Atomkraft Der heimliche Wahlsieger
Hamburg - Die Union will die Laufzeiten der Atommeiler verlängern und die Kernkraft in einem Energiemix als "Brückentechnologie" nutzen, bis sie durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann. Auch die Liberalen sprechen sich dafür aus, die Atommeiler über die bislang festgelegten Daten hinaus am Netz zu lassen. "Auch dieses Thema kann jetzt sachlich und ideologiefrei angepackt werden", sagte Eon-Chef Wulf Bernotat dem "Handelsblatt" am Dienstag.
Die Atombranche will der neuen Regierung die Entscheidung nun offenbar erleichtern und zeigt sich offen für die Forderung der Union, Zusatzgewinne der Betreiber aus der Laufzeitverlängerung in die Forschung für erneuerbare Energien zu stecken. "Wir haben von vorneherein gesagt, wenn dadurch Mehrwert generiert wird, wird der auch geteilt", sagte RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann am Dienstag in der ARD. Als Größenordnung komme dazu "ein dicker zweistelliger Prozentsatz" infrage, sagte der RWE-Chef.
"Damit kann man viele andere Dinge tun. Auch die Leitungen bauen, um die Windkraft von Norden nach Süden zu bauen." Auf eine genaue Aufteilung von schätzungsweise sechs Milliarden Euro aus hochgerechneten Atomkraft-Gewinnen wollte sich der Vorstandsvorsitzende des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns aber nicht festlegen: "Ich glaube, dieses Gespräch sollte ich mit der Bundeskanzlerin (Angela Merkel) führen." Zunächst müsse sich erst einmal über den Energiemix der Zukunft unterhalten werden. "Immerhin ersparen uns die Kernkraftwerke im Jahr 150 Millionen Tonnen CO2 im Jahr", sagte Großmann.
Großmann plädiert angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels im Bund für eine Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Biblis in Hessen. "Ich glaube, man sollte technische Anlagen so lange nutzen, wie sie sicher sind", sagte Großmann.
Auf die Frage, ob die beiden seit einiger Zeit in die Kritik geratenen Kraftwerksblöcke Biblis A und B sicher seien, sagte er: "Ja, selbstverständlich sind sie sicher." In den Niederlanden gebe es einen baugleichen Reaktor mit einer Laufzeit von 60 Jahren. Biblis, das älteste betriebene deutsche Atomkraftwerk, soll nach dem 2002 von der rot-grünen Regierung mit der Energiewirtschaft gefundenen "Atomkonsens" im kommenden Jahr abgeschaltet werden.
Auch Eon-Chef Bernotat zeigte sich im "Handelsblatt" zu Vereinbarungen über die Laufzeitdividende bereit. Ob die Zusatzgewinne für Investitionen in erneuerbare Energien oder CO2-freie Kohlekraftwerke, für Sozialtarife oder Unterstützung der Industrie genutzt würden, sei eine politische Entscheidung. "Wir sind jedenfalls gesprächsbereit", sagte Bernotat. Die Aktien von Eon und RWE gehörten am Montag nach der Wahl zu den größten Gewinnern im Dax.
manager-magazin.de mit Material von afp, ap und reuters