Proteste in Griechenland "Der IWF soll sich vom Acker machen"
Athen - Viele Staatsbedienstete legten am Dienstag die Arbeit nieder: Ministerien, Steuerämter und alle anderen Behörden waren deswegen unterbesetzt. Viele Schulen blieben geschlossen. Für den Nachmittag planen die Staatsbediensteten Demonstrationen in Athen und anderen Städten. Zu Problemen kam es auch im Luftverkehr, weil dort ebenfalls Beamte beschäftigt sind. Viele Flüge fielen aus. Es wurde jeweils nur ein Flug pro Ziel abgefertigt. Seit Montag streikt bereits die griechische Müllabfuhr.
Aufgebrachte arbeitslose Lehrer lieferten sich am Dienstag nach einer zunächst friedlichen Demonstration gegen das Sparprogramm der Regierung Ausschreitungen mit der Polizei. Rund 100 Lehrer versuchten Absperrungen zu durchbrechen und bis zum Eingang des Parlamentsgebäudes vorzudringen. Sie bewarfen die Polizei mit Flaschen und Steinen. Die Beamten setzten Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben, wie Augenzeugen berichteten. Die Lage beruhigte sich aber wieder relativ rasch.
Am Vorabend hatten arbeitslose Lehrer ein Studio des Staatsfernsehens (NET) gestürmt und die Hauptnachrichtensendung aus Protest gegen den Einstellungsstopp unterbrochen. Das Fernsehen zeigte zwei Stunden lang Dokumentarfilme. Die Besetzer durften schließlich live eine Erklärung abgeben. Darin hieß es, der "Einstellungsstopp sei ungerecht", und "der IWF soll sich vom Acker machen". Anschließend wurde das Programm fortgesetzt.
Auch am Mittwoch soll gestreikt werden. Wichtigste Auswirkung: Die Fluglotsen wollen dann den Luftraum über Griechenland am Mittwoch komplett schließen. Alle Flüge von und nach Griechenland würden ausfallen, teilten die Fluglinien mit. Im Radio und Fernsehen wird es keine Nachrichten geben, weil auch Journalisten sich an dem Ausstand beteiligen.
Viele Geschäftsinhaber wollen ihre Läden am Mittwoch ebenfalls schließen. Sie warnen davor, dass die Wirtschaft mit den Sparmaßnahmen "abgewürgt" und sie in den Ruin getrieben würden. Schon jetzt sei der Konsum stark gefallen, die Kaufkraft werde weiter sinken.
Sondersteuer auf Unternehmensgewinne
Die Regierung in Athen muss in den nächsten drei Jahren 30 Milliarden Euro sparen, um das Land mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Union (EU) vor der Pleite zu retten. Die EU und der IWF wollen den Griechen mit 110 Milliarden unter die Arme greifen. Eine der Maßnahmen ist ein Einstellungsstopp im staatlichen Bereich für mindestens drei Jahre.
Als eine der Maßnahmen verhängt Griechenland eine Einmalsteuer auf Unternehmensgewinne im laufenden Jahr. Bei einem Nettoergebnis von bis zu 300.000 Euro würden 4 Prozent fällig, bei einem Gewinn von über fünf Millionen Euro 10 Prozent, hieß es in einem Gesetzentwurf, den die Regierung am Dienstag an das Parlament übersandte.
Eine weitere Sofortmaßnahme bereitet der Pharmaindustrie Sorgen. Laut einem Bericht des Branchendienstes "Apotheke Adhoc" gelten ab sofort neue Medikamentenpreise. Um bis zu 10 Prozent solle der Arzneimitteletat von zuletzt 9,5 Milliarden Euro gekürzt werden. Die ersten Hersteller drohten bereits mit einem Lieferstopp, internationale Pharmakonzerne hätten die Schließung ihrer griechischen Niederlassungen angekündigt. Für die griechischen Apothekeninhaber und Pharmagroßhändler würden die Margen abrupt um 20 bis 27 Prozent gekürzt. "Patienten werden in den Apotheken bald keine Medikamente mehr bekommen: Die Regale werden leer sein", warnte ein Apotheker. "Die Bürger haben Angst", titelte die konservative Zeitung "Kathimerini" am Dienstag.
Dutzende Mitglieder der griechischen kommunistischen Gewerkschaft PAME hängten am Morgen auf der Akropolis - dem Wahrzeichen Athens - zwei große Transparente auf, auf denen auf griechisch und englisch stand: "Völker Europas erhebt Euch". Zudem forderten sie den IWF auf, "aus dem Land zu verschwinden".
"Die Lage wird immer vulgärer", hieß es in Kommentaren im griechischen Radio. "Es kann nicht sein, dass ein Weltkulturerbe für gewerkschaftspolitische Zwecke benutzt wird", und "die Akropolis gehört nicht nur uns, sondern der ganzen Welt", hieß es weiter. Als ein Staatsanwalt auf die Akropolis stieg und die Demonstranten warnte, er werde "Maßnahmen treffen", wurden die Transparente eingerollt. "Einige träumen von der proletarischen Revolution und verstehen nicht, dass das Land untergehen könnte", hieß es in einem Kommentar des wichtigsten Nachrichtensenders Skai.
manager magazin mit Material von dpa-afx und reuters