Parteienkritiker von Arnim "Es darf keine Exzesse geben"
mm: Herr von Arnim, die Titelgeschichte des aktuellen manager magazins beschreibt am Beispiel des Altkanzlers Gerhard Schröder die zweite Karriere von Ex-Politikern in der Wirtschaft. Wie verbreitet ist das Phänomen in Deutschland?
von Arnim: Das ist zweifelsohne ein wachsender Trend. Deutschland gleicht sich den USA immer mehr an, wo diese Praxis seit langem verbreitet ist. Hier muss man sehr aufpassen, dass es keine Exzesse gibt.
mm: Was ist so schlimm daran? Die Durchlässigkeit zwischen politischen Ämtern und Posten in der Wirtschaft wird doch immer wieder gefordert.
von Arnim: Ja, das ist eigentlich auch okay. Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft muss in beide Richtungen funktionieren. Es tut der Politik gut, wenn in den Parlamenten nicht nur Beamte und Lehrer sitzen, sondern auch Leute mit ökonomischem Sachverstand. Es geht mir um die problematischen Fälle, die man unterbinden muss. Wenn ein Minister in seinem Amt mit den Angelegenheiten eines bestimmten Unternehmens befasst war und dann nach seiner Amtszeit in eben jenes Unternehmen hinüberwechselt, dann ist hier schon der so genannte böse Schein gegeben, egal ob er das Unternehmen nun konkret protegiert hat oder nicht. Andere Länder verbieten diesen Wechsel für Regierungsmitglieder. Bei uns gibt es für parlamentarische Staatssekretäre oder Minister kein solches Verbot. Dabei haben wir dort große Probleme.
mm: Welche Fälle haben Sie da im Auge?
von Arnim: Der prominenteste ist sicherlich Gerhard Schröder. Er hatte mit dem "lupenreinen Demokraten" Wladimir Putin die Ostseepipeline abgesprochen und wurde nach seiner Amtszeit Aufsichtsratsvorsitzender des Betreiberkonsortiums Nord Stream. Er bestreitet einen unmittelbaren Zusammenhang, und beweisen kann man so etwas auch sehr selten. Aber hier liegt meiner Meinung nach schon der böse Schein vor.
Ein anderer Fall ist der von Caio Koch-Weser. Als beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium hat er in seiner Amtszeit sehr günstige Entscheidungen für die Deutsche Bank getroffen, das hat sogar der Bundesrechnungshof moniert. Später wechselte Koch-Weser zur Deutschen Bank. Anders als im Fall Schröder hätte man diesen Wechsel sogar verbieten können, weil Koch-Weser kein Regierungsmitglied, sondern Beamter war. Es gibt also durchaus gesetzliche Regelungen, man muss nur Gebrauch davon machen.
mm: Warum ist das nicht passiert?
von Arnim: Der Dienstvorgesetzte hat das halt nicht gemacht, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Hier hat sich wieder einmal der Spruch mit den zwei Krähen und dem Augen aushacken bewahrheitet.
mm: In der Privatwirtschaft wird neuerdings der unmittelbare Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens durch eine Karenzzeit erheblich erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht. Fordern Sie so etwas auch in der Politik?
von Arnim: Nein, nicht generell. In problematischeren Fällen, die ich zuvor ja beschrieben habe, sollte man allerdings eine längere Karenzzeit vorschreiben. Aber wenn man das für alle pauschal zur Verpflichtung machte, würde der Wechsel ohne triftigen Grund zu sehr erschwert.
Was Politiker für die Wirtschaft interessant macht
mm: Was macht Politiker so interessant für die Wirtschaft?
von Arnim: Für die Wirtschaft geht es um Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Dazu will sie das Ohr an der Macht haben. Das zentrale Asset von Politikern ist deshalb ihr Netzwerk. Sie kennen ihre Ex-Kollegen noch gut. Und wenn sich Schröder oder sein ehemaliger Wirtschaftsminister Wolfgang Clement irgendwo ansagen, wird ihnen kaum einer einen Termin abschlagen. Schon die Möglichkeit, solche Termine zu vereinbaren mit internationalen Spitzenleuten, ist viel wert.
mm: Wie wichtig ist die Anbindung ans Regierungsgeschäft? Hat zum Beispiel der SPD-Altkanzler Schröder an Wert verloren, seit dem in Berlin schwarz-gelb regiert?
von Arnim: Da ist schon ein Niveauunterschied da. Aber die Spitzenbeamten werden ja bei einem Regierungswechsel nie komplett ausgetauscht. Und die hat man zum Teil früher selbst eingestellt, da bestehen noch zahlreiche Loyalitäten.
mm: Was treibt Politiker dazu, sich in den Dienst von Unternehmen zu stellen? Ist es nur das Geld?
von Arnim: Man will immer noch etwas beeinflussen, gestalten, wichtige Gespräche mit wichtigen Leuten führen. Und, klar, wollen die Politiker auch ihren Einfluss versilbern, ihren wirtschaftlichen Wert ummünzen. Es sind ja auch nur Menschen. Im Vergleich zu den Einkommen, die in der Wirtschaft gezahlt werden, sind Politikergehälter meist nicht so doll. Da wollen manche nach dem Ende ihrer Amtszeit aufholen.
mm: Sie beobachten den Lobbyismus von Berufs wegen schon seit Jahrzehnten. Welches war der krasseste Fall, den Sie erlebt haben?
von Arnim: Krass sind all jene Fälle, wo Abgeordnete sich noch während der Ausübung ihres Mandats in den Dienst von Unternehmen stellen. Wie zum Beispiel der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der zugleich Cheflobbyist des Bertelsmann-Konzerns ist.