesamt - macht pro Kopf rund 3,3 Millionen Euro.
Wer ist sein Geld wert?
Aber welche Manager waren ihr Geld auch wirklich wert? Welche Konzernchefs erbrachten eine Leistung, die ihr millionenschweres Salär tatsächlich rechtfertigt? Die Zahlen der manager-magazin-Studie lassen in einigen Fällen Zweifel aufkommen. (Eine detaillierte Auswertung der Gehalts- und Leistungsbilanz der Dax-, MDax- und Stoxx-Konzernchefs lesen Sie ab Montag auf manager-magazin.de).
Die Renditekennziffern, die etwa die Nummer eins des britischen Finanzgiganten HSBC, Michael Geoghegan, oder der Chef der spanischen Großbank Santander, Alfredo Sáenz Abad, ablieferten, lagen deutlich unter dem Schnitt der übrigen Stoxx-Firmen und reichten noch nicht einmal aus, um die Eigenkapitalkosten wieder einzuspielen. Dennoch gehören die beiden Banker mit Gehältern von 8,6 Millionen Euro (Geoghegan) und 9,3 Millionen Euro (Sáenz Abad) zu den 20 bestdotierten Spitzenmanagern Europas.
Und die Führungsspitze der UBS kassierte trotz eines Verlustes in Milliardenhöhe mit insgesamt knapp 44 Millionen Euro die zweithöchste Summe aller Topmanagementteams im Stoxx.
Shell, Deutsche Börse, Motorola: Der Unmut der Aktionäre wächst
Es sind vor allem die Manager der Finanzindustrie, die mit diesem eklatanten Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung den Zorn von Politikern und Regulierern auf sich gezogen haben. In Großbritannien war der Druck von Politik und Öffentlichkeit so groß, dass nicht nur Spitzenmanager der von der Regierung geretteten Finanzriesen Lloyds TSB und Royal Bank of Scotland auf Gehaltserhöhungen und Boni verzichteten, sondern auch die Chefs von Barclays und HSBC, die komplett ohne Staatshilfe durch die Krise gekommen waren.

In der Schweiz wird es möglicherweise im kommenden Jahr eine Volksabstimmung zur Begrenzung der Managergehälter geben und in Deutschland haben 15 der 30 Dax-Konzerne die Vergütungssysteme für das Topmanagement umgestellt, um den Anforderungen des im vergangenen Sommer durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung verschärfte Aktienrecht nachzukommen.
Selbst unter den Aktionären, die die großzügigen Vergütungspakete der vergangenen Jahre stets ohne große Widerstände durchgewunken hatten, formierte sich in den vergangenen Monaten der globale Widerstand gegen allzu exzessive Gehaltspakete.
Roadshow zur Rettung der Vorstandssaläre
In den USA stimmten kürzlich die Aktionäre auf den Hauptversammlungen des Technologiekonzerns Motorola und des Ölkonzerns Occidental Petroleum mehrheitlich gegen die Vergütungspläne für das Topmanagement. In Großbritannien ließen die Aktionäre des Shell-Managements mit seinen Gehaltsvorstellungen auf der Hauptversammlung des vergangenen Frühjahrs auflaufen.
Und selbst die Aktionäre der Deutschen Bank und der Deutschen Börse verschafften Ende Mai ihrem Unmut Luft. Die Vergütungspakete der beiden Finanzkonzerne fanden mit 53 Prozent (Deutsche Börse) und 58 Prozent (Deutsche Bank) nur ziemlich bescheidene Zustimmungsquoten. Bei der Deutschen Börse war das Vorabecho auf das neue Vergütungssystem gar so negativ, dass der Aufsichtsrat kurz vor der Hauptversammlung eine Roadshow ansetzte, um das Salär der Vorstände vor dem Veto der Aktionäre zu retten.
Neue Vergütungssysteme können zum Gehaltsturbo werden
Ob die neuen Gesetze und der aufkeimende Unmut der Aktionäre den Gehaltsauftrieb an den Konzernspitzen nachhaltig stoppen können ist allerdings eine ganz andere Frage. "Die reformierten Vergütungsprogramme der Dax-Konzerne werden vor allem eine Wirkung haben", sagt Gehaltsexperte Jens Maßmann von der Unternehmensberatung Ernst & Young im Interview mit manager magazin. "Es wird alles unübersichtlicher und komplizierter. Den Aktionären dürfte es künftig sehr viel schwerer fallen, ein Urteil darüber zu fällen, ob das Gehalt eines Topmanagers leistungsgerecht ist oder nicht."
Leicht zugängliche Kennzahlen wie die Eigenkaptitalrendite oder der Aktienkurs werden nicht mehr allein über die Höhe der Vorstandsgehälter entscheiden. Konzerne wie die Allianz oder Volkswagen etwa bezahlen ihre Spitzenleute auch nach weichen und für Außenstehende nur schwer messbaren Kriterien wie Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit.
