Lehman-Insolvenz Viel fordern, wenig bekommen
Hamburg - Erst stürmten verzweifelte Kleinanleger die Verbraucherzentralen, nun pochen die deutschen Banken auf Geld, das sie bei Geschäften mit der insolventen US-Bank Lehman Brothers verloren haben. Auf 50 Milliarden Euro summieren sich die Forderungen, die Bundesverband deutscher Banken, Bundesbank, Deutsche Bank, Commerzbank und andere laut Forderungsverwalter Epiq Systems beim Insolvenzverwalter geltend gemacht haben.
Es geht um Wertpapiere, die plötzlich nichts mehr wert waren. Oder um ausgebliebene Zahlungen aus Kreditsicherungsgeschäften. In jedem Fall fällt der Schuldner aus, und die Geldhäuser versuchen das Maximum aus der Insolvenzmasse herauszuholen.
Doch die erwartete Insolvenzquote dürfte nicht eben üppig ausfallen, darauf deuten schon die Kurse hin, zu denen Forderungen an Lehman gehandelt werden: Sie bringen gerade noch um die 15 Prozent des Nominalwerts. Kein Wunder, dass die Banken ihre Forderungen nun künstlich in die Höhe schrauben. Etwa 25,7 Milliarden Dollar verlangt der Bankenverband, einzelne Institute bestehen auf 13,4 Milliarden Dollar, die Bundesbank ist mit 10,4 Milliarden dabei.
"Damit sind wir auf der sicheren Seite", heißt es in Frankfurter Finanzkreisen mit Blick auf die großen Ansprüche. Das Kalkül: Wer viel fordert, bekommt am Ende auch relativ viel heraus. Weder der Bankenverband noch einzelne Institute machen einen Hehl daraus, dass die genannten Zahlen kaum den Schaden repräsentieren, der den Banken tatsächlich entstanden ist.
Denn oftmals haben die Institute einen Schaden gleich mehrfach angemeldet. Eine Bank, die beispielsweise Lehman-Wertpapiere in Höhe von 100 Millionen Dollar hält und diese nicht mehr zurückgeben kann, macht diese Forderung bei der US-Mutter, bei der deutschen Tochter, bei der Derivatetochter und weiteren Lehman-Gesellschaften geltend, so dass die Summe sich leicht auf 500 Millionen vervielfacht.
Schrott von Lehman könnte morgen wieder Gold sein
"So bekommen wir mehr zurück", heißt es in Frankfurt. Die Hoffnung: Aus verschiedenen Konkursmassen einzelner Lehman-Gesellschaften läppert sich ein möglichst großer Betrag zu einer einzelnen Forderung zusammen.
Zudem haben Banken auch vorsorglich Ansprüche an Lehman weitergereicht, die ihre eigenen Kunden gegen sie geltend gemacht haben: Etwa im Fall von Schrottzertifikaten, bei denen die Kunden den deutschen Banken die Schuld am Totalverlust geben, diese die Schuld jedoch von sich weisen und die Gerichte noch nicht geurteilt haben. In den Bankbilanzen tauchen die allermeisten dieser Forderungen schon gar nicht mehr auf der Habenseite auf - zumal sie teils in verbriefter Form schon wieder weiterverkauft sind.
"Wir haben für alle erkennbaren Risiken Vorkehrungen getroffen", sagte ein Commerzbank-Sprecher gegenüber manager-magazin.de mit Blick auf die 4,9 Milliarden Dollar, die das Institut laut dem Forderungsverwalter angemeldet hat. Die Deutsche Bank wollte die in ihrem Zusammenhang genannte Summe in Höhe von 6,3 Milliarden Dollar nicht kommentieren.
Nach übereinstimmender Expertenansicht ist die Summe von 50 Milliarden Euro irreführend und nur eine theoretische Größe. In einem besseren Marktumfeld könnten Banken Lehman-Papiere sogar wieder mit Ertrag verkaufen, verlautete aus Frankfurter Finanzkreisen. Zudem sei angesichts der riesigen Zahl der Gläubiger die Chance, tatsächlich Geld aus der Insolvenzmasse zu bekommen, gering.
Der Bankenverband will sich offenbar Gelder zurückholen, mit denen der Einlagensicherungsfonds Anleger entschädigt hat, die bei Lehman Deutschland Geld angelegt und wegen der Pleite der Bank verloren hatten. Das sind private Sparer, aber auch Kommunen. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine Größenordnung von 6,7 Milliarden Euro - ein Bruchteil der 25,7-Milliarden-Dollar-Forderung. Auch das deutet daraufhin, dass die nun genannten Summen eher abstrakter Natur sind.
mit Material von dpa-afx