Langfristige Vergütung: 106 Millionen Euro für Bart Brecht
Als Gehaltsturbo könnte sich ausgerechnet ein Passus des neuen Gesetzes erweisen, der auf den ersten Blick völlig vernünftig erscheint: Künftig müssen die Gehälter der Topmanager viel stärker als bislang an den langfristigen Firmenerfolg gekoppelt werden.
Das hat zur Folge, dass die kurzfristigen Boni, die traditionell etwa 50 Prozent eines Dax-Vorstandsgehalts ausmachen, künftig überwiegend in Aktien ausgezahlt werden, die anschließend mehrere Jahre gehalten werden müssen. Welche Ausmaße ein solches Vergütungssystem im Extremfall annehmen kann, zeigt das Beispiel von Bart Becht, Chef des britischen Wasch- und Reinigungsmittelkonzerns Reckitt Benckiser. Der Niederländer bekam im vergangenen Jahr 106 Millionen Euro ausgezahlt. Der Großteil der Summe stammte aus Aktien- und Aktienoptionsprogrammen, die er zum Teil bereits zur Jahrtausendwende zugeteilt bekommen hatte.
"Je höher allerdings der Aktienanteil an der Vergütung, desto größer auch das Risiko für die Vorstände", sagt Managementprofessor Joachim Schwalbach von der Berliner Humboldt-Universität: "Gegen die Gefahr, Geld zu verlieren, werden sich viele Vorstände versuchen abzusichern."
Handgelder wie bei Fußballstars
Wie eine solche Versicherungspolice aussieht, ist in den Vergütungsberichten des Siemens-Konzerns und der Deutschen Telekom nachzulesen. Für drei Aktien, die etwa einem Siemens-Vorstand zugeteilt werden, gibt es eine Aktie obendrauf. Diese Gratisaktien wirken als komfortabler Risikopuffer. Auch wenn der Kurs des Siemens-Papiers während der Haltefrist um 25 Prozent sinkt, kassieren die Manager am Ende immer noch den ursprünglich ausgelobten Bonus.
Bei der Telekom ist der persönliche Risikoschirm sogar noch deutlich weiter aufgespannt. Dort gibt es für jede Aktie, die als Bonus ausgeschüttet wird, eine zusätzliche Aktie gratis. Damit kann die Telekom-Spitze sogar Kursverluste von 50 Prozent verkraften, ohne dass sie Abstriche beim Bonus hinnehmen muss.
Teuer können die Aktienpläne für die Unternehmen noch aus einem ganz anderen Grund werden: Weil bei vielen Unternehmen die zugeteilten Aktienrechte wertlos verfallen, wenn ein Vorstand das Unternehmen vor Ablauf der Haltefrist verlässt, werden wechselwilligen Topleuten heute in einigen Fällen bereits Handgelder - im Business-Deutsch: Signing Boni - wie bei Fußballstars gezahlt.
Handgeld von zehn Millionen Euro - Dienst quittiert nach 74 Tagen
In Großbritannien etwa kassierten die neuen Konzernchefs der Kaufhauskette Marks & Spencer und des Fernsehkanals ITV jeweils 15 Millionen Pfund zum Dienstantritt. Eine ähnliche Regelung handelte auch Lawrence Rosen, seit Anfang September vergangenen Jahres Finanzchef der Deutschen Post, aus. Der Amerikaner erhält als Kompensation für verfallene Aktienrechte seines alten Arbeitgebers Fresenius Medical Care bis zum Jahr 2012 eine Summe von insgesamt 2,5 Millionen Euro.
In angelsächsischen Dimensionen handelte sich dagegen ein Manager empor, der schon in der Vergangenheit durch extremes Verhandlungsgeschick in Sachen Gehalt aufgefallen war: Utz Claassen. Der einstige Chef des drittgrößten deutschen Stromkonzerns EnBW erhielt zum Jobantritt bei Solar Millennium, neben einigen anderen Extras ein Handgeld von zehn Millionen Euro. Fünf Millionen als Ausgleich für den Verzicht auf seine Jobs bei der Private-Equity-Firma Cerberus sowie einer Beratungsgesellschaft. Weitere fünf Millionen als Vorausprämie für den Aufstieg des Unternehmens in die Oberklasse.
Als Claasen 74 Tage unter lautem Getöse wieder hinwarf, weigerte er sich die Antrittsprämie wieder zurückzuzahlen. Inzwischen streiten sich Claassen und sein Kurzzeitarbeitgeber vor Gericht um die Millionensumme. Sollte sich Claassen durchsetzen, hätte er aufs Jahr hochgerechnet eine Summe von etwas mehr als 49 Millionen Euro kassiert. Das wäre deutlich mehr als die 38 Millionen, die die acht Vorstände der Deutschen Bank insgesamt für 2009 mit nach Hause genommen haben.